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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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26. Heft
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Boerschel, Ernst: Aus den Erlebnissen des Brandenburger Tores in Berlin
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Leicht-Athletik
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0779

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322

MODERNE KUNST.


Sie ist damals nach jeder Rich-
tung hin wiederhergestellt wor-
den und hält nun wieder für
Generationen aus.
Da stand nun also seit 1793
das herrliche Tor mit seinem
herrlichen Siegeswagen, Preußens
Größe kündend. Dreizehn Jahre
später, und das Tor war seines
köstlichsten Zeichens beraubt!
Am 27. Oktober 1806 hielt Na-
poleon seinen Einzug in Berlin.
Er war der Sieger und haßte
Preußen. Er nahm in Potsdam
vom Sarge Friedrichs des Großen
den Degen, er befahl, die Sieges-
göttin vom Brandenburger Tor
herunterzuholen und nach Paris
zu schaffen, nicht als Kunstwerk,
sondern als Trophäe. Am 17. No-
vember erschien Schadow mit
einer Bittschrift, der Kaiser
möchte Gnade walten lassen,
aber er wurde nur vom General
Bertrand empfangen und wurde
abgewiesen. Vom 2. bis 8. De-
zember wurde die Quadriga her-
untergeholt und in zwölf Kisten
verpackt. Am 21. Dezember ging
sie zu Wasser über Hamburg
nach Paris ab. Sie sollte dort auf
einem neuen, eigens für sie zu er-
bauenden Triumphbogen gestellt
werden. Vorläufig sollte sie aufs
Tor St. Denis gesetzt werden.
Doch auch das unterblieb, weil
zunächst die auf dem Transport
entstandenen Beschädigungen
ausgebessert werden sollten. Das
dauerte sehr lange wegen der alles
aufregenden Kriegsereignisse.
Erst im Mai 1807 kam die Quadriga in Paris an. Die Kisten wurden ins Musee Napoleon
geschafft. Nach der Reparatur sollte die Quadriga zunächst im Magasin des Fetes auf-
gestellt werden. Es kam nicht dazu, sondern die Quadriga blieb im Musee Napoldon.
Der Bildhauer Caulers leitete die Ausbesserungsarbeiten und liquidierte dafür
14 000 Franken. Der Kaiser ließ sich diese Trophäe also etwas kosten. Doch er und
Paris hatten nicht viel davon. Der preußische Siegeswagen stand nicht hoch erhaben
auf einem Tore oder einem Triumphbogen von Paris, sondern zu ebener Erde im
Musee Napoleon, als ob er auf die Stunde warte, geflügelt wieder abzufahren.
Die Stunde kam bald. Als im April 1814 die Verbündeten Paris genommen hatten,
war Blüchers erster Gedanke, die Quadriga gleich einem feurigen Siegeswagen nach
Berlin zu schicken. Eine Tuschzeichnung, datiert Berlin, den 10. April 1814, drückte
die Hoffnung auf das Wiedererscheinen der Quadriga trefflich aus. Hoch in den Wolken
kommt sie strahlend im Siegesglanze angefahren, hoch erhebt die Siegesgöttin den
Adler, gerade über dem Brandenburger Tor erscheint sie, um sich auf ihm niederzu-
lassen. Flugschriften und Gedichte bereiteten ihren Empfang, ln fünfzehn mächtigen

Kisten geschah der Transport.
Über Compiegne, St. Quentin,
Beaumont, Brüssel, Lüttich,
Aachen ging der Weg. Sechs
Fähren brachten das kostbare
Gut über den Rhein, ln Düssel-
dorf ward den Kisten am 10. Mai
ein großartiger Empfang. Man
spannte die Pferde aus und zog
die schweren Stücke selber eine
Strecke. In Elberfeld derselbe
begeisterte Empfang. Wahrlich,
ein Siegeswagen rollte durch das
befreite Vaterland. Man hatte
die Kisten mit Kränzen über
und über bedeckt, hatte Segens-
wünsche auf das Holz geschrie-
ben. Am -8. Juni kamen sie in
Zehlendorf an; im Jagdschloß
Grunewald sollten sie ausgepackt
werden. In der Nacht, da der
Siegeswagen vom Jagdschloß
Grunewald an das Branden-
burger Tor gefahren wurde, war
ganz Berlin auf den Beinen. Man
hatte ein Zelt über die Gruppe
geschlagen und wand sie so am
30. Juni auf das Tor. Das Zelt
blieb darübergeschlagen, bis der
König seinen Einzug durch das
nun wieder rehabilitierte Bran-
denburger Tor hielt. Inzwischen
wurde der Adler in der Hand
der Siegesgöttin geändert. Auf
der Spitze der Parierstange ward
das eiserne Kreuz befestigt, um-
geben von einem Lorbeer- und
Eichenkranz, über den sich der
gekrönte Adler mit gelösten
Schwingen emporhebt. Am 7. Au-
gust hielt Friedrich Wilhelm III.
seinen Einzug. Das Wetter war anfangs trübe. Doch als er über die Siegesallee geritten
kam, brach die Sonne hervor. Das Zeltdach über der Quadriga fiel, und herrlich leuchtete
der zurückgekehrte Siegeswagen in der Sonne.
Seitdem hat uns das Geschick davor bewahrt, daß die Quadriga vom Feinde ver-
schleppt und das Brandenburger Tor geschändet worden ist. 1864, 1866 und 1871
zog das siegreiche preußische Heer mit seinem Könige Wilhelm an der Spitze durch
das Brandenburger Tor ein, und jedesmal folgte der Siegeswagen da oben seinen
Schritten. Es heißt, daß die Quadriga früher auf dem Brandenburger Tor so gestanden
habe, daß der Wagen aus der Stadt herausfuhr. Das ist Legende. Die Quadriga hat
immer so wie heute mit der Vorderseite nach der Stadt hin auf dem Brandenburger
Tor gestanden. Das Volk liebt einmal die Anekdote, wie es das Märchen vom alten
Fritz und dem Müller von Sanssouci aufgebracht hat. Aber nur an populäre Dinge
knüpfen sich Anekdoten. Das Brandenburger Tor mit der Quadriga obendrauf ist
das populärste Bauwerk Berlins. Es gilt den Berlinern als Wahrzeichen ihrer Ver-
gangenheit und ihrer Traditionen.

