Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 9.1921/​1922

DOI Heft:
Heft 1
DOI Artikel:
Rose, Walther: Anna Komnena über die Bewaffnung der Kreuzfahrer
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44571#0017

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
HEFT 1

WALTHER ROSE, ANNA KOMNENA ÜBER DIE BEWAFFNUNG DER KREUZFAHRER



Neben dieser Beschreibung der Armbrust dürften
auch noch einige andere Mitteilungen über die Be«
waffnung der als „Kelten“ bezeichneten norman«
nischen Ritter, sowie über die Taktik der Byzantiner
diesen gegenüber von Interesse sein und für die
scharfe Beobachtungsgabe und zuverlässigen An«
gaben der Anna Komnena Zeugnis ablegen.
So wird in der Geschichte des Krieges ihres Vaters
Alexios gegen den normannischen Fürsten Bohe«
mund vonTarent, Sohn des Robert Guiscard, Herzogs
von Apulien und Eroberers von Sizilien, nach seinem
erneuten Einfall in Griechenland (1108) u. a. be«
richtet8):
„Zu dem Ende schickte Alexios den berühmten
Bogenschützen Pyrrhos Georgios mit einigen aus«
erlesenen Leuten gegen Bohemund ab, doch mit dem
ausdrücklichen Befehl, ihn bloß von Ferne mit dem
Geschoß anzugreifen, und nicht sowohl den Reiter,
als das Pferd zu erlegen. Denn der Kelte ist fürchter«
lieh, wenn er auf seinem Roß sitzt; ist aber dieses
gefallen, so scheint er gar nicht mehr der vorige
zu sein. Sein Schild und die langen geschnäbelten
Schuhe erschweren ihm den Gang, und machen es
dem Gegner leicht, ihn gefangen zu nehmen.“9)
Desgleichen heißt es später:10)
„Die berittenen Bogenschützen und Lanzenträger
bekamen eine Menge Pfeile mit, die sie aber mehr
gegen die Pferde, als gegen die Reiter zu gebrauchen
hatten, welche letztere durch ihre Rüstung gleichsam
unverwundbar waren. Die keltische Armatur be«
steht aus einem Panzerhemd, das aus lauter Ringeln
8) Siehe Schiller a. a. O. Bd. I S. 103.
9) Der vollständige Originaltext lautet bei Reifferscheid a.a. O.
(Bd. I, Buch V, Cap, 6, S. 173) wie folgt:
,,xal eitel äteyviu? t7]V cpoyvjv ecüpa itotou|j.evoos xal rov Batp.oüv-
tov oit’.oS'ev Suüxovta xal exeivou ontaflev töv Bpuevvtov, treta-
xaXeaap.evo; tov xaXoupevov fluppov Feiüpftov litt to£ela 6|j.voup.evov
xal erepou? avBpa? -ptwatou^ ycupcaa? Ixavoü? itektaa'tä? oittatlev
toü Bpuevvtou o^eui? IXaovetv eiteaxvjtpe, cpHotaavta; Be p.4] äyye-
[rayov tyv ii.ayyv itotviaat, äXXa ttoppiufl’ev xard täv tititcuv p.ä.Xkov
aoyvä itep.ttetv tä ßeXv). eitlxaa'taXaßovTe? ouv tobe; KeXtou? toi«;
tititou? ituxvotc otatotc eßaXXov, tu? ev dpyyavia roü? litttöra?
xafttaraaS-at. xal f“P avrjp KeXto? itä? eitoyoup.evo? iJ.lv dvuitota-
ro? t-}]V opp.7]V xal Hp JHav eattv, eitäv 3’ditoßalv] roö tititou, to
p.ev Tt t<ü p.efeS'ei rv]? aaittoo?, tö 3e rt xal 5tä tä tä>v iteBIXtuv
ttpodXp.ara xal 3pop.ov aveittT-qäetov eöyetpB'ta'to? re T-qvtxaü'ta
ylvetat xal dXXoto? itavräitaatv v] irpörepov oxXaCoua-q? otov xal
tt]? 'luyixvj? aiittü ttpoB-up-la?.“
10) Siehe Schiller a. a. O. Bd. II, S. 41.
n) Der vollständige Originaltext lautet bei Reifferscheid a.a.O.
(Bd. II, Buch XIII. Cap. 8, S. 199) wie folgt:
„eiteyop-qfet 3e BadiX-t] routot? tä ßeXv] itapaxeXeuö|J.evoc ji-q
tpetBeallai touttuv oXtu?, dXXa xatä t<üv titituw p.äXXov ’rj rtüv KeX-
tcüv eitt'to|d^eo'8,at, toüto p.ev eiBdu? ort oaov eitl rot? -Htupa^t xal tot?
a’.o-qpol? ytttuat oüarptuw: vjaav 9] xal ttavtaitaatv arptutot. ßäXXetv
oüv et? p.dt7]V xal itavrt] dvBtjrov «>ero. oitXov ydp KeXrixöv ytttuv

