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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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12. Heft
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Ostler, Rudolf: Hela Peters
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0354

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i53

Heia Petet»s.


Von Dr. Rudolf Ostler.
's ist nur natürlich, daß die Frauenemanzipation der letzten Jahrzehnte

auch die Zahl der Malerinnen erheblich vermehrt hat, obgleich die
Kunst für die Frau längst kein verschlossenes Gebiet mehr war und
besonders im 19. Jahrhundert seit der Vigee-Lebrun und Angelika Kaufmann,
die Goethe in Rom kennen lernte, manche Malerin in der vorderen Reihe ihrer
Zeitgenossen gestanden hat. Aber trotzdem kann man nicht sagen, daß die
letzte Zeit uns eine entsprechende Zahl bedeutenderer Künstlerinnen beschert hat,
oder daß uns über die Seele der Frau durch ihre Kunst viele neue Aufschlüsse
geworden wären. Fast ist es umgekehrt. Die meisten Frauen schienen sich zu
sagen, daß sie das Gebiet des Mannes betreten hätten und deshalb mit seinen
Augen sehen, mit seinen Schritten gehen, kurz sich in seine Welt einfügeü
müßten. Als natürliche Folge
ergibt sich, daß man hinter
den meisten Künstlerinnen
den Stil und die Werke eines
Künstlers sieht, dem sie un-
willkürlich folgen. Oder die
Frau sagte sich wenigstens,
daß in unsrer Zeit lärmender
Aufregung und der Kunst-
revolutionen eine starke
männliche Kraft notwendig
sei, um die Aufmerksam-
keit auf sich zu lenken.
Aber nur wenigen ist, wie
z. B. einer Käte Kollwitz,
ein solches Wesen ange-
boren, und die anderen sehen
sich wiederum auf eine ge-
wisse Vergewaltigung ihrer
Eigenart, auf das Heraus-
treten aus ihrer Persönlich-
keit und das Wandeln in den
Bahnen anderer Künstler an-
gewiesen. So ist dieZahl der
Malerinnen, die unbeirrt aus
ihrem eigenen Wesen schöp-
fen, sich selbst getreu fort-
schreiten und als geschlos-
sene künstlerische Persön-
lichkeiten vor uns stehen,
heute nicht größer als früher.
Das Talent bleibt eben eine
Gabe, die nicht allzu häufig
verliehen wird und von
keiner Vereinigung gezüch-
tet werden kann.
Zudiesen Künstlerinnen,
die auf unsern großen Aus-
stellungen die Aufmerksam-
keit der Öffentlichkeit durch
stets neue Werke auf sich
lenken, gehört Heia Peters,
die als Malerin und Ra-
diererin ein keineswegs ge-
ringes Gebiet umspannt.
Freilich hat sich auch ihre glückliche Begabung, die sich mit aller Entschiedenheit
schon im jugendlichen Alter, ja bei dem Kinde zeigte, erst allmählich entwickeln
müssen. Aber mit welcher Stetigkeit und Triebkraft dies geschah, geht schon
daraus hervor, daß die Künstlerin — die besonders in Leipzig, ihrem jetzigen
Wohnorte, eine geschätzte Porträtistin ist — gerade erst 28 Jahre zählt. Schon
als Sechzehnjährige hat sie in dem Berliner Atelier Karten Unterricht im Ivopf-
und Aktzeichnen genommen und in den beiden darauffolgenden Jahren ihre
Studien zu Paris in der Acadömie Juliane fortgesetzt, wo Jean Paul Laurens ihr
Lehrer im Aktmalen war. Daß man auch in der Seinestadt ihre Begabung
anerkannte, beweisen die Preise, die sie dort errang.
Was Heia Peters damals an der Kunst fesselte, war also, wie schon dieser
Studiengang zeigt, vor allem Form und Linie. Und dieser, in unserer Zeit nicht
allzu häufigen Vorliebe, die ein starkes Können erfordert, ohne sich mit dem
Zufall oder dem Ungefähr der Wirkung zu begnügen, ist sie auch später treu
geblieben. Hier liegen die Erfolge begründet, die sie als Zeichnerin und
Radiererin errungen hat. Denn auch die Porträtistin Ilela Peters führt ihre
Aufträge ebenso in Ölmalerei wie in farbiger Radierung aus.
Die Ausdrucksmittel dieser Griffelkunst dienen der Künstlerin aber keineswegs
nur dazu, Aufträge zu erledigen. Überhaupt ist sie durchaus keine Persönlichkeit


Heia Peters: Selbstbildnis.

