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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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12. Heft
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Buss, Georg: Alte Wirtshäuser
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Unsere Bilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0357

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156

MODERNE KUNST.

’ oder in Farben ge-
setzt, ausgezeichnete
Arbeiten, die heute
begehrenswerte Ob-
jekte der Sammel-
wut geworden sind.
Stolz brachte der Wirt
sein Kunstwerk am
Hause an, hoffend, den
Konkurrenten jenseits
der Gasse zu über-
trumpfen, aber der,
nicht faul, steckte flugs
ein schöneres aus.
Ja, sie nahmen
1 allmählich an Reich-
! tum und Ansehen zu,
die Herren Wirte.
Vornehmlich die Re-
naissance mit ihrem
feineren Lebensgenuß
übte auf die Entwick-
lung des Gastwirts-
gewerbes und die Ein-
richtung und Ausstat-
tung der Herbergen,
Wirtshäuser, Herren-
und Zunftstuben ge-
waltigen Einfluß aus.
Von manchen dunklen
Punkten, die Erasmus
gerügt, war fünfzig
Jahre später nichts
mehr zu finden. Als
der elegante Franzose
Michel de Montaigne
im Jahre 1580 durch
Süddeutschland reist,
um über den Brenner
nach Italien zu ziehen,
staunt er über die Be-
haglichkeit, dieSauber-
keit und Gediegenheit
der deutschen Wirts-
häuser. Er ist des
Lobes voll. In Kon-
stanz speist er vorzüg-
lich, wie an einer fran-
zösischen Marschalls-
tafel, und in Lindau Heia Peters:
fühlt er sich im Gast- /
hause „Zur Krone", wo in der Wirtsstube die Vögel im Bauer zwitschern und
die gesamte Einrichtung bürgerlich-duftig ist, urgemütlich.
Von alten Wirtshäusern können hier des Raummangels wegen nur wenige
genannt werden: so z. B. die berühmte Kaiserherberge „Zu den drei Mohren“ in
. Augsburg, in der später Graf Fugger Kaiser Karl V. bewirtete und angeblich die
vom Kaiser ausgestellten Schuldscheine im Kaminfeuer verbrannte, ferner das
1457 erwähnte Wirtshaus „Zum Dr. Martin Luther“ in Sonneberg. Dieses stand,

bevor es der Kommer-
zienrat A. Fleischmann
1874 nach Sonneberg
versetzen ließ, in Ju-
denbach an der uralten
Heerstraße „Leipzig—
Nürnberg“. Sein erster
historischer Gast war
1457 Wilhelm der Tap-
fere, der mit seinem
Gefolge eine Zehrung
von acht Groschen
machte. Dann hat es
Luther beherbergt, zu-
erst 1518 und zuletzt
am 5. November 1530.
Am „Kaiserworth“ in
Goslar prangen als
Hauptschmuck der
prächtigen Front noch
die acht überlebens-
großen Holzstatuen
deutscher Kaiser, von
denen Heine scherzte,
sie sähen wie „ge-
bratene Universitäts-
pedelle“ aus. In den
„Anker" zu Saalfeld
kehrte Kaiser Karl V.
nach der 1547 ge-
schlagenen Schlacht
bei Mühlberg mit dem
gefangenen Kurfürsten
Johann Friedrich von
Sachsen ein. Dem Kur-
fürsten wurde ein ge-
wölbtes Gemach im
Erdgeschoß des Hau-
ses angewiesen. Kaum
hatte er sich zur Ruhe
gelegt, als er ein ver-
dächtiges Krachen ver-
nahm. Mit Erlaubnis
des Kaisers verließ er
diesen unheimlichen
Raum — und dann
stürzte mit Donnerge-
polter das Gewölbe zu-
sammen. Die „Krone“
Am Teetisch. zu Klausthal beher-
bergte vom 25. bis
27. November 1709 Conrad von Uffenbach und trug sich in späteren Tagen ins
goldene Buch Prinz Wilhelm, unser jetzt regierender Kaiser, als zufriedener Gast
ein. Und der „Kronprinz von Preußen“ zu Halle a. d. Saale war schon um die
Wende des 17. Jahrhunderts berühmt wegen seiner vorzüglichen Mittagstafel, an
der Gelehrte der Hallenser Universität und hohe Standespersonen geistreiche
Unterhaltung bei vorzüglichen Weinen führten. So verbinden sich mit diesen
gastlichen Stätten, die noch lustig grünen und blühen, reiche Erinnerungen.


Unsere Bilder.

Äus der Zeit des späten Rokoko stammt das Gemälde „Die Ilorcherin“
Jean Baptiste Greuzes, der als einer der Bahnbrecher moderner Genre-
malerei aufzufassen ist. Denn nicht die Welt Watteaus und Bouchers mit ihren
Festen und Schäferszenen gab ihm die Motive für seine Kunst, sondern das
Bürgertum, für das Diderot auf der Bühne Normen tugendhaften Lebens
aufgestellt hatte. „Des Vaters Fluch“, „der reuevoll zurückkehrende Sohn“,
„ein Familienvater, seinen Kindern die Bibel auslegend“ usw. sind Vorgänge, die
den stofflichen Gehalt von Greuzes Malerei charakterisieren. Aber trotz dieser
Motive, die dem Geiste des Rokoko im Grunde entgegenlaufen, war Grenze
doch so weit Kind seiner Zeit, daß er ihnen eine fast kokette Haltung verlieh.
Das gilt besonders von den Gestalten junger Mädchen, wie z. B. dem bekannten
Milchmädchen, oder dem noch bekannteren Mädchen mit dem „zerbrochenen
Kruge“ und der „Horcherin“. Über die Lieblichkeit ihrer Züge sind Natürlichkeit,
Lebensneugier und das Erwachen jugendlich-holder Sinnlichkeit gebreitet.
x x
x
Aus dem Leben eines der tatkräftigsten Könige Schwedens, der als Nach-
folger seines Vaters Gustav Wasa von 1560—1569 herrschte, hat der schwedische

Geschichtsmaler G. von Rosen das Motiv seines Gemäldes „Erich XIV.
im Gefängnis“ geschöpft. Nach der Verfeindung mit seinen Brüdern war
es vor allem die Ermordung mehrerer Mitglieder des mächtigen Geschlechts
der Sture — von Erich XIV. in einem Anfall von Wahnsinn angeordnet und
zum Teil selbst vollführt — welche die schwedischen Großen zu seinen er-
bitterten Gegnern machte. Als Erich XIV. 1568, nachdem die Verhandlungen
seiner Vermählung mit Elisabeth von England, Maria Stuart und anderen
Fürstinnen gescheitert waren, seine Geliebte, die Soldatentochter Karin Mansdotter,
zu seiner Gemahlin erhob, empörten sich seine Brüder gegen ihn und zwangen
ihn zur Ergebung. Erich XIV. wurde Anfang 1569 von dem Stockholmer Reichs-
tag abgesetzt und seitdem in strengem Gewahrsam gehalten, bis ihn 1577 sein
Bruder Johann III. ermorden ließ. Unser Bild zeigt ihn und Karin Mansdotter,
die sich beide zum Schicksal geworden sind, im Gefängnis einander gegenüber-
stehend, tief Auge in Auge senkend und in ihren Seelen lesend.
Der Duft eines Waldinnern, das von Sonnenstrahlen erhellt und durch-
spielt wird, weht uns aus Hans von Volkmanns Gemälde entgegen.
 
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