Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 9.1921/​1922

DOI Heft:
Heft 1
DOI Artikel:
Rose, Walther: Anna Komnena über die Bewaffnung der Kreuzfahrer
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44571#0016

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
WALTHER ROSE, ANNA KOMNENA ÜBER DIE BEWAFFNUNG DER KREUZFAHRER

2

BAND 9

Werken der Byzantiner und ist insbesondere eine
wichtige Quelle für den ersten Kreuzzug.1)
Wie hierzu Oster2) in der Lebensbeschreibung
dieser Kaisertochter hervorhebt, „sind die Quellen,
aus denen Anna Komnena schöpfte, zunächst ihre
eigenen Erinnerungen und Erlebnisse. Viele Begebens
heiten hat sie, wie aus dem Texte selbst an vielen
Stellen hervorgeht, selbst mit angesehen und ist
namentlich von dem Wirken ihres Vaters Alexios
in Constantinopel unverwerfliche Augenzeugin. Ver*
möge ihrer geistigen Begabung und Wissenschaft*
liehen Bildung vermag sie die Facta in ihrem
richtigen Zusammenhang aufzufassen.“
„Ferner benutzte sie auch die Mitteilungen anderer,
die als Augenzeugen und teilweise als handelnde
Personen selbst den erzählten Begebenheiten nahe
gestanden. Unter diesen sind besonders alte Krieger,
die unter Alexios gedient hatten, genannt, von denen
sich Anna Notizen über die Feldzüge, die sie mit
dem Kaiser mitgemacht, geben ließ.“
Nach dem deutschen Auszug in Schillers „Allge*
meiner Sammlung historischer Memoires“ lautet nun
die hier interessierende Beschreibung der Tzagra wie
folgts): „Die Tzagra ist eine bei uns Griechen ganz un*
bekannte Art von Bogen. Sie wird nicht so behandelt,
daß man mit der Rechten die Sehne spannt und mit
der Linken den Bogen von sich streckt, sondern man
stemmt sich mit beiden Füßen gegen den Bogen, faßt
die Sehne mit beiden Händen und zieht sie straff
an. In der Mitte liegt eine, in Gestalt eines halben
Cylinders ausgemeißelte Röhre von der Größe eines
Pfeils. In diese Röhre werden kleine, jedoch dicke
Pfeile getan, welche die Sehne mit einer solchen
Heftigkeit fortschnellt, daß sie nirgends abprellen.
*) Ausgabe der Alexias, Buch I—IX von Schopen (Bonner
Corpus 1839) und Buch X—XV von Reifferscheid (ebenda 1878).
Ferner die Gesamtausgabe von Reifferscheid; Annae Comnenae
Porphyrogenitae Alexias (2 Bände, Leipzig 1884).
Hierzu deutscher Auszug in der von Schiller herausgegebenen
„Allgemeinen Sammlung historischer Memoires vom zwölften
Jahrhundert bis auf die neuesten Zeiten“ (Jena 1790, I, 1—12).
Sowie Oster; Anna Komnena (3 Teile. Rastadt u. Tübingen
1868-1871).
s) Oster a. a. O. II. Buch, S. 33 u. 36.
8) Bd. I, S. 237 daselbst.
‘) Der in dem byzantinischen Griechisch des 12. Jahrhun*
derts etwas schwierige Originaltext dieser Stelle lautet nach
Reifferscheid a. a. O. (Bd. II, Buch X, Cap. 8, S. 83) wie folgt:
„4] Be T^äffpa to£ov p.ev satt ßapßaptxov xal "EXk-qat -avTeXo'j'
a-(voup.evov. Tslvstat Be oü/l T-q-- p.ev oe^täq eXy.oüa-qT t4]V veopav,
T-q? Be Xatäz av8sXxo6a-q? to to(ov, aXXa Sei töv Starstvuvra to
opyavov tootI to jroXeptzov xal ex-qßokä>TaTov, avTi? zitco'.,
öxtiov zsijisvov Sxärepov p.sv tüjv xoBlüv svspeiaat roiz 4]p.txoxklot?
toü to^ou, äpicpOTEpat? Be Tat? yspal T-qv vsupäv p.aXa ■j'evvaüu;
av8eky.6oa:. -qc xarä to pieoov oii)X4]V satt xuXivoptxöv 4jp.iTop.ov
E^-qppevov a&Tvjc T-q? veopä? xal wanep ti ßeXo? a^ioXofov pe-p8-o<;

