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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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18. Heft
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Seyfont, Paul: Ein schwimmender Palast: Zur ersten Fahrt des "Cap Trafalgar"
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0538

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MODERNE KUNST.




Ein schwimmender Palast.
Zur ersten Fahrt des «Cap Trafalgar".
Von Dr. Paul de Seyfont.

#ie Schiffahrt beginnt neuerdings in Deutschland eine bedeutendere Rolle
zu spielen als in den meisten andern Kulturstaaten: ist doch der deutsche
Außenhandel — der beste Maßstab für die Entwicklung unsrer Schiffahrt — im
verflossenen Jahre auf mehr als 203,4 Milliarden Mark angewachsen, uns damit
gleich hinter England und weit vor allen andern Nationen die zweite Stelle im
gesamten Welthandel zuweisend. Erst heute vermögen wir den weiten Blick
Friedrich Wilhelms, des Großen Kurfürsten, recht zu würdigen, der in sein
Regierungsprogramm als volkswissenschaftlichen Leitsatz die Worte schrieb:
„Seefahrt und Handlung sind die fürnehmsten Säulen eines Estats“ — erst heute,
da uns der Ozean nicht mehr das völkertrennende Element, sondern die länder-
verbindende Brücke ist. Es hat außerordentlich lange gedauert, ehe Deutschland
auch zur See den Wettstreit mit den andern Staaten aufgenommen hat. Noch
um die Mitte des 17. Jahrhunderts konnte Johann Joachim Becher in seinem
„Politischen Diseurs“ bei Erörterung von Kolonialplänen der „hochteutschen
Nation“ ins Stammbuch schreiben: „diß ist das eintzige, was die IIochteutsche
Nation eckelt, nemlich der grosse Bach, es ist wunder, daß sich die Teutschen
so vor dem Versauffen fürchten, da sie doch gern sauffen, und der Hochteutschen
ihr Leben lang mehr in Wein als in der See versoffen. Es scheint gleichsam
eine weibische Furcht vor der See in unserer Hochteutschen Nation zu seyn,
die doch sonst Profession vor allen andern Nationen macht, weder Feuer noch
Schwerdt zu scheuen.“ Becher führt dann gleichsam vorausahnend weiter aus,
daß man die Seereisen „halb im Schlaff und die übrige Zeit im Essen und

luxuriösesten Hotel
der großenKapitalen
nicht übertroffen
werden können,
kaum heute vorzu-
stellen, welche Rolle
die Verpflegungs-
frage einst in der
Schiffahrt spielte.
Man lese nur einmal
die Berichte der
großen englischen
Seefahrer und er-
wäge, daß beispiels-
halber James Cook
ebenso sehr des-
wegen gefeiert und
verehrt worden ist,
weil er neue Me-
thoden der Fleisch-
und Gemüsekonser-
vierung angab und
erprobte, wie
weil er für sein

Vaterland eine
• ... p Prinz und Prinzessin Heinrich von Preußen. Nach einer Original-
W1C lt,e n1 aufnalmie von E. Bieber, Hofphotograph, Hamburg,
deckung nach
der andern in der Südsee und an der Küste Amerikas machte. LTnd dann
betrete man den durch zwei Stockwerke (Decks) ragenden, über die ganze
Breite des Schiffs sich erstreckenden, d. h. rund 20 Meter breiten, von
schlanken Säulen gestützten Speisesaal des „Cap Trafalgar“ mit seinem
d apetenwerk aus weißer Seide, seinem diskreten Goldschmuck und seiner
Fülle vornehm gedämpften elektrischen Lichts — und man wird die un-
geheuren Fortschritte, die der deutsche Schiffbau und die Reisetechnik zur
See in wenigen Jahrzehnten gemacht haben, erst gebührend einschätzen
lernen. In diesem luftigen, hellen Raume atmet alles Behagen und Sicher-
heit; man hat auch nicht einen Augenblick das Empfinden, nicht in dem
Festsaal eines internationalen Hotelpalastes zu sein. Auf einer galerieartigen
Balustrade konzertiert ein Künstlerquartett, geräuschlos eilen die Stewarts
längs der Reihen festlich gedeckter, mit Blumen geschmückter Tische, die
sorgsamste Bedienung, jedes Winks gewärtig, auf und ab. So ist heute das
Bild eines Speisesaals auf unseren schwimmenden Palästen, und jedes neue
Schiff überbietet seine Vorgänger darin an Behagen und Luxus. So sind z. B.
aut „Cap Trafalgar“ zwei Kinderspeisezimmer unmittelbar dem großen Speise-
saal vorgelagert, um einmal alle Unruhe aus ihm zu bannen und andrer-
seits doch den Eltern die Möglichkeit zu geben, sich jeden Moment nach
den Kleinen umzutun.
Ja, Ozeanreisen um die halbe Welt und selbst rund um die Erde sind heute
nur noch gleichsam Spazierfahrten, und es ist wirklich damit beinahe schon so
gekommen, wie Freund Becher damals von den Holländern schilderte, daß sie
sich nämlich „weniger Bedencken machen über See nach Südamerika als von
Amsterdam nach Nürnberg zu reisen“. Solche Reise (nach Westindien) könnte
„schier ordinarie“ in sechs Wochen vollführt werden, und eben Schlaf, Essen
und Trinken, Spiel und
andere Kurzweil wür-
den solche Zeit ver-
kürzen. Die Dampfer
der „Hamburg - Süd",
wie die Besitzerin des
„Cap Trafalgar“ im
Volksmunde heißt, brau-
chen zu solcher Reise
nicht einmal die Hälfte
derZeit — fährt doch der
genannte Dreischrau-
ben-Schnelldampfer bei
einer Maschinenstärke
von 16000 indizierten
Pferdekräften mit einer
Geschwindigkeit von
18 Knoten in der Stunde!
— und für „Schlaf, Spiel
und Kurzweil“ ist bei so

Cap Trafalgar: Ein Luxus-Schlafzimmer.

Trincken, im Spielen und andern Kurtzweilen“ werde zubringen können. Die
Seereisen wären auch gesund, die meisten Erkrankungen auf See rührten von
mangelhafter Ernährung her. „Zweiffels ohn wird von der Hochteutschen Nation,
als die in Essen und Trincken sehr liberal ist, dessen genügsame Provision
bestellt werden.“
Was würde wohl dieser Apostel deutscher Seefahrtsbestrebungen dazu
gesagt haben, wenn er
durch unsre modernen
Ozeanriesen seine kühn-
sten Träume weit über-
holt gesehen, wenn er
einen schwimmenden
Palast von solcherPracht
und Behaglichkeit betre-
ten hätte wie den neuen
Dreischraubendampfer
der Hamburg-Südameri-
kanischen Dampfschiff-
fahrts-Gesellschaft „Cap
Trafalgar“?! Wir ver-
mögen uns, wenn wir
die Dinerkarten eines
solchen Ozeanriesen
mustern, Diners, die an
Reichhaltigkeit und Er-
lesenheit auch von dem

Cap Trafalgar auf hoher See.

XXVIII. Fr.-No. E.-B.
 
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