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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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6. Heft
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S., K.: Im "Theater der Mode"
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0186

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MODERNE KUNST.


Konzert und Tanz in den Jahrzehnten 1813 bis 1833.

Phot. Boedecker, Berlin


3m „'Cfjeater der Hiode“*

E~Jne der interessantesten Sehenswürdigkeiten des an neuen Darbietungen
k gewiß nicht armen Berlin war das „Theater der Mode“, das sich einige
Wochen in den bekannten Ausstellungshallen am Zoologischen Garten
in Berlin etabliert hatte. Nicht nur die tonangebenden großen
Geschäftshäuser und Modenbasare hatten hier die neuesten
Erzeugnisse aus dem Reich der launischen Königin aus-
gestellt, es prangten nicht nur allenthalben Samt und
Seide, Hüte und Bänder, Federn und Spitzen in allen
möglichen Farben, die sich oft zu einer wahren
Symphonie getönten Lichtes zusammenfügten,
auch auf die Entwicklung der Mode war Rücksicht
genommen, was dieser ganzen überaus ent-
zückend und graziös anmutenden Veranstaltung
ein besonderes Gepräge gab. So war ein rich-
tiges Theater entstanden, auf dem Damen und
Herren in den Trachten früherer Tage einher-
spazierten, und durch geschickt zusammengefügte
kleine Szenen wurde das lebensvolle Bild noch
wirksamer. Auf zwölf kleinen Bühnen wurde der
Wandel der Mode im letzten Jahrhundert dar-
gestellt. Da sah man z. B. elegante Damen und
Stutzer von Anno dazumal plaudernd an der be
rühmten „Kranzierecke“ zu Berlin, auf der Estrade der
alten Konditorei von Kranzier „Unter den Linden“ sitzen
Wie alt und seltsam, ja oft wie ungraziös muten uns heute
ihre Kostüme an, und doch waren sie damals ebenso schick und

ebenso hochmodern wie die, welche die Damen und Kavaliere tragen,
denen wir heute in den ersten großstädtischen Cafes begegnen. Wieder eine

Eislaufszene um 1840.

[Nachdruck verboten.]
andere Bühne zeigt eine Eisbahn aus den fünfziger Jahren, dann wieder sahen
wir Damen und Herren auf einem Ballfest im ersten Drittel des neunzehnten
Jahrhunderts, und auch an kleinen Nebenfiguren, der Zofe von Anno
dazumal, dem ewig Witze reißenden Berliner Schusterjungen,
der Modistin und dem „Gigerl“ fehlte es nicht. Das alles
war so reizend zur Darstellung gebracht, wirkte so echt
und lebendig, daß man sich in die Zeiten zurück-
versetzt glaubte, da der Großvater die Großmutter
nahm. Wandte man sich dann den anderen Bühnen
zu, so sah man die hocheleganten Mannequins
unserer ersten deutschen und französischen Moden-
häuser, in den raffiniertesten modernen Toiletten.
Eine solche historische und zugleich dramatisch-
bewegte Modenschau, in der die einzelnen Szenen
wie Kinobilder lebensvoll, fesselnd und anmutig
vorüberziehen, hat es bis heute noch nicht ge-
geben. Sie war dem schau-frohen zwanzigsten
Jahrhundert Vorbehalten, das auf allen Gebieten
von der grauen Abstraktion gern zu der bunten
Farbigkeit flüchtet und den Augen einen festlichen
Schmaus bereitet.. Diese Farbigkeit war durch die
Bühnenbilder nicht erschöpft. Denn auch im Zu-
schauerraum selbst gaben die anwesenden Damen, um
das Goethesche Wort zu gebrauchen, „ihren Putz zum
besten und spielten ohne Gage mit“. Dabei bewies ein
großer Teil der Zuschauerinnen aufs klarste,

daß die deutschen
Großstädterinnen des zwanzigsten Jahrhunderts an geschmackvoller
Kleidung den einst vielbewunderten Pariserinnen nicht mehr nachstehen. K. S.


XXV11I. 6. Z.-Z.

Kranzierecke um 1875.

Phot. Boedeeker, Berlin.
 
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