Sie dringen durch den dicksten eisernen Harnisch,
ja man hat Beispiele, daß sie durch metallene Bild*
säulen und Mauern von den größten Städten ge*
gangen sind, oder sich doch tief in die Steine gebohrt
haben. Kurz, die Tzagra ist ein beinahe teuflisches
Mordgewehr. Sie streckt den Menschen so plötzlich
zu Boden, daß er nicht einmal den Schuß fühlt.“4)
Erst aus diesem vollständigen Zitat ersieht
man also, daß in der Tat unter der Tzagra die Arm*
brust gemeint ist, wie man dies insbesondere an
der in der Mitte des Bogens angebrachten Säule
(nicht Röhre, wie irrtümlich übersetzt), an der Art
des Spannens, wie solche noch ohne mechanische
Hilfsmittel nachweislich bis ins 12. Jahrhundert hinein
gebräuchlich gewesen ist,5) und endlich an der Ver*
Wendung der kleineren dicken Bolzen an Stelle der
langschäftigen schlanken Bogenpfeile erkennt.6)
Und wenn auch in dieser Schilderung die schrecken*
erregende Wirkung der Armbrust in phantastischer
Vergrößerung erscheint, und demzufolge dem Ab*
scheu vor dieser ungewohnten Waffe Ausdruck
gegeben wird, so darf nicht vergessen werden, daß
auch die damalige Ritterschaft Westeuropas von
Anbeginn an die Armbrust wegen ihrer außer*
ordentlichen fernwirkenden Durchschlagskraft als
eine heimtückische, unritterliche Waffe betrachtete.
Das zweite Lateranische Konzil vom Jahre 1139,
also noch zu Lebzeiten der Anna Komnena, verbot
daher — wenn auch vergeblich — ihren Gebrauch
als einen mörderischen unter Christen und gestattete
ihn nur gegen Ungläubige, ein Verbot, das mit dem*
selben Mißerfolge später von Papst Innocenz III.
gegen Richard Löwenherz von England und Philipp
August von Frankreich erneuert wurde.7)
BtitoXapßävov O'.-qxsi az’ aävq? T-q? veopä? e? to toü toSoo p.eaai-
TaToy- o.<f' ou ßeX-q xavroBaxä BiexiuiTTOuatV. ev toütcu toIvov Ta
ßiXf] Tt8epeva ßpayÜTara pev tö> p4]xet, ccayitata oe xal itpöa8ev
ä^topayov ßapo? atB-qpoo Xapßavovra. xal &<peaet T-qc veopä?
psrä ctpoSpÖT-qTO? xal pup-q? äitäa-q<; äpisla-q? Ta ßeXepva ou av
Tuyq eiretarceaovTa ol>x el; ToopitaXcv äitonwcTet, aXXa xal aaxloa
Bterp-qae xal 8a>paxa ßapoalBqpov StaTepovTa ezel8-ev Bia 8'aTepou
pepoo? e£eiteTaa8--q. outiu* earl a-poBpa xal axaTaa/SToi; 4] aipeau;
twv toioütcuv ßeXdiv. -qo-q toüto to ßJXo? xal avSpiaVTa SisxEpov-qGE
yaXxoüv xal rei/ei epxsKTaixo; pe-flaT-qc jtoXeoi? -q Birl TavSov
Ttpouxueje toü ßeXout; -q axp-q 4] evoeSuxö; xara to peoov toü Tel/ou?
atpavES -[e-pove. T'° °uv T-q* TCd-ffpa? rtpä-jpa toioütov eoriv <u?
ovtoi? Baipoviov. o Be tteipaa8-el<; T-q* ex toutou xX-q-pq? &8-kiä>TaTO?
ävaia8-qTa>? dxo8vqaxu>v xal pqoe T-q* ~X-q-(-qc, Btcooq tIc eoTiv
ala8avopevo?.“
6) Siehe Boeheim a. a. O. S. 410.
6) Neben Anna Komnena erwähnt auch Wilhelm von Tyrus
die Armbrust zur Zeit des 1. Kreuzzuges (1097). Siehe Demmin
a. a. O. S. 100 und 896.
’) Siehe Boeheim a a. O. S. 402/3, Demmin a.a.O. S. 100, Jähns
a. a. O. S. 764.
 
Annotationen