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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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6. Heft
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Schreder, Karl: Der Albrecht-Dürer-Bund in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0179

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Der Albrecht- Dürer - Bund in Wien.
Von Karl Schreder.



a^gls der Frühlingssturm Sezession durch die Welt der bildenden Künste
rj brauste und mit manchem Segen leider zugleich viel Unheil brachte, regte
V sich auch in Wien ein frisches Wehen, das aus kräftigem Odem blies
und aufrüttelnd in die Kunstkreise der Kaiserstadt drang. Abfallende Gruppen

Otto Pfeiffer (Albrecht-Dürer-Bund, Wien): Beim Hollerbusch.
aus der Jahrzehnte lang allein herrschenden Künstlergenossenschaft bildeten neue
Vereinigungen; eine entstand nach der anderen. Ein förmliches Kunstwettrennen
wurde gehalten, heiß stritten die Favoriten um den Lorbeer des Erfolges. Bald
war er hüben, bald drüben in den gegnerischen Lagern. Während der mehr-
jährigen Kampfeszeit drang ein zündender Strahl zu einem schwach flackernden
Lebensflämmchen, das, schon dem völligen Erlöschen nahe, plötzlidh zu neuer,
hellaufwirbelnder Lohe entfacht wurde. In aller Stille vegetierte in Wien der
Albrecht-Dürer-Verein (heute Bund), von vielen vergessen, von Tausenden gar
nicht gekannt, da er durch lange Jahre nie an die Öffentlichkeit getreten war.
Und doch ist der Verein — er besteht schon über 50 Jahre — der älteste
Künstlerbund Wiens, aus dessen Mitgliederschaft sich erst die große Genossen-
schaft der bildenden Künstler Wiens herauskristallisierte. In der allgemein auf-
lebenden Kunstbetätigung erinnerte sich nun auch der Albrecht Dürer-Verein
daran, daß er eine Lebensberechtigung habe, und er trat aus seiner Zurück-
gezogenheit hervor, zuerst bescheiden, dann mit frischkeckem Vorwärtsschreiten.
Nach Überwindung mancher Hindernisse gelang es einer tatkräftigen Leitung,
den Verein, der zum Bunde umgetauft wurde, in die erste Reihe der Wiener
Künstlerverbände zu stellen. Um einige noch unverinorschte Stämme, deren
kräftigster Iiofrat August Schäfer, der bekannte Meister der Landschaftsmalerei
und frühere Direktor des kunsthistorischen Hofmuseums zu nennen ist, treiben
junge Schößlinge empor und entfalten ein frisches, vollsaftiges Knospen und
Blühen, das verheißungsvoll der Zukunft entgegenreift. Was die jungen Kräfte
des Bundes vor allem auszeichnet, ist die Marke der Solidität und der Passier-
schein der Gesundheit, die ihren Werken anhaften. Neukunst in ihren schreck-
lichen Entartungen findet dort keinen Boden, stets wird sorgfältig die Spreu vom
Weizen gesondert, und das Unkraut fliegt hinaus auf jene Kehrichtstätte, wo die
Kunstdekadenz ihre Abnormitäten ablagert.
Die in diesem Hefte reproduzierten Werke stellen eine kleine Auswahl aus
der letzten Ausstellung des Bundes dar. Weniges nur gestattet der Raum zu bieten,
doch das Wenige sagt Vieles und ausschließlich Gutes. Einer der Jüngeren der
Mitglieder, Karl Hayd, ist zugleich auch einer der Tüchtigsten. Er führt den
Pinsel mit starker Hand; wie er es vermag das Leben real und doch von poeti-
schem Hauch erfüllt zu schildern, das sagt ohne WTorte sein Bild „Lebensabend“
am besten. Josef Musser zählt zu den feinsinnigsten Künstlern. Ein tiefes Natur-
empfinden, das oft unter der schwermütigen Lyrik eines Lenau zu stehen scheint,
spricht aus seinen Landschaften. Einen echten Wiener, obschon sein Name
slawischen Ursprunges ist, lernt man in Leopold Widlizka kennen. Themen aus
dem Wiener Volksleben sind ihm die liebsten, und er trifft auch den Wiener
Akkord, der sich aus Herzensgüte, Frohsinn und Walzerzauber zu einem präch-