zusammengesetzt und aus dem härtesten Eisen ver«
fertigt ist, das keine Pfeile durchläßt. Zu mehrerer
Sicherheit tragen sie noch einen Schild, der sehr
breit anfängt, und spitz endigt, inwendig etwas aus«
gehöhlt ist und von außen eine glänzende Politur
hat. Jeder Pfeil, ein scytischer sowohl als persischer,
prallt, auch wenn er aus einer Riesenhand flöge,
wieder gegen den zurück, der ihn abgeschossen hat.
Das war die Ursache, warum Alexios den Befehl gab,
nur immer auf die Pferde zu zielen, ohne welche
die Kelten wehrlose Menschen sind, mit denen man
machen kann, was man will.“ll)
Diese Angaben enthalten also nicht nur eine deut«
liehe Beschreibung des aus verflochtenen Eisenringen
bestehenden Panzerhemdes bezw. des mit aufge«
nähten Eisenringen verstärkten Hauberts, sowie
ferner der charakteristischen Form des großen und
etwas gewölbten, oben breiten und nach unten spitz
zulaufenden normannischen Schildes, sondern
sie liefern auch den höchst bemerkenswerten Nach«
weis, daß die langen, den Gang erschwerenden
Schnabelschuhe (ä la poulaines) nicht erst, wie
meist angenommen, als eine Mode vom Anfang des
14. Jahrhunderts zu betrachten, sondern schon am
Anfang des 12. Jahrhunderts allgemein gebräuchlich
sind. Wird doch die Erfindung dieser Mode bereits
dem Grafen von Anjou, Fulco IV. (1087), und später
demKönigHeinrich II von England (1154—1189) zuge«
schrieben, der sie zum Verbergen seiner mißgestalteten
Füße aufgebracht haben soll, daher auch des Königs
Beiname Cornado oder Cornatus.12)
eatt at3'qpou? xpixo? ertl xplxtu iteptiteTtXefp.Bvoc xal tö a’.B-qptov
ayaitoü at37]pou, tuare xal ßeXo? ätttuaaotlac Ixavöv xal töv yptü-ra
<pt>Xä£at roü atpattturou. itpoatHjXV] 3e fq? tpoXaxv]? xal aoitl? ot>
itepttpep-»]?, aXXa D-upeo? &.id> icXatoratoo äp5äp.evo? xal st? o£i>
xa-cak-fpftuv xal tavBov -}]pep.a üitoxo’Xa'.v6[i.evo?, Xeto? Be xal atiX-
ßcuv xatd t)]V e?a>9-ev Bitttpavecav xal eit’ op.<paXä> yaXxoyütiü p.ap-
palptuv. ßeXo? rolvuv, xav Sxuäxxöv eil], xav Ilepaixöv, xav attö
ßpaytovtuv äitoppt^eix] Ttfavttxtüv, exelO'ev ditoxpoucö'ev ttaXtvBpo-
p.-qaece irpo? rov itepupavTa. 3tä raüta rolvuv ep-itetpo? <uv olptai 6
ßaatXeü? ttüv KeXrixdiv ortKuiv xal rtüv -q|j.eTep<uv ro^eup-ättuv äpe-
p.evoo? rtüv dv3ptüv rot? iiritot? p.äXXov eTttS■^a8■a,. itapexeXeuero xal
xataxrepoüv autoü? toi? 'co^süp.aat itapjjvet, ap.a 31 xal tva tcüv
tttttcov äitoßeßvjXoTe? euyelptutot ffvo'.vto. KeXrö? fäp dvxjp eitoyo?
p.ev axataayero? xal xav retyo? BtaTerp-rivete BaßuXtivtov, äito-
ßeßvjxtb? Be toü titaou aftupfia rot? eftekoua'. ylverat.
”) Siehe Demmin a. a. O. S. 612. Die Mode dieser sogen.
Schiffsschnabelschuhe nahm bereits gegen Ende des 12. Jahr«
hunderts namentlich in Frankreich solche Auswüchse an, daß
das Konzil von Paris 1212 eine nach dem Range der Träger
abgestufte Verkürzung dieser Schuhe anordnen mußte. Ebenso
war in Ungarn diese Mode zu derselben Zeit allgemein bekannt,
und auch die deutsche Handschrift „Tristan und Isolde“ aus
dem 13. Jahrhundert zeigt die Ritter schon in Schnabelschuhen.
Siehe auch A. von Heyden: Die Tracht der Kulturvölker
Europas (Leipzig 1889) S. 89.

3*
 
Annotationen