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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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13. Heft
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Anwand, Oskar: Impressionismus
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0376

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Edouard Manet: Argenteuil.

Impressionismus.
Von Dr. Oskar Anwand.


^aw^veine andere Bewegung hat auf die Malerei unserer Zeit einen so tiefen und
nachhaltigen Einfluß ausgeübt, als der Impressionismus. Denn er lehrte die
Künstler, die Welt, mit neuen Augen, gleichsam im Sprunge zu erfassen; und
sein bestes muß ein unveräußerlicher Besitz der Malerei bleiben. Impressionismus ist
in freier Übersetzung —- die Kunsteindrücke wiederzugeben; wobei sich hinzufügen
läßt — so frisch, klar und impulsiv, wie das Auge sie empfangen. Man könnte ihn
im Gegensatz zur klassischen Malerei mit ihrer Ruhe und Harmonie als durchaus
modern bezeichnen, aus modernen Nerven geboren. Das Bild hinzuzaubern, wie es
das Auge blitzschnell aufgenommen, das ist sein Ziel; mögen hier und dort Partien,
wie z. B. bewegte Räder verwischt erscheinen; oder mag der herausgegriffene Bild-
ausschnitt den Eindruck des Zufälligen
erwecken!
Das bedeutet in der Tat einen starken
Gegensatz gegen die Malerei früherer
Jahrhunderte, die für das Gemälde ent-
weder Vorgänge der Ruhe wählte oder
auch in der Bewegung ruhig erschien,
indem sie alles an den Figuren und Ge-
genständen vermerkte, was nur während
der Ruhe klar erkennbar war. Man be-
trachte sich daraufhin die Malerei von
ihren Anfängen bis zum neunzehnten
Jahrhundert. Bei schwächeren Künstlern
erwecken scheinbar bewegte Gruppen oder
porträtierte Menschen häufig den Ein-
druck, als ob sie beim Malen erstarrt
wären; ihnen hat sich die Steifheit des
posierenden Modells mitgeteilt und das
frische Leben ist verschwunden. Da das
zeichnerische Element den Künstlern hoch
stand, hatten sie ihre natürliche Freude
an der Sicherheit und Klarheit der Linien
und Umrisse und wollten nichts auslassen.
Aber der Impressionismus ist nicht
aus den Wolken heraus auf den Boden
Frankreichs gefallen —- wo er sich zuerst
mit voller Bewußtheit zum malerischen
Prinzip durchsetzte — sondern auch er
hat seine Vorgänger. Zwar aus der
deutschen Art, der in der Malerei, wie in

[Nachdruck verboten.]
der Dichtung — man denke nur an das Volkslied — ein Zug des Nachdenklichen,
Träumerischen, Versonnenen anhaftet, entstand er nicht. Aber schon die stammes-
verwandten Holländer können einen Vertreter ihrer klassischen Vergangenheit auf-
weisen, der als Impressionist bezeichnet werden könnte — Frans Hals. Denn zum
Beispiel seine „Hille Bobbe", die mit der Eule auf der Schulter lachend zum Wein-
krug greift, oder der gleichfalls sehr bekannte „Lautenspieler", der beim Spielen
schmunzelnd zu jemand emporlächelt, der ihm offenbar ein Wort zugerufen hat, zeigen
in Gesichtsausdruck und Bewegung, jene Impulsivität, die den späteren Impressionismus
kennzeichnet. Freilich hatte dieser es leichter als diese falkenäugigen alten Meister,
da er einfach von der Momentphotographie lernen konnte. Unmittelbaren Einfluß als
Frans Hals haben auf die französisehen
Impressionisten ältere spanische Meister
geübt: weniger Velasquez, stärker der
1828 verstorbene Francisco de Goya, da
sich Romane zum Romanen hingezogen
fühlte. So erklärt es sich, daß der erste der
französischen Impressionisten, Edouard
Manet, ehe er zu den hellen Freilicht-
farben überging, gerade umgekehrt die
dunkle Palette der Spanier bevorzugte,
von der noch letzte Reste auf unserer
farbigen Abbildung „Das Frühstück“ zu
erkennen sind. Noch klarer schlägt Fran-
cisco de Goyas auf dem Ruhebett liegende,
nackte „Maja" zu Manets bekannter „Olym-
pia“ eine immerhin betretbare Brücke.
Nicht weniger neu und eigenartig
als die Wiedergabe der Bewegung war
die Farbengebung des Impressionismus,
die sich zur Palette der alten Meister in
doppelter Hinsicht in starken Gegensatz
stellte. Einmal war man bestrebt, ihre
vorwiegend dunkleren Töne bis zum Glanz
und Flimmer des Sonnenscheins in freier
Natur aufzuhellen. Dann aber beschäftigte
den Impressionismus auch hier die Be-
wegung. Wenn die älteren Meister haupt-
sächlich Farbenkomplexe mit zeichne-
rischen Umrissen als klar abgegrenzte
Gebilde in Lokaltönen nebeneinander

XXVIII. 40.

Edgard Degas: Bei der Toilette.
 
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