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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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8. Heft
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Otto, Friedrich: Die Flugleistungen des Aviatikers Pégoud
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0256

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Die Flugleistungen des Aöiatil^eps Pegoud

Eine halbe Million Menschen hatte an einem der letzten Sonntage sich auf-
gemacht nach dem Flugfeld Johannisthal bei Berlin, um dort die Flüge des
jungen Franzosen Pegoud zu sehen. Was so selten einem Sterblichen gelingt, die
ganze Welt in Aufruhr zu versetzen, das hat Pegoud mit seinen Kopfflügen er-
reicht. Das Schauspiel war allerdings auch ganz wunderbar. Steil wie eine Ra-
kete eilt der Flieger auf seinem
dürren Blerioteindecker zur
Höhe hinauf. Plötzlich hält er
inne. Schießt wagerecht dahin.
Saust jählings steil.hinab. Er-
reicht hierbei 300 Stunden-
kilometer Sturzgeschvvindigkeit
und läßt den Eindecker sich
wie ein Pferd aufbäumen. Ehe
man sichs versieht, liegt der
Eindecker, der sich nach oben
und hinten überschlagen hat,
mit den Rädern zum Himmel
gerichtet, ziemlich schnell
schräg nach unten gleitend.
Pegoud hängt dabei mit dem
Kopf nach unten, von sicheren
I.edergürteln getragen. Nach
einiger Zeit legt sich der Ap-
parat, der noch immer auf dem
Rücken abwärts gleitet, seitlich
um. Er stellt und stützt sich
wie auf eine Flügelspitze. Man
hört den Motor wieder. Pögoud
eilt wieder empor, wiederholt
das Spiel, variiert es, läßt vier,
fünf und mehr solcher senk-
rechter Aufwärtsschleifen oder
Looping the loop einander
folgen. Die Luft scheint unter
den gewandten, kunstgerechten
Bewegungen seines Eindeckers
ihre Dünne verloren und sich
in ein festeres, wie Wasser
wirkendes Fluidum verwandelt
zu haben. Jetzt stürzt Pegoud
in korkzieherengen Windungen
zur Erde, einmal liegt er nahe-
zu senkrecht, kurz über der
unsicheren Erde geht der Ein-
decker in die ordnungsgemäße
Haltung über, die jede Lan-
dung verlangt, und Hundert-
tausende von Beifallsstimmen
umrauschen den Vogelmen-
schen. In Dresden, Wien, Han-
nover, Berlin und anderen
Städten hat er ohne jeden
Schaden bisher seinen gefähr-
lichen Beruf gegen hohe Ho-
norare ausgeübt. Er bekommt
pro Flugnachmittag, also zwei
Flüge, etwa 30000 M., wovon er
indessen an Louis Bleriot, der
der Vater des kühnen Gedan-
kens ist und die Kosten der gan-
zen Rundreise trägt, die Hälfte
abzugeben hat. Allerdings sind
manchmal nicht weniger als
sechs Apparate unterwegs.
Nach den scharfen und Gustav Eberlein
schönen Beobachtungen des
bekannten Flugingenieurs Ansbert Vorreiter voliführt Pögoud nachstehende
Hauptbewegungen:
1. Er beschreibt, anscheinend um das eine Tragflächenende, so enge Kurven,
daß der Eindecker manchmal seitlich senkrecht steht.
2. Er macht senkrechte Schleifen nach oben.
Einen Looping the loop nach vorn unten hat Vorreiter nicht beobachtet,
doch glaube ich diesen ebenfalls gesehen zu haben, was auch viele andere mir
bestätigten. Wie dem auch sei, die Kunst ist groß, und Pegoud ist der erste,
XXVIII. 8. Z.-Z.

[Nachdruck verboten.J
der sie absichtlich ausgeübt hat. Vor ihm mußten bereits wider Willen einige
andere Flieger, zwei französische Offiziere, die Kopfflüge vollführen. Nach Pegoud
hat ein russischer Hauptmann sich absichtlich viermal in der Luft überschlagen
und statt 30 000 M. Honorar drei Wochen Arrest wegen Gefährdung militärischen
Eigentums erhalten. Vor zwei Jahren soll auch der Amerikaner Hoxey Todes-
schleifen auf einem Wright-
doppeldecker ausgeführt haben
und dabei verunglückt sein,
was nicht wundernehmen darf,
da der Wrightapparat trotz
mancher innerer Ähnlichkeiten
mit den Eigenschaften des
Bleriot - Kopf fl ugeindeckers
nicht für derartige Flüge ge-
eignet war.
Den Laien wie den Fach-
mann interessieren in der
Hauptsache zwei Dinge bei
den Kopfflügen Pegouds: Wie
muß ein Apparat beschaffen
sein, damit man mit ihm senk-
rechte Schleifen fliegen kann?
Und welche Steuer- und Motor-
handhabungen sind nötig, damit
ein Kopfflug gelingt? Als dritte,
nebensächliche und zurzeit nur
im Vordergründe stehende
Frage ist noch die nach den
Qualitäten des Menschen, des
Kopffliegers, zu beantworten.
Die erste und wichtigste dieser
Fragen, die nach den Eigen-
schaften des Apparats, ist be-
reits am besten beantwortet.
Das Genie Bleriots leuchtet
hier hell und rein auf. Wer
sich noch der Anfänge der
Flugtechnik erinnert, weiß, daß
Louis Bleriot rund eine Million
Franken von selbstverdientem
Gelde in den Jahren 1905—1909
der Flugtechnik geopfert hat,
weiß, daß der unermüdliche
Mann einst, trotzdem der „Un-
glücksrabe“ Unfall über Unfall
erlitt, hartnäckig am Eindecker
festhielt, als der Zweidecker
sclion große Triumphe feierte,
weiß, daß Bleriot nach namen-
losen Anstrengungen sich
durchsetzte, als ihm 1909 der
erste menschliche F'lug über
den Kanal nach England gelang,
weiß, daß Bleriot trotz aller da-
rauf sich überstürzenden Er-,
folge immer wieder neue Kon-
struktionen suchte und fand.
Man kennt seine Ente und sei-
nen Omnibus, seine Ringdecker
und Rohrdecker. Unermüdlich
arbeitete Bldriot weiter, und
schließlich hatte er seinen Ein-
decker so weit vervollkommnet,
daß er vor einigen Monaten
sein berühmtes Programm auf-
Griecliisclie Tänzerin. stellen konnte. Ein Programm,
das den Maschinenvogel trotz
seiner starren Flügel dem Naturvogel in vielen Stücken gleich, in einigen über-
legen machen mußte. Während man noch zweifelnd sein Programm auf die
Möglichkeit einer Erfüllung hin untersuchte, folgte die Tat schon Schlag auf
Schlag. Pegoud ist ein kühner, braver, junger Mensch und verdient sein hohes
Honorar redlich, aber das muß doch betont werden, das schöne Instrument
und die schöne Komposition des Programms stammen von Bleriot. Zuerst das
Instrument, der Eindecker, mit dem Pegoud fliegt. Wer verstehen will, wo-
durch sich der Bleriot-Eindecker Pegouds so ganz besonders für Kopfflüge und
 
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