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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0732

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MODERNE KUNST.




literarische . Betätigung ist nicht eine glatte Fortsetzung
ihrer ersten Neigung und vielversprechenden Betäti-
gung. Vielmehr haben hier äußere Umstände, wie
in dem Leben mancher Schriftsteller, sehr
erheblich mitgewirkt. Bei ihr waren sie
begründet in ihrer Ehe mit dem um zwölf
Jahre jüngeren Baron Arthur Gundakkar
von Suttner, die gegen den Willen der
beiderseitigen Eltern geschlossen wurde
und in der exklusiven österreichischen
Arstokratie viel Aufsehen erregte. Die
Haltung, die die Gesellschaft gegen
die ehemalige Gräfin Kinsky einnahm,
zeitigte eine Reise nach dem Kaukasus,
die Berta von Suttner später selbst als
Hochzeitsflucht vor dem österreichi-
schen Adel und wohl auch vor ihrer
eignen Familie bezeichnet hat. Sehr be-
friedigend waren die äußeren Lebensum
stände des jungen Paares nicht; es fehlte ihm
.eine gesicherte Lebensstellung, und im Kampf
um eine solche kam das junge Paar, nachdem Baron
von Suttner sich zuerst in den verschiedensten Berufen
als Ingenieur und Kriegskorrenspondent versucht hatte, auf
den Gedanken, es mit der Literatur zu versuchen. Beide Teile
waren auf diesem Gebiet erfolgreich, und wenn der Name des
Barons von Suttner, der zwölf Jahre vor seiner Gattin ins Grab gesunken ist,
heute so gut wie nicht mehr genannt wird, so hat das seinen Grund darin, daß
nicht er, sondern seine Gattin das stärkere Talent war. Doch hat auch sie

Friesentag in Goting: Die Thingstitttc.
Phot. Techno-Photogr. Archiv, Berlin.

Friesentag in Goting: Die Thingschöffen.

Phot. Techno-Photogr.
Archiv, Berlin.

lange um die Anerkennung der Welt ringen müssen, und erst das „Inventar
der Seele“ machte sie in weiteren Kreisen bekannt. Nach langen Jahren in der
Fremde kehrte sie nach dem Tod ihrer Mutter nach Österreich zurück und hat
seitdem in Niederösterreich auf Schloß Hermannsdorf gelebt. Von ihren
sonstigen Werken ist das 1887 ohne Namen erschienene Buch „Maschinen-
zeitalter“ zu nennen, das zuerst als eine Arbeit Max Nordaus galt. Zwei
Jahre später erschien ihr Hauptwerk, der Roman „Die Waffen nieder“,
der ihren Namen in alle Welt getragen hat, in zahlreiche Sprachen,
darunter auch die japanische und hebräische, übersetzt wurde und ihr
den Beinamen die „Friedensberta“ eingetragen hat. Tatsächlich geht
ein eigenartiger Reiz von dem Buche aus, der allerdings zum Teil darin
begründet ist; daß man in ihm eine Darstellung der eignen Lebensschick-
sale der Verfasserin vermutete. Äußere Ehren hat ihr der Roman in
reichem Maße gebracht, darunter den Friedenspreis der Nobelstiftung im
fahre 1905. An Gegnern hat es ihr auf ihrem Lebensweg wegen dieses
Romans selbstverständlich nicht gefehlt. Ebensosehr wie sie von der
einen Seite vergöttert wurde, wurde sie von der andern Seite angegriffen,
zumal sie sich auch sonst im Sinn ihres Buches betätigte und auf allen
internationalen Friedenskongressen eine Rolle spielte. Heute, wo die
Sturm- und Drangzeit der Friedensbewegung hinter uns liegt, wird der
objektive Beurteiler ihrem Buche Verdienste nicht absprechen können.
Zwar hat es die Welt dem ewigen Frieden nicht nähergebracht. Aber
wenn man heute bestrebt ist, durch internationale Verträge den Krieg
menschlicher zu gestalten, jede überflüssige Grausamkeit auszuschalten,
seine Schrecken von dem friedlichen Bürger fernzuhalten und ihn auf die
kämpfenden Heere zu beschränken, so hat die in erster T.inie von ihr
mit entfesselte Friedensbewegung hierzu mit beigetragen. Dr. II. II.

