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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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Berger, Ernst: O goldene Akademia
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0066

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r-^g_ 0 goldene 01^ademia!

Wer kann den drei Burschen auf unserem Bilde böse sein! Sie stehen ja
nicht gerade in tadelloser Stellung vor uns. Im Gegenteil: der Menschheit
ganzer Jammer packt sie an. Aber sie werden sich bald wieder aufgerafft
haben, der Kater, der sie heute umdräut, wird nicht endgültig der Abschluß
ihres Lebens sein. Jugend ist da, damit sie genossen wird. Denn später in
unsern alten Tagen, wenn die Erfahrungen und Erlebnisse uns gleichgültig und
schweigsam gemacht haben, soll sie der Born unserer schönen Erinnerungen
sein. Nur die Weichlinge und die Mucker sind Studenten, um lediglich zu büffeln
und dran zu denken, daß sie prompt ihr Examen machen. Die drei Kumpane
auf unserm Bilde, denen heute der Schädel bedenklich schwer ist von der feucht-
fröhlich durchbrausten Nacht . . . sie werden auch ihr Examen machen, aber
sie werden sich dazu einen warmen Funken Jugend in die Eiszeit ihres Alters
mit hinüberretten. Und noch in ihren ältesten Tagen werden sie Herz und
Stimme erheben, wenn es gilt, einen studentischen Kantus zu singen.

Heilige und selige Erinnerungen! Wo es auch gewesen sein mag, in Berlin,
München, Leipzig, Jena, Königsberg oder anderswo: wenn wir nach Jahren
dieselbe Straße ziehen, so ergreift uns Wehmut wie beim Betreten der Stätten
der Heimat. Das neue moderne Haus, das sich inzwischen auf dem Boden der
alten Kneipe erhoben hat, möchten wir wegwischen, da wir es als Eindringling
in die besten Regungen unseres Herzens empfinden. Einsam steht man dann
auf weiter Flur. Wo sind sie geblieben, die jungen Freunde, auf deren Bude
man die Wurstpakete der Eltern verzehrte und sich ausschlief, wenn die Kneipe
zu feucht und der Weg zu weit war. Nicht immer war es ein vom Jammer
nur halb betroffener Kommilitone, der Erbarmen hatte und Kaffee kochte. Meist
klopfte die Wirtin energisch an die Tür, und wenn sie die Bescherung sah, so
war der Morgengruß nicht immer ganz fein. Sie hatte Oberwasser, denn man
hing bei ihr in der Kreide. Und für heute hatte man einen neuen „Pump“ gestern
abend mit sich ausgemacht. Durch diese Perspektive war mancher des Weges


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Erich Eltze: Am Morgen nach der großen Kneipe.

O goldene Akademia! Wieder ist es nur deutsches Studentenleben, das
im schönsten Sinne der Abglanz seliger Jugendzeit ist. Wieder ist es deutsches
Studentenleben, in dem inmitten der Sorgenlosigkeit und Ungebundenheit sich
die ersten Zeichen eines männlichen Charakters geltend machen. Man denke
nur an die Begründung der Burschenschaft, die aus dem Ideal nationaler Zu-
sammengehörigkeit heraus erwuchs. Wenn solche schweren und ernsthaften
Ideale in den Kreisen unserer Studentenschaft gewonnen werden können, um
sogar mit der Aufopferung des Lebens und der Freiheit verteidigt zu werden, so
muß man die Anschauung, als werde auf den Kneipen unserer studentischen
Korporationen und Verbindungen nur „gesumpft“, stark revidieren. Auch heute
noch ist das studentische Verbindungsleben für sehr viele eine heilsame Stätte
der Erziehung und des tatkräftigen Idealismus gewesen. Unsere Jugend ist
gottlob noch nicht so verdorben, als es ihr bei jedem Auswuchs, vor dem sich
kein Stand, kein Fach und kein Mensch retten kann, zum Vorwurf gemacht wird.
Unsere drei Burschen auf unserem Bilde haben schwer gekneipt, das ist wahr.
Aber welch ein Abend mag es gewesen sein, wie befreiend hoch mag der
Übermut und der Idealismus gestiegen sein, daß sie sich nicht trennen konnten
von der Kneiptafel. Die Jugerid ist offenherzig. Alles, was an inneren Kämpfen
bedrückt, wird mitgeteilt, alle Fragen des öffentlichen Lebens und der Kunst
werden berührt, nicht philisterhaft trocken, sondern mit eigener persönlicher
Anteilnahme und mit dem ganzen Feuer des eigenen Standpunktes, den man in
der Sache vertritt. Später im Alter mag uns das ein Lächeln äbnötigen, unsere
Jugend aber hat es erhitzt und hat es geläutert und geklärt.

schwer daherwankender Kommilitone bestimmt worden, gleich mitzukommen,
um von dem zu erobernden Taler etwas zu profitieren. Sich gegenseitig aus-
zuhelfen, war Ehrensache. Selbstverständlich wurde auch gegeben, ohne sich was
dabei zu denken und ohne solche Dinge tragisch zu nehmen. Wie bescheiden
lebte man dann im letzten Drittel des Monats! Junge Leute, die nie gewohnt
waren, in einfache Verhältnisse zu blicken und sich ihnen anzupassen, haben es
als Studenten gelernt und fürs ganze Leben daraus eine Erkenntnis gezogen.
Auf sich allein war man gestellt, und das gab einem die beste Freiheit fürs
spätere Leben.
Laßt unsern drei Burschen auf unserem Bilde ihren Kater hinter sich haben,
und in flottem Jugendschwung werden sie wieder vor uns stehen. Es wird ja
jetzt so viel Propaganda für die Guttemplerbewegung, d. h. für den Kampf gegen
den Alkoholismus gemacht. Gewiß ist dieser Kampf durchaus willkommen zu
heißen, sicherlich wird auch im Kreise der akademischen Jugend mit dem
Trinken viel übertrieben. Immerhin liegen diese Zeiten schon als überwunden
hinter uns. Heute ist es jedenfalls schon soweit gekommen, daß keiner mehr als
Unkommentmäßiger von der Kneipe ausgeschlossen wird, wenn er Wasser trinkt.
Freilich sind beim Wasser oder zum Wasser unsere Studentenlieder nicht
gedichtet worden, sondern entfalten nur bei Wein oder Bier ihre volle Blüte.
„Heiho! Die Kneipe reich geschmückt Es schäumt der Wein, der Ganze steigt,
Mit Fahnen, Bändern, Wappen! Die Lieder klingen heiter —
Recht burschikos aufs Haupt gedrückt Hei! ob sich auch die Sonne neigt,
Die goldgestickten Kappen! Was tut’s? Wir zechen weiter!“ E. B.
 
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