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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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6. Heft
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Rittland, Klaus: Die Ehen des Herrn von Brenkhusen, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0183

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74

MODERNE KUNST.

Dittmar, einen schon etwas fettgewordenen Hagestolz, der aus alter
hannoverscher Beamtenfamilie stammte und im tiefsten Schlupfwinkel
seines Herzens Welfe geblieben war.
Außerdem interessierte er sich für Numismatik und Kanarienvögel-
zucht.
Die schöngeordnete Münzsammlung war der einzige Schmuck seines
nüchternen Heims, die Gluckrollen der Andreasberger Nachtigallenschläge
das einzig Geräuschvolle in dieser friedsamen Altjunggesellenexistenz.
„Ist das ein langweiliger Peter!“ hatte Fanny gähnend ausgerufen,
als der Gast wieder gegangen war. Ihr absprechendes Urteil hatte Brenk-
husen unangenehm berührt. Ja —• Dittmar war freilich kein Damen-
mensch. Freundlich hilflos hatte er die schöne Frau angelächelt und sich
dann sehr bald in ein Gespräch über Fragen der Provinzialverwaltung
mit dem Hausherrn festgelegt.
„Oder findest du ihn etwa amüsant?“ hatte Fanny spöttisch gefragt.
„Jetzt möcht’ ich wirklich wissen, was du an dem hast, grad’ an dem?“
Er war ihr die Antwort schuldig geblieben. Was er an Dittmar hatte?
Schwer zu sagen. Man hält wohl manchmal Freundschaften ein ganzes


Hugo Schubert (Albrecht-Dürer-Bund, Wien): Der Platz am Fenster.

Leben lang, die mehr durch Zufall und Gewohnheit geknüpft sind als durch
geistige Übereinstimmung. Dittmars einziger Reiz für Curt Brenkhusen war
der — freilich sehr mächtige — gemeinsamen Jugenderinnerungsbesitzes.
Aber man konnte von der jüngeren Frau wohl nicht verlangen, daß
sie diesen bescheidenen Vorzug respektierte.
Heute sollte Fanny in gewisser Weise ihr Debüt machen. Zum
erstenmal sollte Curt sie in Gesellschaft einer vornehmen Frau sehen,
der Frau, die die größte Macht besaß, ihn durch ihr Urteil zu kränken
— zu beglücken.
„Ein Auto?“ fragte Fanny, als sie endlich mit ihrer Erscheinung zu-
frieden war. Er nickte.
Fanny war immer für Autos, auch wenn eine noch so bequeme
Straßenbahnverbindung zur Verfügung stand. Ein Auto war so vornehm.
Sie imponierte sich selber, wenn sie auf dem weichen Sitze zurück-
gelehnt saß und blitzschnell über das Pflaster hinsauste. Da fühlte sie
sich ganz Baronin! — —
Das Gefährt hielt vor dem schlichten alten Gartenhause.
„Deine Freundin wohnt ein bissei schäbig“, meinte Fanny.
Und dann traten sie in den blauen Salon, der für Curt Brenkhusen
jahrelang die zweite, die schönere Heimstätte gewesen war.
Er hatte sich angemeldet und fand den Teetisch bereit, ganz so wie
sonst, nur daß eine Tasse mehr auf der gläsernen Platte stand. Aber