Friesentag in Goting bei Wyck auf Föhr. Zum
Feste des Friesentages, das in jedem Jahrzehnt meh-
Male abgehalten wird, pflegen die Stammes-
upter der friesischen Inseln ihre Getreuen
zusammenzurufen. Man hört im Binnenlande
gewöhnlich nur wenig von friesischer Art
und seltener noch sieht man friesische
Tracht. Wenngleich alljährlich viele
Tausende nach den meerumbrandeten
Inseln ziehen, um Erholung und Ge-
nesung zu suchen, so erschließt sich
ihnen das festgewahrte Geheimnis
friesischer Art doch kaum. Unter den
Sehenswürdigkeiten spielt das Museum
mit seinen uralten Funden die erste
Rolle. Aber nicht nur in der Erde, im
Meeresstrand und in den Schränken und
Truhen der Friesen finden sich Zeugen
alter Stammesart; auch in den Menschen
selbst sind die alten Sitten und Bräuche
lebendig geblieben. Der Trotzspruch „Lewer
d üs Slaw“, der den Refrain einer der schönsten
n Detlev von Liliencrons bildet, lebt auch weiter
in den Herzen der Friesen fort. In dem prächtigen Festzuge,
der anläßlich der Friesentage veranstaltet wird, fehlt weder
das Wikingerschiff noch die Vogelkoje, und auch um die
Thingstätte weht der alte Geist. Zu den Sprüchen der Thingschöffen rauscht
das Meer seine urewige Melodie, und wir fühlen uns in die Tage der sieben
Harden zurückversetzt. „Rum Hart, klar Kimming“ — „Weites Herz, klarer
Horizont“ — wurde am letzten Friesentage als Losung ausgegeben; sie
gilt, bis die friesischen Stammesbrüder sich wiederum einmütig auf dem
Sassenhügel versammeln werden. — »•
* *
*
Iffland. (Gest. 22. September 1814.) Von allen goldnen Kälbern,
welche die Menschheit zum sinnlosen Tanz der Leidenschaft aufreizen,
ist der Ruhm wohl der lächerlichste Götze. Wie selten pflanzt sich
Ehre und Hochschätzung von den Mitmenschen auf die Nachwelt fort,
wie oft bleibt von einem einst gefeierten Namen nicht mehr übrig als
eine halb mitleidige, halb geringschätzige Erinnerung. Solche Gedanken
werden erregt durch den 100. Todestag August Wilhelm Ifflands, den
wir in diesem Jahre feiern oder eigentlich nicht feiern. Er selbst hat
sicherlich nicht gedacht, daß nach hundert Jahren kaum noch sein Name
übrig sein würde. Denn zu seinen Lebzeiten genoß er einen so aus-
gebreiteten Ruhm, wie ihn selbst seine großen Zeitgenossen Goethe und
Schiller nicht aufzuweisen hatten. Glänzte Iffland doch gleich auf drei
Gebieten, von denen jedes einzelne hinreicht, einem Namen Klang zu
geben: als Schauspieler, als Theaterdirektor und als Dichter. Im selben
Jahre 1759 wie Schiller geboren, von seinem Vater zum Theologen
bestimmt, lief er 1777 davon, um seinem unwiderstehlichen Drang zur
Bühne zu genügen. Von den besten Meistern seiner Zeit gebildet, kam
er bald an das Mannheimer National-Theatcr, und hier war er der erste,
rasch berühmt gewordene Darsteller des Franz Moor. Auch künftig blieb
er mit Schillers Schaffen verbunden; er war es, der dem mächtigsten der
Schillerschen Jugenddramen den schauspielerhaften und echt Ifflandschen Tite
„Kabale und Liebe“ gab; er war es, der später als Leiter des Berliner National-

Wikingerschiff beim Feste des Friesentags in Goting.

Phot. Techno-Photogr.
Archiv, Berlin.
 
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