Edmund Erpff: Leichtathletik. Auf der Tribüne.

Lieieht- Athletik.

Ein gesunder Geist kann nur in einem gesunden Körper wohnen! Und da das
Menschengeschlecht im Laufe der Jahrtausende nicht besser geworden ist, so
mußte man Mittel und Wege finden, um die Rasse zu verbessern, sie widerstandsfähiger
und härter zu machen. Das beste Mittel, um diesen Zweck zu erreichen, war und bleibt
der Sport, besonders die Athletik in allen ihren verschiedenen Arten. In Amerika
und vor allem im Mutterlande des Sports, in England, gehört es seit mehreren Menschen-
altern gewissermaßen zum guten Ton, irgendeinen Sportzweig aktiv zu betreiben.
Daher auch die frühere Überlegenheit der Engländer auf dem Gebiete aller Sports!
In Deutschland ist es noch gar nicht so lange her, da kannten nur wenige den Sport,
gar viele Stubenhocker und Gelehrte vom grünen Tisch verdammten ihn sogar. Wohl
sah man schon Fußballspiele, aber die verschiedenen Zweige der Leichtathletik
waren fast noch unbekannte Dinge. Erst ganz allmählich befreundete man sich in
Deutschland damit, ganz schüchtern begann Deutschlands Jugend die Bewegung
in frischer, freier Luft, die Freude an sportlichen Wettkämpfen dem Kneipenleben vor-
zuziehen. In den letzten Jahren hat dann das Sportleben in Deutschland einen ganz
kolossalen, ungeahnten Aufschwung genommen. Wo man hinblickt, im Norden wie
im Süden, im Osten wie im Westen des Reiches, eilt die Jugend nach vollbrachtem
Tagewerk auf die sportlichen Tummelplätze und stärkt in Gottes freier Natur Herz

und Nerven. Befruchtend auf die sportliche Passion in Deutschland wirkte auch die
Abhaltung der Olympischen Spiele. Hier trat der deutsche Athlet in den Kampf
mit den Vertretern des Auslandes, konnte seine Kräfte mit ihnen messen, daraus Ver-
gleiche ziehen und danach weiter arbeiten. Man hielt in kleinen und mittleren Rahmen
athletische Meetings ab, man lief, turnte, sprang, schwamm und vervollkommnete
sich dabei.
Heute ist die Leichtathletik Allgemeingut der ganzen deutschen Nation. Sie muß
es auch sein, denn die Volksgesundheit ist das wertvollste Kapital eines Volkes. Es
ist eine Freude, unsere Jugend auf den Sportplätzen zu sehen. Nicht nur die männ-
liche Jugend allein stärkt die Muskeln, auch das schöne Geschlecht schwört treu zur
Fahne des Sports, und gar manches junge Mädchen hat schon ganz respektable Leistungen
auf dem Gebiet der Leichtathletik vollbracht, sei es in diesem oder jenem Zweige. Das
Herz lacht dem Zuschauer, sieht er die strahlenden, gesundheitstrotzenden Gesichter,
die kraftschwellenden Gestalten unserer Jugend, die den Sport doch nur des Sports
wegen betreibt, die, von keinem materiellen Nebengedanken geleitet, sich trainiert,
sich selbst und dem Vaterland zunutze. Auch die Schuljugend treibt heutzutage mehr
Athletik als früher, und auch die kleinsten der Kleinen ahmen nach, was sie bei den
Großen sehen und begeistern sich an deren Leistungen, die zu erreichen ihr höchster
 
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