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Weber, Wilhelm; Königliche Museen zu Berlin / Ägyptische Abteilung
Mitteilungen aus der Ägyptischen Sammlung: Text — Berlin, 2.1914

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158

Bes.

17. Bes (Tafel 25, 26).
Von den Göttern der alten Zeit, die in der letzten Epoche Ägyptens noch kraftvoll leben,
ist Bes, der mißgestaltete Zwerg mit der tierhaften Fratze, in seinen heterogenen Erscheinungs-
formen und Funktionen der seltsamste. Zwar hat die neuere Forschung gelehrt, daß wir aus
allzu großer Distanz und zu Unrecht verschiedene Zwerggötter, die sogar in eigenen Kunst-
typen während der langen Reihe von Jahrhunderten aufgefaßt zu sein scheinen, in den einen
Bes zusammengesehen, mit der einen Formel Bes zu erschöpfen gedacht haben 1). Der Vorwurf
scheint aber uns Neuere nicht allein zu treffen; denn selbst vorausgesetzt, daß derartige Zwerg-
götter mit örtlich oder mythologisch oder kultlich ganz verschiedenen Funktionen aus der theo-
logischen Lehre ins Volk oder von lokalen Anschauungen ins Allgemeinbewußtsein der vor-
griechischen Zeit übergegangen sein sollten, — ein Prozeß, der sich kaum mehr verfolgen läßt —
das bleibt Tatsache, daß für die griechische Zeit, die uns hier angeht, für die Zwergengötter
der Name Bes der außerhalb der priesterlichen Lehre allein lebendige, im Volk geläufige war.
Dieser besaß besondere namenbildende Kraft; Bes muß also trotz seiner plumpen Zwergengestalt
ein mächtiger Geist gewesen sein, — noch in christlicher Zeit spukt er in den verlassenen Tem-
peln2) — der kraft seiner Funktionen ein Liebling der Frauen und Männer, Schützer im Grab,
nach dem Volksglauben in seiner Gestalt3) verdoppelt, vervielfältigt erscheinen konnte4).
Diese Gestalt, das Resultat der älteren Entwicklung, lebt in der späten Epoche fort, wenn auch
unter fremdem Einfluß verwandelt, dem neuen Geiste angepaßt. Die Frontalität wird gewahrt;
sein Körper elegant oder kraftvoll durchgegliedert. Einzelheiten der Tracht, für die das Verständnis
noch mehr verloren war als in der letztvorhergehenden Zeit, werden willkürlich behandelt5). Trotz-
dem wird der oder jener Zug aus der ägyptischen Überlieferung mitgenommen; z. B. das Stehen
auf dem Kapitell, wie das ptolemäische Stück 264 aus der ,,gelben Fabrik“ es zeigt6), die
gebrauchszwecklichen Darstellungen, wie Flaschen, Attachen, u. a. in Besform7). Anderes wird

1) Ich beziehe mich jetzt, der Kürze halber, auf die Materialsammlung von Ballod, Prolegomena zur Geschichte der
zwerghaften Götter in Ägypten, Münch. Diss. 1913.

2) Erman, Religion2 258, Ballod 70.

3) Charakteristisch dafür ist, daß er im vollen Ornat an der Brust des Weibes liegt, s. oben S. 39 Abb. 14.

4) Die zahlreichen Belege z. T. bei Ballod, bei Sethe, Pauly -Wissowa III, 1, 324 ff., in den älteren Publikationen
(s. Lit. bei Ballod) und vor allem in den Namenlisten der Papyruspubl.

5) Vgl. dazu Ballod 89 f. — vor allem der Wechsel der Zahl der Federn, der Barttracht, des Aufsatzes, der „Kappe",
der „Ohren" (vgl. bes. 262 u. 264).

6) Über das Stück s. unten S. 207. Die Öse an der Rückseite zeigt, daß es aufzuhängen war; die Zuspitzung unter-
wärts hindert die Aufstellung: So ist es hier keine zum Kapitell umgearbeitete Basis. Andere Beispiele stützen die Beobachtung.
Auf einem Blattkapitell wie die Münze bei Dattari, Numi 1580, und die Mädchenfiguren, 358, 359, deren eine zur gleichen
Fabrik gehört, steht auch ein hierher gehöriger Pan oder Priap ähnlicher Gott mit langer Tuba (Slg. v. Bissing, Flasche
'angeblich aus dem Faijum, sicher aus Mittel- oder Oberägypten); ein Bes in Karlsruhe II. 826, ferner auf Lotoskapitell
Brit. Mus. 1206 (Roscher, Lex. I 2884, 63 und Cat. Brit. Mus. Terr. 253 C. 593, Fig. 50). Leiden, A. 1191 b. Wallis, Eg. cer.
Art II, Fig. 4. Daressy, Stat. de div. pl. XI, 38 717, 38 718, 38719, 38 728, 38729. Ein Stück in Berlin, Kaiser Friedrich-
Mus. kopt. Abt. (2 Figuren). Berlin, Äg. Mus. 4537, ferner 11007 (H. 20 cm); vgl. ferner Bonomi and Arundale, Mus. Brit,
pl. 23, Fig. 85. Leiden, A. 1190; die Tierfigur auf der Säule, Reisner, Amuletts 12397, genau so wie in späterer Zeit die
Nischenfiguren auf Reliefs, auf Kapitellbasen stehen. Zweifellos wird durch diese Reihe von Parallelen die Erscheinung über
die Zufälligkeit hinausgehoben, das Gewollte erwiesen; zu verstehen ist es m. E. nur daraus, daß die Figuren auf Stäben
(Zeptern) getragen wurden, deren oberes Ende zum Kapitell ausgearbeitet war; oder daß sie als Griffe an Geräten dienten.

7) Flaschen: vgl. Nr. 262 (Ausguß), 263, 264; vieles in den Listen von Ballod. Hierher auch der Bes als Trinkhorn, ein
Weihgeschenk im Tempel der Arsinoe Zephyritis, von dem Athenaeus 497 d redet (v. Wilamowitz, Gött. Nachr. 1894, 21); wie
alt das Motiv ist, lehrt die Darstellung 13.—12. Jahrh. Berlin, Äg. Mus. 8238, Bes als Gefäß, der sich mühsam unter einer
schweren Last erhebt. — Attachen: vgl. Nr. 254 und damit z. B. Ballod 92, Abb. 101 auch auf anderen Geräten, Nr. 267,
Taf. 26; viel Material in Ballods Arbeit.
 
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