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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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17. Heft
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Buss, Georg; Friedrich, Woldemar [Ill.]: Woldemar Friedrich
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0490

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Woldemar Friedrich.

£g
jm Prinz-Friedrich-Karl-Ufer zu Berlin ragt das nach Schwechtens
Entwürfen errichtete Geschäftshaus des Kreises Niederbarnim. „Ge-
schäftshaus“ klingt sehr prosaisch, aber wenn schon die Front des
Gebäudes ästhetisches Vergnügen bereitet, so noch mehr das mit
feinem Geschmack behandelte Innere. Altfränkische, um nicht zu sagen klöster-
liche Stimmung, wie sie im neuen Berliner Rathause waltet, ist vermieden und


freudiger Helle und Klarheit, entsprechend dem aufgeklärten Geiste des modernen
Lebens, der Vorzug gegeben. Besonders fesselt der durch schöne Raumverhält-
nisse ausgezeichnete und mit edlen Gaben der Kunst bedachte Haupt- und Fest-
saal, dessen dekorative Ausstattung der Bildhauer Professor Ludwig Manzel,
zurzeit Präsident der Kgl. Akademie der Künste, geleitet hat. Die durch die
hohen Fenster der nördlichen Langwand einströmende Lichtfülle läßt das tiefe
Rot des Fußteppichs, die Farben der Wandgemälde und das goldige Braun der
Bronzestatuen, die feine weiße Ornamentik der großen Voute nebst den Malereien
der beiden Lünetten und das Weiß und Gold der Kassettendecke, von der ein
Paar formenschöner Beleuchtungskörper herabhängt, zur vollen Wirkung ge-
langen. Eine heitere Pracht im Charakter der Hochrenaissance, frei von Über-
ladung und Aufdringlichkeit, bietet sich dar, wie denn eins zum andern mit solcher
Feinheit abgewogen und gestimmt ist, daß nichts das Auge beleidigt, vielmehr
alles zur wohltuendsten Ausgeglichenheit zusammenfließt.
Die in den Jahren 1902 und 1903 von Professor Woldemar Friedrich aus-
geführten Wandgemälde schildern Episoden aus der Geschichte des Niederbarnimer

Von Georg Buß.
[Nachdruck verboten.]
Kreises. Auf der großen Fläche der östlichen Schmalwand bietet sich eine be-
wegte mittelalterliche Szene dar: Die Rückkehr der Bürger von Bernau nach
Besiegung der Hussiten am 14. April 1432, und auf jener der westlichen Schmal-
wand ein Vorgang aus dem Jahre 1662: Die Besichtigung der bei Oranienburg
angelegten landwirtschaftlichen Kulturen seitens des Großen Kurfürsten und seiner
ersten Gemahlin Louise Henriette, Prinzessin von Oranien, unter Führung des
kurbrandenburgischen Staatsministers und Oberpräsidenten Grafen Otto von
Schwerin. Jedes dieser Gemälde wird flankiert von den mächtigen Bronzegestalten
eines Kriegers und eines Bürgers der betreffenden Epoche. Zwei kleinere Wand-
gemälde an der südlichen Langwand, in deren Mittelachse zwischen den gleich-
falls in Bronze gegossenen allegorischen Gestalten des Rechts und der Besonnen-
heit der Eingang liegt, schildern einen Besuch Friedrichs des Großen bei den
ersten Kolonisten am Müggelsee im Jahre 1753 und eine gesellschaftliche Szene
aus dem Jahre 1802 in Schloß Friedrichsfelde, deren Hauptpersonen die Herzogin
von Holstein-Beck, damalige Besitzerin des Schlosses, und der Prinz Louis, Fer-
dinand von Preußen sind. Die Vorwürfe würden dem Künstler gestellt. Sie
waren, abgesehen von der Bernauer Episode, sicherlich schwer zu meistern. Der
Größe der Wandflächen entspricht nicht recht das Thematische. Überhaupt liegen
historische Genreszenen solcher Art dem Illustrator näher als dem Wandmaler.
Aber der Künstler wußte sich vortrefflich zu helfen: er betonte in dem
Oranienburger, Müggel- und Friedrichsfelder Gemälde sehr stark die Landschaft
und benutzte die historischen Vorgänge mit ihren Gestalten mehr als Staffage.

XXVIII. 52.
 
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