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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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13. Heft
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Staby, Ludwig: Auf Reinekes Liebespfaden
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0382

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i63

Auf Reinekes Liebespfaden.

Von Dr. Ludwig Staby.

und stetig waren in der stillen Februarnacht die weißen Flocken
immel gefallen, so daß Busch und Strauch mit frischen Puder-
. geschmückt waren, als ich kurz nach Tagesanbruch, den ge-
Teckel hinter mir, in den schweigenden Wald zog, der im
ersten Frührot der eben aufgehenden Sonne wie vergoldet sich in langer Linie
hinzog. Lautlos trat der Fuß in den samtweichen blendenden Schnee, dessen
Oberfläche in den ersten Sonnenstrahlen blitzte und flimmerte. Plötzlich blieben
wir beide stehen und Wald-
mann beschnupperte höchst
interessiert eine Fährte, die
sich wie eine gerade Schnur
durch die weiße Fläche zog.
Aha, also hier ist Meister
Reineke gegangen, sagte ich
mir und folgte mit dem
Hunde der sich scharf und
tief abhebenden Fährte. Nach
einigen hundert Schritten
stieß plötzlich eine gleiche
Spur im spitzen Winkel auf
die verfolgte, um in dersel-
ben zu verschwinden. Diese
Schrift im Schnee war mir
nun ohne weiteres klar. Ich
hatte die Spur einer Fähe
verfolgt, und hier war ihr
Galan zu ihr gestoßen oder
auf ihre Fährte gekommen
und war ihr nun so geschickt
gefolgt, daß er genau in jeden
Fußtapfen der Fähe getreten
war, so daß es den Anschein
hatte, als sei hier nur ein
Tier gegangen. Meine Mei-
nung wurde bald voll bestä-
tigt, denn an einem Strauch
war der eine Fuchs plötzlich
aus der Spur um mehrere
Schritte abgewichen, hatte
sie aber nach einer kurzen
Strecke wieder innegehalten.
Langsam zog ich mit dem
Teckel, der so eifrig wurde,
daß ich ihn anleinen mußte,
der Fährte nach, die durch
hohen Buchenbestand zu
einem Hang führte, auf dem
sich ein mir bekannter alter
Fuchsbau befand. Die bei-
den Füchse waren also rich-
tig zur Hochzeitsfeier in die
Burg Malepartus eingezogen.
Ungefähr zwanzig Schritte
von dem Bau stellte ich mich
unter peinlicher Vermeidung
jedes Geräusches gedeckt
hinter einem starken Baum
auf und löste nun Waldmann vom Riemen. Sofort nahm der brave Hund die Spur
der Füchse auf und verschwand mit Blitzesschnelle in dem Bau. Ein Gerumpel und
Gepolter ließ sich hören, dann erklang die helle giftige Stimme Waldmanns, der
seine Todfeinde heftig attackierte. Da ich die außerordentliche Schärfe des Hundes
kannte, hob ich das Gewehr schußbereit hoch und im nächsten Augenblick ließ
ich es auch schon krachen, denn ein Fuchs war wie ein roter Ball aus der Röhre
geflogen, um in rasender Flucht zu verschwinden. Aber meine Schrote hatten
ihn gefaßt, und er rollte tödlich getroffen den Hang herunter. Auf einen Augen-
blick erschien Waldmann im Eingang der Röhre, dann verschwand er wieder
und hetzte nun mit lautem Hals in dem weitläufigen Bau hin und her. Scharf
behielt ich den Eingang im Auge, aber nichts erschien, bis auf'einmal Fuchs und
Hund aus einer von Schnee bedeckten Röhre hervorbrachen und den Hang hin-
untersausten. Dabei war der Teckel zuerst so dicht hinter dem Rotrock, daß
es mir nicht möglich war zu schießen, so daß also Reineke entkam, und ich
nur Frau Ermeline erbeutet hatte. Wenn im Februar und März der Fuchs auf
Freiersfüßen geht, ist diese Jagd mit dem Teckel eine der interessantesten, wo

