Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 9.1921/​1922

DOI Heft:
Heft 1
DOI Artikel:
Potier, Otmar Baron: Waffengeschichtliches aus dem Wiener Jagdteppich
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44571#0020

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
6

OTMAR BARON POTIER, WAFFENGESCHICHTLICHES AUS DEM WIENER JAGDTEPPICH BAND 9

silberne Kanne im Schatze des Tempels Horyuji zu
Nara (Japan) Elemente der sassanidischen Kunst
auf. Dasselbe gilt von den Jägern auf Flügelrössen
und den Löwen, welche wir auf einem in derselben
Schatzkammer aufbewahrten Rest eines Banners be*
merken, wie von dem Bild des mittelasiatischen Berg?
schafes auf einem japanischen Windschirm im kaiser*
liehen Schatze zu Nara (O. Kümmel, Das Kunst*
gewerbe in Japan). Oder sehen wir uns die Motive
auf den ostturkestanischen, den Samarkandteppichen
an. Hier tritt uns im Fond des Teppichs gern das
uralte morgenländische Motiv des Lebensbaumes
(Thuba) entgegen. Es ist dies ein aufrechter, an der
Spitze eine Blüte tragender Stengel mit symmetrisch
angeordneten meist geknickten Seitentrieben. Dieses
Bild des aus der Grabkammer hervorsprießenden
neuen Lebens erscheint schon auf den assyrischen
Denkmälern und wurde von den iranischen Persern
als der Baum Allheil ( Vi?a*taokhma) in ihre floristische
Symbolik übernommen, von wo es in die der moham*
medanischen Welt überging: der Wunderbaum des
Lebens steht im Mittelpunkt des Paradieses, er ist
der Baum der Bäume. Daneben aber erscheint auf
den Samarkandteppichen gern die japanische Sönnern
scheibe, einzeln oder verstreut, oder das aus zwei
links und rechts gewendetenWellenkämmen gebildete
Wappen von Korea (G. Ströhl, Japanisches Wappen*
buch, S. 150, Fig. 273a). Die Ecken und Rahmen an
diesen Teppichen füllt sehr glücklich mäanderartiges
ähnlich der kufischen Quadratschrift rechtwinkelig
gebrochenes Streifenwerk (Kakuji), dessen Ursprung
in den Zeichen der altchinesischen um 800 v. Chr.
unter dem Kaiser Hsuanwang aufgekommenen Tas
tswan* und in der zeitlichjüngeren San*fan*ta*tswan*
Zierschrift zu suchen ist.
Unserjagdteppich, welcher um 1580 in einer für den
persischen Hof arbeitenden Manufaktur entstanden
sein dürfte und der Überlieferung zufolge 1698 vom
Zaren Peter dem Kaiser Leopold verehrt worden ist,
zeigt den Versuch, einenTiergarten (Ha’ith) mit seinem
Wieswachs naturalistisch darzustellen, wenn auch
selbstverständlich stilisiert.
Doch nicht diesem Wunderwerke altmorgenländi*
scherTeppichweberei an sich, sondern der Bekleidung,
Bewaffnung und sonstigen Ausrüstung von Mann
und Roß der auf ihm ersichtlichen vornehmen und
recht realistisch aufgefaßten Jagdgesellschaft wollen
wir unsere Aufmerksamkeit im besonderen zuwenden.
Seinem bildlichen Inhalt nach zerfällt der Teppich
in zwei nach seiner Längsachse orientierte, im wesent*
liehen sich gleichende Hälften. Jede dieser Hälften
scheidet sich wieder in zwei nach der Querachse

des Teppichs gestellte Halbscheiden. In jedem dieser
so gewonnenen Viertel sind die Jäger und die Tiere
so angeordnet, daß sie dem in der Mitte des Teppichs
Platz nehmenden und mit dem Gesichte der schmalen
Seite zugewendeten Beschauer in jeder Hälfte in
ihrer natürlichen Stellung erscheinen. Also: Die
Köpfe oben, die Füße unten. Scheinbar ganz will*
kürlich verteilen sich die Jäger und das Wild —
Antilopen, Wildschafe oder Steinböcke, Hasen, Wilds
esel, Wildschweine, Vögel, Schakale und Wölfe, aber
auch Hyänen, Panter und der kurzmähnige persische
Löwe — über das Innenfeld des Teppichs. Bei ge*
nauerem Zusehen bemerkt man jedoch bald, daß
dieses scheinbar wirre Durcheinander doch ein wohl*
geordnetes Neben* und Hintereinander ist. Es glie*
dert sich nämlich in neun zu den Schmalseiten des
Teppichs parallel laufende Streifen, wobei die von
dem im Stern des Teppichs stehenden Beschauer
räumlich entfernteren, also „weiter hinten“ von ihm
sich abspielenden Szenen übereinander angeordnet
erscheinen, ohne jedoch die Gesetze der Perspektive
zu berücksichtigen. Den ersten und zweiten Streifen
in jeder Hälfte nehmen je zwei Reiter ein. Im dritten,
vierten und fünften dringen je vier, im sechsten und
siebenten je fünf Jäger auf das Wild ein. Den achten
Streifen nehmen zwei Reiter ein, während im Zwickel
des neunten ein Reiter sozusagen das ganze dargestellte
Jagdbild krönt. Aus dem Wirrsal des Rankenwaldes
heben sich mithin auf der Fläche des ganzen Teppichs
achtundfünfzig Reiter und vier Fußknechte heraus.
Die Mitglieder der Jagdgesellschaft tragen durch*
wegs mächtige Turbane, verziert mit dem Reiherstutz
oder der Straußfeder; nur ganz vereinzelt dient beides
demselben Turban zum Schmuck. Die zum Knöpfen
eingerichteten Schlußröcke reichen fast bis zu den
Knieen der Reiter herab. Vereinzelt tritt auch eine
kamisolartige Überweste auf, welche ihrer Färbung
nach vielleicht aus Leder genäht war, obwohl be*
tont werden muß, daß sich der Künstler bei der
Färbung aller Jäger und Pferde die größte Freiheit
gestattete, dabei nur das dekorative Moment berück*
sichtigte, wie man auch aus der Art der Handhabung
der Waffen durchaus nicht darauf schließen darf, daß
die vornehmen Perser alle Linkshänder gewesen seien.
Die Oberschenkel stecken in engen Hosen, die Unter*
Schenkel in über die Kniee reichenden Strümpfen,
welche unter den Knieen von farbigen, zu einer Masche
geschürzten Strumpfbändern gehalten werden. Nur
ein einziger Reiter trägt eine Pluderhose. Die hüße
stecken in niederen, spitz zulaufenden Schuhen.
Was die Bewaffnung anbelangt, so führen vier
Reiter und zwei Fußknechte den Pallasch (Kaddara)
 
Annotationen