[Nachdruck verboten ]
mit nur artistischen Zielen, sondern Malerei wie Radierung und Zeichnung geben
ihr die Möglichkeit, aus ihrer inneren Welt mitzuteilen. Dabei ist es ein Vor-
zug, daß Heia Peters ein frauenhafter Zug bleibt, insofern sie besonders tiefe
Blicke in das Leben und in die Seele der Frau tut. Das geht z. B. aus ihrer
Radierung „Herbst“ hervor, wo sie eine Greisin und ein eben erblühendes, junges
Mädchen, offenbar deren Enkelkind, am Stamme eines kahlen Baumes auf einem
Hügelrücken zeigt, von, dem beide auf die Landschaft zu ihren Füßen hinaus-
träumen. Welche Charakteristik liegt in der Gestalt der sitzenden, schwarz-
gekleideten Greisin, deren Augen nur scheinbar die Natur vor sich sehen, während
in Wahrheit Gestalten und Erinnerungen aus der Vergangenheit vor ihr auf-
steigen. Ähnlich scheint dem aufrecht stehenden Mädchen neben ihr die Land-
schaft, auf der ihr Blick
soeben weilt, nur die Grund-
lage für ihre Hoffnungen
und Erwartungen zu sein,
die ihr die Zukunft er-
füllen soll. Ein phantasti-
sches Element, die Freude
an einem heiteren Capriccio
spricht sich in dem „Papa-
gei“ aus, einem Blatte, auf
dem ein anmutiges, bequem
hingelagertes Mädchen ihrem
Papagei einen ersehnten
Bissen hinhält, nach dem
er mit dem Schnabel und
zögernd mit der linken Klaue
greift. Dabei spricht aus
den feinen, sicheren und ele-
ganten Linien des Mädchen-
antlitzes, des Nackenansatzes
undArmes dieBeherrschung
derLinie, wie sie HelaPeters
zu eigen geworden ist. In glei-
cher Weise werden sie aus
ihrem Selbstporträt, offen-
bar, in dessen klaren Linien
sich zielbewußte Energie und
Anmut vereinigen, beseelt
von dem forschend-blicken-
den Künstlerauge. Auch die
andere Zeichnung„Bübchen“
ist eine hochstehende Lei-
stung. Mit welchem Ver-
ständnis, welcher Überlegen-
heit und welcher zarten Hin-
gebung an dieses kleine Ge-
schöpf sind die Züge dieses
treuherzigen Wesens festge-
halten. Inzwischen hatte Heia
Peters längst auch den Weg
von der Form zur Farbe,
von der Griffelkünstlerin zur
Malerin gefunden. Von Paris
war sie in ihr Elternhaus
zu Leipzig zurückgekehrt,
wo ihrer bereits Aufträge harrten. Doch begnügte sie sich nicht mit dem
schon erlangten Können, sondern suchte alljährlich einige Monate Berlin auf,
um ihre Studien fortzusetzen. Hier hat Arthur Kampf gerade dadurch einen
starken Einfluß auf sie ausgeübt, daß er ihr das rein-malerische Element der Farbe
erschließen half. Erst jetzt tonnten Gemälde entstehen, wie die beiden, von
uns farbig wiedergegebenen Arbeiten „Der unheimliche Pierrot“ oder „In der
Laube“, ferner wie die „Tänzerin“ oder „Am Teetisch“, die der Leser in
schwarz-weißer Wiedergabe findet. Fast wie die Szene eines Marionetten-Theaters
wirkt Heia Peters Bild, auf dem der Tod in weißem Pierrot-Kostüm einer
Schar heiterer Karnevalsgäste erscheint und nach ihnen die Hand ausstreckt,
während sich sein Schatten groß und schwarz an dem Vorhang abzeichnet und
die Erschreckten als buntes Knäuel vor ihm zurückstutzen. Hier erweist sich
der Gedanke, das Licht von unten, gleichsam von den Lampen einer Bühnen-
rampe ausströmen zu lassen, als recht glücklich. Das Liebenswürdige, das über
der Kunst von Heia Peters liegt, raubt auch dieser Szene das letzte Grausen
und löst sie zu einem Farbenspiele in bunten Tönen auf, das dort auf der
Weltbühne vor sich geht, ln starkem Gegensatz zu diesem Motiv steht das
Gemälde „In der Laube“, mit der lieblichen Jungmädchenhaftigkeit der in Weiß
gekleideten Gestalt und dem Laubhintergrund, der sich im Halbbogen gleich

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