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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

DOI issue:
19. Heft
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Rittland, Klaus: Die Ehen des Herrn von Brenkhusen, [13]
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0581

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245



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Von Klaus Rittland (Elisabeth Heinroth).

usen.


[Fortsetzung.]
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fSls die ersten rrauermonate vergangen wären, stellten sich
’j nach und nach Fannys gute Freundinnen wieder ein, die
sich anfangs diskret zurückgehalten hatten. Die Frau Rätin
trank wieder ihren Nachmittagskaffee bei der lieben armen Frau von
Brenkhusen, auch Frau Kollmann hielt es für ihre Pflicht, die geliebte
Freundin etwas zu zerstreuen. Und Fanny ließ sich zerstreuen.
Stundenlang saßen sie zusammen bei Kaffee und Kuchen. Zuerst be-
wegten sich die Unterhaltungen noch meistens, auf trübseligem Gebiete.
Die Frau Rätin wußte so viele Schreckensgeschichten zu erzählen; sie
schwelgte förmlich in den Krankheiten und Leiden ihrer lieben Neben-

Copyright 1913 by Rieh. Bong.
Sie hatten den eintretenden Ehemann nicht bemerkt. Und Curt trat
leise zurück, ohne sie zu begrüßen. Ein Widerwillen stieg in ihm auf,
der körperlichem Übelsein glich. Es war ihm, als ob diese Weiber die
Qualen seines unglücklichen Kindes als Beikost zum Nachmittagskaffee
genössen.
Nach Weihnachten fand Fanny schon, daß ein Mensch auf die Dauer
dieses zurückgezogene Leben nicht ertragen könnte. Man würde gemüts-
krank dabei. Sie erzählte von, Familien, die während der Trauer doch
hin und wieder ein Konzert besuchten, „natürlich nur ernste Konzerte“.
Kollmanns meinten, es sei ihre Pflicht, sich herauszureißen.


Ulli Wolters: Himmelfahrtsfest im. Grunewald.

menschen. Auch Frau Kollmann fand ein angenehmes Gruseln dabei,
wenn sie sich vorstellte, was für Qualen manche Leute auszustehen
hatten. Der Gegensatz zu ihrem eignen fröhlichen Wohlbefinden trat
dann so erfreulich hervor.
Und wenn die Fundgrube der Trübseligkeiten erschöpft war, kam
auch der heitere Klatsch wieder zu seinem Rechte. Was soll man tun?
Das Leben will doch weiter gelebt sein.
Häufiger noch als ehedem hatte Brenkhusen das Gefühl, daß die
Frauen verlegen wurden, wenn er zufällig in das Zimmer trat. Und er
mied es, sie zu sehen.
Einmal war er dazugekommen, wie Fanny gerade, Tränen in den
Augen, von der Sterbestunde des Kindes erzählte. Die andern waren
sehr gerührt. Aber sie stopften doch Kuchen dabei in den Mund. Und
dann sagte die Frau Rätin mütterlich besorgt: „Aber nun regen Sie sich
doch nicht wieder so auf, Liebe. Sprechen wir von etwas anderm. Und
trinken Sie erst mal Ihren Kaffee aus. Der gefüllte Bienenstich ist wirk-
lich ausgezeichnet.“

Und Brenkhusen hinderte sie nicht daran, dieser Pflicht nachzu-
kommen. Wenn man nur keine Ansprüche an seine Person stellte!
Er vergrub sich tief in die Arbeit. Außer seiner amtlichen Tätigkeit
nahmen ihn Studien in Anspruch, die eine unbeschreibliche Wohltat für
seine wunde Seele waren. Als er eines Tages in seiner Bibliothek herum-
gesucht hatte, war sein Auge auf eine Reihe dicker Bände mit braunem
Lederrücken gefallen, die dort sehr lange unberührt gestanden hatten.
Er nahm den einen heraus, las die Einleitung — und kam bis zu später
Nachtstunde nicht wieder von dem Buche los.
Eine alte Liebe wachte wieder auf in ihm. Das Werk war Schnaases
Geschichte der bildenden Künste, vorwiegend der Kunst des Mittelalters.
Einmal, als Knabe, war Curt Brenkhusen mit seinem Vater, der ein
Freund Carl Schnaases gewesen war, im Hause des feinsinnigen Ge-
lehrten, kurz vor dessen Tod, in Wiesbaden gewesen. Der Junge hatte
nicht viel verstanden von dem, was in dem schlichten Salon geredet
wurde, aber irgendetwas in dem klugen, leidenden Gesicht des großen
Kunsthistorikers hatte tiefen Eindruck auf ihn gemacht.

XXVIII. 62.
 
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