wie anders gestaltete diese Tasse die Atmosphäre des Teestündchens! —
Frau von Schönwald sah besser denn je aus —• auffallend rosig. Es
mochte Erregung sein; denn daß sie Rouge aufgelegt hätte, hielt der
ehrfurchtsvoll ergebene Freund für undenkbar.
Seltsam, er hatte geglaubt, mit Fannys jugendfrischer Schönheit ver-
glichen, würde Annelises feiner Reiz verblassen, sie würde matt, verblüht
erscheinen, aber etwas ganz anderes, sonderbares geschah: die Jüngere
war es, die Einbuße erlitt.
Fast ein wenig zu blühend, zu sehr „brillante Figur“ erschien Fanny,
als sie in ihrem sehr straffsitzenden hellen Schneiderkleide vor der
schlanken Frau stand, an der die Falten des dunklen Gewandes so müde
herunterfielen und die, obschon sie etwas kleiner war, doch freundlich
herablassend auf die junge Frau niederzublicken verstand. Nie vorher
war es Brenkhusen derartig aufgefallen, wie vornehm Annelise aussah.
Wenn jemand sie einem Fremden mit schlichten Worten hätte schildern
wollen, jeden Zug im einzelnen, würde dieser Fremde sich nach der
Schilderung ebensogut die Züge einer Theaternaiven vorstellen können:
das Gesicht eher rund als länglich, große, graue, weitgeöffnete Augen,
die Nase keck vorstehend, ein wenig aufgestülpt — und doch war es
ein Rassegesicht, Züge, denen das Siegel eines alten Geschlechts auf-
gedrückt war.
Sie sagte der jungen Frau, daß man unter den Freunden des Ober-
präsidialrats schon ganz die Hoffnung aufgegeben hätte, ihn jemals
wieder als glücklichen Ehemann zu sehen, und nun doppelt erfreut ge-
wesen wäre, als er sich von seiner Frühjahrsreise das goldne Ringlein
mitgebracht hätte. Sie fragte nach Fannys Eindrücken vom Berner Ober-
land und sprach von den Reizen der alten Stadt Würzburg. Fanny ant-
wortete zuerst ziemlich verlegen. Komisch, die Dame war ja sehr freund-
lich, und doch hatte Fanny das Gefühl, als ob sie leise heruntergedrückt
— zusammengepreßt würde.
Brenkhusen erkundigte sich nach dem Major.
„Ich will sehen, ob er nicht wohl genug ist, mit uns Tee zu trinken“,
sagte Annelise, sich entfernend.
Fanny sah ihr nach, mit einem kritischen Blicke. Das Kleid war
gar nicht allerneueste Mode. Aber die Schleppe fiel graziös, als ob sie
den Fußboden streichelte, während die zarte Gestalt dahinglitt.
„Hübsch ist die Frau,“ sagte Fanny halblaut zu ihrem Mann, „aber
sie sieht hochmütig aus.“
Brenkhusen lächelte.
Allerdings, dieser gewisse Zug um den Mund. Sie hielt ihn meistens
fest geschlossen, wenn sie lauschte, besonders, wenn das Gespräch sie
nicht interessierte, dann bildete sich ein fester, straffer Zug um Mund
und Kinn. Der mochte wohl als Hochmut gedeutet werden. Und doch
— Annelise, dieser Quell von Güte-
„Wenn du sie näher kennen lernst, wirst du einsehen, daß sie viel
zu klug und gutherzig ist, um Hochmut aufkommen zu lassen“, erwiderte
er und fügte nachdenklich hinzu: „Es liegt so etwas in dem Gesicht, aber
ich möchte sagen: es ist der Stolz eines alten Herrengeschlechts, der
aus ihren Zügen spricht — nicht ihr eigner.“
Fanny schüttelte verwundert den Kopf. „Wenn sie so ausschaut,
dann sitzt es halt auch inwendig drin,“ beharrte sie.
Da trat das Ehepaar ein.
Es war eine Regung der Gutmütigkeit gewesen, die Annelise ver-
anlaßt hatte, ihren Mann zu holen. Sie wußte, daß es dem armen Bodo
Freude machte, ein schönes junges Gesicht anzuschauen.
So ein Anblick weckte freundliche Erinnerungen in ihm an die
Zeiten, wo er noch ein verflixter Kerl gewesen war und alle Mädels am
Bändel hatte, er, der martialische blonde Kriegsgott! — —
Er trank nun seine Tasse Tee, sprach ein paar höfliche Worte, die
ihm seine Frau halb vorsagte, und saß dann stillschweigend der jungen
Frau von Brenkhusen gegenüber, die wäßrigen Augen freudig erstaunt
auf diese Pracht geheftet.
Fanny fand ihn so komisch, daß sie kaum das Lachen unterdrücken
konnte. Aber dann fiel ihr ein, daß es abscheulich herzlos war, über einen
armen Kranken zu lachen. Sie nahm sich zusammen. Doch heiterte die sicht-
liche Verblüffung, die ihre Schönheit bei dem blöden Riesen erregt hatte,
sie auf und gab ihr die natürliche Zuversicht wieder. [Fortsetzung folgt.]
 
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