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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0504

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MODERNE KUNST.



wirken die anderen Metamorphosen — die
von Ovid sind nichts dagegen! Ferdinand
Lepckes; klassische Bogenschützin (Nr. 3)
ist durch ein homöopathisch bemessenes
rosafarbenes, mit Herzen besätes Röck-
chen zum weiblichen Amor geworden —
etwas kolossal an Gestalt, aber echte
und rechte Liebe ist ja auch kolossal.
Die bacchantische Wildheit von Franz
Peleschkas entzückender Tänzerin (Nr. 4)
hat sich, wahrscheinlich unter dem Ein-
flüsse der modernen Suffragetten, zum
Pariser Merveilleusentum von 1794 ge-
wandelt. Sehr bescheiden gibt sich
Sigismund Wernekincks weibliche Figur
(Nr. 5) — sie hat schämisch als Hülle
einen weißen Muff gewählt. Glücklicher
Gatte, dem ein so genügsames Weib
beschieden ist! Hingegen erscheint Donna
Aphrodite (Nr. 6) sehr opulent in Hut,
Pascharock und triumphierend geschwun-
genem Sonnenschirm. Natürlich prüft
Fritz Heinemanns Fechter (Nr. 7) die
Schärfe seines Schwertes nur, um wacker
für die Lex Heinze zu kämpfen. Kein
Wunder, daß in so gefährlicher Nähe
sogar die Venus Medici (Nr. 8) Reue ver-
spürt und schleunigst die bequemste aller
Tuniken, die Humpelrobe von Berlin W,
samt einem Flut mit dem kostbaren Ge-
fieder des Paradiesvogels angelegt hat.
Exzellenz Solf seufzt zwar wegen des
Vogels von Neuguinea, aber was ist zu

Das Schaufenster einer Kunsthandlung mit Plastiken in gewöhnlicher Gestalt.

machen, wenn der Vogel den Damen nicht nur auf, sondern sogar im Kopf sitzt.
Außerordentlich beachtenswert und vielversprechend ist, daß Adolf Jahns Nathan
der Weise (Nr. 9) das Amt eines Staatsanwalts übernommen hat — eines Staats-
anwalts, der mit tiefem Blick erkennt, was uns not tut. Sehr erklärlich, daß unter
so veränderten Verhältnissen, auch wegen des kälteren mitteleuropäischen Klimas,
Dürers Adam und Eva (Nr. 10 u. 12) sich gleichfalls zur modernen Toilette ent-
schlossen, er, stolz über den soeben errungenen Weltrekord — im Tennisdreß, das
Rakett vorweisend. Mit dem Borghesischen Fechter (Nr. 11), dem letzten der Mohi-
kaner, geht die Suite zu Ende. Grimmig führt Häuptling Falkenauge auf der Jagd
nach Skalpen den Tomahawk; aber seine Ernte wird gering sein, denn der Haar-
wuchs auf den Schädeln der zivilisierten Männer ist recht dünn geworden. -St
Knut Hamsun. Das Leben dieses größten norwegischen Dichters der Gegen-
wart ist größtenteils in Dunkel gehüllt, ln reiferen Jahren schwankte er zwischen

Lebemann und Einsiedler. Im Champagnerrausch durchzog er mit Mädchen Chri-
stiania und bombardierte in den Kneipen die elektrischen Birnen mit den Sekt-
kelchen. Aber dann lebte er auch Jahre lang als vollkommener Einsiedler, als
aristokratischer, edelanarchistischer Einsiedler. Kam er einmal doch nach Chri-
stiania, so verbarrikadierte er sich förmlich gegen alle Bekannten. Der Hamsun
von heute hat den Grundsatz aufgestöbert, Leute über 50 Jahre gehörten zum
alten Eisen, müßten Jungen Platz machen. Schon im Jahre 1896 hielt er in Chri-
stiania einen Vortrag: „Ehret die Jungen!“ Selber 50 Jahre alt geworden, schrieb
er einen Roman „Gedämpftes Saitenspiel“, in dem er sein eignes „reifes Alter“
mit einem feurigen Hymnus auf die Jugend begrüßte. Bald darauf kam sein Schau-
spiel „Vom Teufel geholt“, das kürzlich in den Kammerspielen des Deutschen
Theaters seine freilich mißglückte Erstaufführung erlebte, abermals eine Satire
auf das Greisentum. Welcher Kontrast und doch auch welche Ähnlichkeit im Ver-
gleich mit dem alten Björnson, der das Alter in Jugend verwandelte und das Wort
verkörperte: „Ihm glüht noch das Alter
wie greisender Wein.“ Ein Besonderer,
und zwar im höchsten Sinne ist aber
Knut Hamsun immer gewesen. Er ist,
man kann fast sagen, aus der liefe der
Menschheit zum Dichter emporgestiegen
Das erste, was er lernte, war schustern.
Als Schiffsjunge brannte er durch nach
Amerika, wo er ein sehr bewegtes Aben-
teurerleben führte und sich nacheinander
als Ladendiener, Schlächter, Minenarbei-
ter, Straßenbahnschaffner durchschlug,
worauf er 1883—1886 als Zeitungsschrei-
ber in der Heimat sein Brot verdiente.
Hierauf ging er nochmals über das große
Wasser, diesmal als wohlbestallter Kor-
respondent für „Verdens Gang“. Dann,
nach zwei Jahren heimgekehrt, sprang er
plötzlich als Dichter hervor mit seinem
Roman „Hunger“, einem quälenden aber
genial empfundenenLiebesmysterium, das
von dem Drang eines Elementargeistes
nach Entfaltung, nach Hebung der Schätze
seines Innern handelt. Damit hatte Ham-
sun seine Visitenkarte für die Litteratur-
geschichte abgegeben. Seitdem hat er
wunderbare Verse geformt, in denen sich
prachtvolle Naturstimmungen, fesselnde
erotische Schilderungen und menschliche
Hochgefühle gegenüber den Widrigkeiten
des Naturlaufs zu starker Wirkung ver-
einigen, er hat sich mit mehr oder weniger

Das Schaufenster einer Kunsthandlung im Sinne der Lex Ileinze.
 
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