[Nachdruck verboten.]
aber das tapfere Krummbein fehlt, kann man eine andere, mindestens ebenso
reizvolle Jagdart anwenden. Bei einem Gang durchs Revier haben wir einige
Fuchsfährten ausgekundschaftet, die sich zu einer ausgedehnten Schonung hin-
ziehen und dahin lenken wir am Spätnachmittag unsere Schritte, um uns dort in
guter Deckung aufzustellen. Die untergehende Sonne läßt die Kiefernstämme
vor uns in dunkelgelbem und rotem Licht aufleuchten, und die Schatten der
Bäume liegen wie blaue Streifen auf der weißen Schneedecke. Wohl zehn Minuten
stehen wir unbeweglich still
und schauen dem herrlichen
Farbenspiel zu, das immer
tiefere violette Töne an-
nimmt, dann greifen wir be-
hutsam in die Tasche und
führen ein kleines unschein-
bares Holzinstrument, in
dem eine Metallzunge arbei-
tet, an die Lippen. Wir
blasen kunstgerecht hinein
und plötzlich durchdringen
die greulichen Töne eines
klagenden Hasen die feier-
liche Stille. Drei-, viermal
lassen wir das Klagegeschrei
erschallen, um es dann in
gräßlichen Jammerlauten er-
sterben zu lassen. Auge und
Ohr sind aufs äußerste ge-
spannt, denn jeden Augen-
blick kann Reineke erschei-
nen. Ist ein Fuchs in der
Nähe, so kann er diesen, sein
Herz berauschenden Tönen
nicht widerstehen, er denkt
an den saftigen Hasenbraten,
der ihm da mühelos in den
Fang geraten wird und ist
meistens wie der Blitz zur
Stelle. Da heißt es scharf
aufmerken, damit man den
unhörbar Herankommenden
nicht verpaßt; es genügt eine
geringe Bewegung mit dem
Kopfe, eir. Zucken der Augen-
wimpern, um den Fuchs zum
sofortigen Verschwinden zu
bringen. Kommt aber nichts,
dann muß man das Konzert
von neuem beginnen, wieder
Pause machen und dies noch
einigemal wiederholen. Zeigt
sich trotzdem nichts, dann
verläßt man möglichst ge-
räuschlos die Stelle, um an
einer andern sein Heil zu
versuchen. Nur Ruhe und
Geduld muß man bei der
Sache haben, dann ist der
Erfolg ziemlich sicher. — Einst stand ich an einem stillen Märztage vor einer
ausgedehnten Schonung, in der ich mit Sicherheit Füchse vermutete. Ich hatte
in den greulichsten Tönen konzertiert, aber nichts kam und schon wollte ich
meinen Platz verlassen, da sah ich im Schonungsrand etwas Rotes aufleuchten
und bald darauf kamen zwei Füchse dicht hintereinander den Hang herauf. Ihr
Liebesgetändel hatte sie offenbar abgehalten, meinem Konzert sofort die ge-
bührende Aufmerksamkeit zu widmen, denn sie schienen sich nur um sich selbst
zu kümmern, hielten aber trotzdem genau die Richtung auf den Ursprungsort
der Töne ein und kamen mir bis auf zwanzig Schritt. Langsam hob ich das
Gewehr, da — ein Stutzen der Fähe — im nächsten Moment krachte der Schuß,
der eine Fuchs rollte zusammen, der andere suchte in weiten Sätzen zu ent-
kommen, aber der zweite Schuß legte ihn zu seinem Gefährten. Ich hing das
Ehepaar nebeneinander an eine Fichte, um es später abholen zu lassen, durch-
querte ein Wiesental und stellte piich auf der andern Seite an einem Wege in
hohen dichten Tannen auf. Kaum hatte ich hier der Hasenquäke den ersten Ton
entlockt, und war noch fleißig am Konzertieren, da stand plötzlich zu meiner



Max Slevogt: Marietta.
Mit Erlaubnis von Bruno Cassirer, Verlag, Berlin.

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