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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 9.1921/​1922

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Heft 1
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Gessler, Eduard Achilles: Der Topfhelm von Küssnach
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https://doi.org/10.11588/diglit.44571#0041

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HEFTI EDUARD A. GESSLER, DER TOPFHELM VON KÜSSNACH

25

Diese war innen völlig ausgepolstert. An ihren
durchlöcherten Rändern war die Halsberge aus
Maschenpanzergeflechtbefestigt. Sie deckte Schultern
und Hals, ließ dagegen das Gesicht frei. DerTopfhelm
wurde erst bei Beginn eines Kampfes über die Hirn«
haube gestülpt. Dann lag das Scheitelstück des Hehns
auf dieser auf, während die Seiten ihren Halt auf
den Achseln fanden. Verschiedene Nietknöpfe über
dem Sehspalt deuten auf eine Fütterung im Innern,
um eine zu starke Reibung mit der Hirnhaube zu
vermeiden. Nietlöcher befinden sich auch hinten
und in der Scheitellinie oben. Auf der Wölbung der
Glocke ist ein Verstärkungsstück in der Gestalt eines
doppelten Schwalbenschwanzes aufgenietet und in
dessen Mitte ein viereckiger Klotz, der mit einer
rechteckigen Öffnung durchlocht ist. Er zusammen
mit den Doppellöchern dahinter diente wohl zur
Befestigung der Helmzierde, des Zimiers. Von einer
Ergänzung der fehlenden Stücke dieser überaus inter«
essanten Schutzwaffe aus der Zeit der Gründung der
schweizerischen Eidgenossenschaft wurde abgesehen,
da ihr heutiger Zustand völlig genügt.
Die Maße der Rekonstruktion dürften mit den
ehemaligen des noch unverletzten Helmes ziemlich
genau übereinstimmen. Sie mögen hier folgen:

Scheitelhöhe vom Unterrand seitlich . . 29 cm
„ „ „ vorne . . . 34 „
„ „ „ hinten . . . 28 „
Breite unten seitlich quer.22 ,,
Länge von hinten nach vorn, in der Mitte 36 ,,
Umfang am Rand unten.31 „

Gewicht einschließlich des nicht abnehmbaren Draht«
geflechts 1 kg. 805 gr.
Die Entstehungszeit des Topf heims (Kübel«, Stech«,
Faßhelm, Helmfaß) von Küßnach muß vor 1352
angesetzt werden, also vor der Zerstörung der Burg.
1302 saß Ritter Eppo auf der Veste, 1347 bis 1352
urkundet sein Sohn Hartmann; einem von diesen
beiden wird wohl diese ritterliche Kopfbedeckung
gehört haben, denn man wird kaum annehmen dürfen,
daß ein Dienstmann oder Knecht dieser Herren einen
Helm trug, den nur solche führten, die berechtigt
waren, ein Zimier aufzusetzen, also Ritterbürtige.
Wir gehen daher nicht fehl, wenn wir den bespro«
chenen Helm als im zweiten Viertel des 14. Jahr«
hunderts gefertigt betrachten. Seine Form mit dem
gewölbten Gupf sticht von dem im 13. Jahrhundert
üblichen Topfhelm mit flachem oder nur schwach
von einem Bekrönungsband ansteigenden Dach

ziemlich stark ab, so daß wir in dieser Schutzwaffe
doch schon eine Form vor Augen haben, die mit den
authentischen und datierbaren Helmen aus der zweiten
Hälfte und dem Ende des 14. Jahrhunderts nah ver«
wandt ist und eine ausgebildete Schutzwaffe darstellt,
die gegen den früheren Helm konstruktiv im Aufbau
verschieden ist. So bildet der Helm von Küßnach
ein Mittelglied in der Entwicklung der Helmform
vom Ende des 13. und Anfang des 14. Jahrhunderts
bis zu den erhaltenen Stücken aus der zweiten Hälfte.
Es liegt außerhalb des Rahmens dieser Arbeit,
die Entstehung und Entwicklung des Topfhelms im
13. und 14. Jahrhundert darzustellen, zudem ist neuer«
dings von Sir Guy Francis Laking diese Frage in
klarer Darstellung gelöst worden?) Die sonstige
Literatur in den Handbüchern und Werken über
Waffenkunde, sowie die hauptsächlichsten Beschrei«
bungen in Katalogen der Sammlungen und seltenen
Auktionen, darf wohl im allgemeinen als bekannt
vorausgesetzt werden. Sichere authentische Topf«
helme, die durch ihre Konstruktion als wirkliche
Kriegswaffen erwiesen werden und die dem von
Küßnach entsprechen, sind vor der zweiten Hälfte
des 14. Jahrhunderts dem Verfasser nirgends bekannt.
Laking läßt sich darüber im folgenden aus: (S. 266 ff.)
„It is a stränge fact that, notwithstandig the sur«
vival of a certain number of conical helmets of the
XI th and XII th centuries, and of a fair series of
bascinets of various years of the XIVth Century, not
a single genuine specimen of the large heim is known
to us that can be dated anterior to about 1370, and
that of these late XIVth Century heims we can in«
stance five known examples only.“ Wenn man die
Überreste des Helmes von Küßnach in ihrem Fund«
zustande sah, begreift man, warum so wenige Topf«
helme auf uns gekommen sind. Ein Topf heim, wel«
eher aus verschiedenen Stücken zusammengesetzt ist,
geht natürlich schneller zu Grund als eine Becken«
haube, die aus einem Stück getrieben oder nur aus
zweien zusammengeschmiedet ist. Je früher zeitlich
die Topfhelme fallen, aus je mehr Stücken bestehen
sie. Die Zusammensetzung verschiedener Eisenplat«
ten durch Vernietung erleichtert natürlich bei Boden«
funden den Zerfall ganz bedeutend. Bei der Schwere
der Platten brechen bei der Verrostung die Nieten
leichter. Wenn eine zerstört wird, folgen die andern
bald nach, die Form löst sich in die einzelnen Platten
auf und wird, besonders noch durch den Druck der
Erdmassen, unkenntlich.

5) A. Record of European Armour and Arms through seven
Centuries, by Sir Guy Francis Laking, Bart C. B., M.V. O.,
F. S. A. Late Keeper of the Kings Armoury, with an introduction

by the Baron de Cosson, F.S. A.Vol. I. London, Bell and Sons.
Ltd. 1920 (erschienen B. 1. bis 3. Weitere zwei in Vorbereitung)
329 Illustrationen nach Photographien. S. S. 266—86.
 
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