[Nachdruck verboten.]
tigen Dreiklang zusammensetzt, vorzüglich. Ist das niedliche Mäderl, das er „Die
kleine Kokette“ nennt, nicht die richtige Verkörperung des „Süßen Fratzerls“,
wie es nur auf Wiener Boden gedeihen kann? Ein anderer, der sein Wien mit
Herz und Seele liebt, der mit allen Fasern an der alten Kaiserstadt an der Donau
hängt, ist Hans Götzinger. Den Spuren Rudolf Alts folgend,
ist auch er Aquarellist, und als Meister dieser Technik, bringt
er mit pietätvollen Gefühlen die schwindenden intimen Reize
alter Gassen, Höfe und Winkel unseres lieben alten Wien, zu
Papier. Jedes seiner Blätter ist stets ein Kabinettsstück. Als
liebevoller Schilderer der alten romantischen Stadt Eggenburg
in Nieder-Österreich hat sich Götzinger einen speziellen Namen
gemacht, und daß er auch im rein Landschaftlichen seinen Mann
stellt, beweist die Reproduktion seines Bildes „Verheerende
Fluten“ sicherlich überzeugend. In Verwandtschaft mit Götzinger
steht Gustav Feith; auch er führt einen gewandten, oft sehr zier-
lich arbeitenden Aquarellpinsel, auch er liebt Alt-Wien, ins-
besondere die Stätten, wo große Geister gelebt und gewirkt
hatten. Schuberts Geburtshaus mit seinem anheimelnden Hofe
und dem lauschigen Garten ist eines seiner Lieblingsmotive.
Vieles holt er sich aus der herrlichen Umgebung Wiens. Von
einem dieser künstlerischen Streifzüge hat er den stimmungs-
vollen „Abend an der Liesing“ mitgebracht. Eduard Adrian
Dussek, der melancholische Stunden liebt, in denen verklungene
Melodien im Raume nachvibrieren oder Herzensweh in Abschieds-
momenten seine stumme Sprache spricht, sucht auch gerne
dunkle Winkel in Kammern und Ställen auf, um sie und ihren
Inhalt zu bester Bildwirkung zu bringen. Vom „Jungbund“ her
kommt Hugo Schubert, ein starkes koloristisches Talent, das
trotz schwerer Hindernisse, die sich ihm in den Weg stellten,
vorwärts gekommen ist und nun zu den Ersten des Bundes
zählt. Er macht sich durch Porträts, reizende Kinderköpfchen
und viele andere Arbeiten einen klingenden Namen. Besonderes
Hervorheben verdient Alfred Wesemann nicht nur als Tier-
maler ersten Ranges, sondern auch als Präsident des Bundes,
der zum größten Teile seiner Umsicht und Energie das rasche Emporblühen
verdankt. Ob Wesemann die speckwanstigen Grunzer der bäuerlichen Höfe
oder die zartschlanken Flamingos der Schönbrunner Menagerie malt, er bleibt
überall ein Meister seines Gebietes. Ein Poet im Kleinleben von Haus und Hof
ist Otto Pfeiffer. Eine Mauer, ein Fenster mit Blumen, davor ein blühender
Hollunderstrauch und Hühner
im Grase, alles einfach und be-
scheiden; aber mit welcher Liebe
und Delikatesse ist dies gemacht!
An Dalmatiens mit Naturschön-
heiten und historischen Baudenk-
mälern gesegnetem Strande hält
sich Theo von Lindenau gern
auf, um in seinen Bildern als
vorzüglicher Schilderer, der mit
bunten Booten und Trabakeln be-
lebten Hafenorte in den Vorder-
grund zu treten und seine Vir-
tuosität in der Wiedergabe der
blinkenden Wässer der Adria zu
zeigen. Peter Grabwinkler ist
ein brillanter Landschafter, ja
wenn er einen seiner bekannten
Wiesenblumensträuße im Bilde
vor uns hinstellt, so duftet es
förmlich dem Beschauer daraus
entgegen. Ähnlich wie er ist sein
Bruder Paul Grabwinkler ein her-
vorragender Künstler; seine Ar-
beiten erwerben ihm immer mehr
Freunde. Er steht als Meister an
der Spitze des Bundes. Seine
wundervollen Akt- und Kopf-
zeichnungen sind Werke, die man
mit Staunen in unsere kranke,
von närrischem Dilettantismus
erfüllte Zeit hereinragen sieht.
Werke hohen Fleißes und sub-
tiler Ausführung sind es, und

Leopold Widlizka (Albrecht-Dürer-Bund, Wien):
Die kleine Kokette.
 
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