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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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6. Heft
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Rittland, Klaus: Die Ehen des Herrn von Brenkhusen, [4]
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MODERNE KUNST.

73



hatte beim Abschiede doch das Gefühl gehabt, daß er schlecht behandelt
worden war — vielleicht gerade, weil dieses heimlich gefürchtete erste
Wiedersehen so glatt und gut sich abgespielt hatte — so unerwartet
„schlank“? — —-
Dann hatten Schönwalds Hannover verlassen, für viele Wochen.
Der arme Bodo brauchte Harzluft.
Ende August, zu Brenkhusens Hochzeit, hatte Annelise ein Tele-
gramm geschickt — und eine silberne Konfektschale — nicht einmal
etwas für den täglichen Gebrauch. Ein Schmuckgegenstand für Diner-
tafeln. Das Geschenk hatte Brenkhusen betrübt. Es kam ihm symbolisch
vor. Die I-Iochzeitsfeier war nicht ganz leicht zu ertragen gewesen.
Fanny hatte auf einer „großen Idochzeit“ bestanden; sie wollte sich in
ihrem Glanze zeigen. Viele Onkels und Vettern Wurzler in schlecht-
sitzenden, selten benutzten Fräcken, viele gerührte Tanten, flotte Kollegen
vom Schwager Franz in blinkender, sauberer Postuniform, und Ruder-
klubfreunde vom Schwager Joseph, die witzige Toaste ausbrachten. Sehr
viele lange Reden wurden gehalten mit Anspielungen, die nicht immer
ganz zart waren, besonders gegen das Ende, als der Sekt gewirkt hatte.
Um diese Zeit wurde auch reichlich viel geküßt. Brenkhusen mußte zahl-
lose Prosts erwidern, zahllose Hände schütteln, und ein kleiner, dicker
Herr mit Kupfernase bot ihm sogar Brüderschaft an — ob er zur
Wurzlerschen Verwandtschaft gehörte oder zur Familie der Schwieger-
mutter, wurde dem Bräutigam nicht klar; er wußte nur: das war der
Onkel aus Schweinfurt, der ein Wurstgeschäft mit elektrischem Betriebe
hatte. Sehr, sehr lange zog sich das Diner hin, aber Brenkhusen trug
geduldig, was das Schicksal ihm auferlegte. Es war ja der Einsatz für
einen köstlichen Gewinn.
Fanny sah aus wie eine junge Fürstin in ihrem schneeweißen Braut-
kleide. Und wie sie ihren Ehrentag genoß! Strahlend glücklich. Stolz
wie ein Kind, das in der Schule das beste Zeugnis von allen ge-
kriegt hat.
Sie reisten in die Schweiz.
Curt hatte von einer still-seligen Woche in einem Nestchen, nahe
bei Martigny, weltabgeschieden, in einem Seitentale, das er seit lange
kannte und liebte, geträumt. Aber Fanny brannte auf Luzern, auf den
Rigi und Interlaken. Sie war noch gar nicht gereist. „Nur einmal bin
ich in München gewesen und ein paarmal beim Onkel in Schweinfurt,“
gestand sie, „weißt, und da möcht' ich doch nun so gern alle die be-
rühmten Orte sehen, so, wo die feine Leut’ hinreisen.“
Curt hatte sich ihren Wünschen gefügt.
Und sie hatte sich den vielen neuen Eindrücken mit Wonne hin-
gegeben. Schier unerschöpflich war ihr Vorrat an Genußkraft. Sie
hatte über die blauen Seen gejubelt und über die Schneehäupter der
Berner Alpen — am meisten freilich über die prächtigen großen Hotels.
Und dann die vielen
lockenden Läden in
Interlaken! Beim
Einkäufen von An-
denken konnte sie
halbe Tage zubrin-
gen. Das war doch
das Allerschönste
der ganzen Reise.
Ihr Mann ließ
sie gewähren. Diese
kindliche Freude
entzückte ihn. Ver-
liebt war er, ver-
liebt wie ein junger
Mensch von zwanzig
Jahren. Wohl fühlte
er sich durch ihr
Wesen manchmal
fremd berührt. Oft,
wenn er ihr etwas
sehr Zartes, Tief-
empfundenes gesagt
Karl Hayd (Albrecht-Dürer-Bund,

Josef Musser (Albrecht-Dürer-Bund, Wien): Dämmerstunde.
hatte, lachte sie ihn freundlich verständnislos an. Und sein Geschmack
traf selten mit ihrem Geschmacke zusammen. Aber das war ja so gleich-
gültig. Ein so. junges Wesen. Alles Geistige noch im Werden.
Nun beherrschte das Fanneri als Hausfrau das einstige stille Witwer-
heim Brenkhusens in der Gneisenaustraße.
Daß sie eine fertige Einrichtung vorfand, war der Bürgertochter „aus
anständiger Familie“ gar nicht ganz recht gewesen. Sie kam sich wie
eine irgendwo aufgelesene Abenteurerin vor, daß sie nicht mit einem Zu-
behör ansehnlicher neuer Möbel einzog. Aber dann hatte sie alles für
sehr schön und vornehm erklärt, nur nicht das Arbeitszimmer ihres
Mannes, in dem so viel „zusammengestoppelter alter Plunder“ steckte.
Sie hätte den schlichten Schreibtisch •— ein Urgroßvatererbstück — und
die hohen, einfachen Bücherregale lieber durch eine moderne Herren-
zimmereinrichtung ersetzt. „Eine, wo alles zueinander paßt, weißt, so
was Stilvolles!“
Aber da hatte er sich gesträubt.
Von dem wahren Stile, der die Umwelt zum natürlichen Rahmen der
Persönlichkeit gestaltet, hatte das liebe Kind noch keine Ahnung.
Was stilvoll ist, erfuhr man nach ihrer Meinung im Möbelgeschäft.
Noch hatte das
junge Ehepaar ganz
für sich gelebt. Nur
hin und wieder, auf
den Spaziergängen
durch die Eilenriede
waren sie Menschen
aus Brenkhusens
Gesellschaftskreise
begegnet, und an
den überraschten
Blicken hatte Brenk-
husen erkannt, daß
man die junge Frau
schön fand. Das war
nicht unangenehm.
Er fühlte sich be-
neidet. Ein einziges-
mal erst hatten sie
bis jetzteinen Tisch-
gast gehabt: Curts
Jugendfreund, den
Ober-Regierungsrat
Wien): Lebensabend.

XXVIII. 19.
 
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