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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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23. Heft
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Wolter, Franz; Kaulbach, Friedrich August von: Fritz August von Kaulbach
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0691

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MODERNE KUNST.

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Wie grundsätzlich weicht dieser Stoff von denen der alten Meister ab, und
doch wieder begegenen uns in der ganzen Malerei altvertraute Klänge, aber in
die deutsche, zu Herzen gehende Sprache übersetzt. Von köstlichem Reiz ist dann
das Bildnis der Gattin mit der Schüssel frisch gepflückter Kirschen. Die ganze
Kraft ist auf den Kopf vereinigt. Der Meister hat sowohl hier wie in allen seinen
Frauenbildnissen die Anmut aufs feinste betont. Da sind die feuchtschimmernden,
nie ganz zu erforschenden versonnenen Augen, die zuckenden Lippen, leicht zum
Lächeln geöffnet, die zartgeschwungenen Augenbrauen, das leicht gerundete
Kinn, dem sich der zartgegliederte Hals, der so organisch mit Brust und Schultern
verwachsen ist, anschließt. Und wenn dann der Künstler alle Hüllen beim
weiblichen Körper fallen läßt und uns die klaren, reinen Formen in blühendster
Fülle zeigt, dann erscheint uns solche Malerei so frei und erhaben über das Pein-

Das sind dann keine Bildnisse als solche allein mehr, sondern in weit höherem
Maße Stimmungsgemälde erlesenster Art. Andachtsvoll folgt der Beschauer in
ruhigem stillen Versenken. Er glaubt einem weihevollen Andante, einem seelen-
vollen Adagio zu lauschen oder mitjubeln zu können in einem heiteren Entzücken
eines Allegro. Der Musik verwandt ist die Tanzkunst, geheimnisvolle Fäden spielen
von dieser zu jener hinüber. Unserer modernen Zeit ist es Vorbehalten gewesen,
diese von der Antike so hoch gepflegte Choreographie wieder zu beleben und sie
auf ein höheres künstlerisches Niveau zu stellen. Als einige der berühmten Tän-
zerinnen in München ihre eigenartigen Darbietungen nie gesehener Art vorführten,
begeisterten diese Kaulbach so, daß er manch köstliche Skizzen, mehrfach aus-
führliche Gemälde schuf, die meist den Bewegungsrhythmus zum Motiv hatten.
Diesen schließen sich die fröhlichen Reigen jugendlicher Mädchengestalten an, die

F. A. v. Kaulbach: Die Schwestern.

liehe des Nackten an sich, daß wir gerade in solchen Schilderungen erkennen, wie
rein naturalistische sklavische Abmalerei das sinnloseste und überflüssigste in
der Malerei bedeutet. Nur durch die Veredlung einer Künstlerhand werden im
Nackten, das haben bereits vor mehr denn zweitausend Jahren die Griechen im
harten Stein gezeigt, die Freude und der Genuß vermittelt, die zu den edelsten
im Kulturleben der Menschen überhaupt gehören. — Ruhig, leidenschaftslos
leuchtet das helle Fleisch des Körpers in Unbefangenheit und majestätisch un-
nahbarer Feierlichkeit, die dem Sakralen nahekommt. Ein anderes Thema, zu
dem Kaulbach ganz besonders durch die liebreizende Gestalt seiner Gattin an-
geregt wurde, ist das der Musik. Für diese stets hochempfänglich, hat er bereits
in jüngeren Jahren in der Heiligengestalt einer Cäcilia feierliche Momente gegeben.
Oft begegnet uns heute seine Gattin als hochgeschätzte Künstlerin der Geige, wie
sie entweder im Spiel versunken oder einfach sinnend mit dem Instrument in der
Hand in die Ferne sieht.

Phot. Franz Iianfstaengl, München.
in heitere Frühlingslandschaft versetzt sind oder auf den Rasen des sommerlich
blühenden Parkgrundes. Diese innige Vertrautheit mit dem harmlosen Tanz und
Spiel der Jugend spiegelt sich weiter in der herzerfrischenden Liebenswürdigkeit,
mit welcher der Meister das Kinderleben selbst erfaßt. Wie oft hat er die
Kleinen, zu denen auch seine Lieblinge gehören, gemalt, in diese großen, fragen-
den Augen geschaut und die reine Kinderseele auf die Leinwand gebannt, in
ihrem zarten Duft der Unbefangenheit und Lieblichkeit, wie es nur ein Künstler,
der zugleich der liebevollste Vater ist, wiederzugeben vermag. Oft mit wenigen
Strichen hingesetzt, keck und unmittelbar, wie Frans Hals oder ausführlicher
und abgerundeter wie Rubens oder van Dyck, ohne hier Kaulbach mit diesen
Meistern in Verbindung bringen zu wollen. Von köstlichem Reiz sind da die
beiden Töchter des Meisters, die blonde und schwarze, die geschwisterlich bei-
sammengerückt, an Weintrauben und Obst sich erfrischen oder die lustige Kleine,
die so schelmisch lächelnd mit ihren blitzenden Äuglein unter dem breitrandigen
 
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