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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 9.1921/​1922

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Heft 1
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https://doi.org/10.11588/diglit.44571#0052

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36

LITERATUR

BAND 9

Durchsicht der im Archive zu Frankfurt a. M. vorhandenen
Stadt Frankfurter Rechnungen, die vom Jahre 1348 ab in ge»
schlossener Reihenfolge bis zur Neuzeit erhalten sind, stellt
aber die Köhler und dessen Nachfolgern unbekannt gebliebene
Tatsache fest, daß in dieser Stadt schon vor dem Jahre 1348
und augenscheinlich schon längere Zeit vorher, die Feuers
waffe in größerem Umfange im Gebrauche gewesen ist.
Diese Waffen waren von Frankfurter Meistern aus Bronze ge»
gossen und es wurden von ihnen gleiche Feuerwaffen in der
Folge dauernd weiter aus Bronze hergestellt Die Nachrichten
hierüber sind so zahlreich, daß sich auch die Entwicklung der
Waffe an ihnen schrittweise verfolgen läßt. Ferner enthalten
die Rechenbücher der kleinen Stadt Naumburg a. d. Saale,
die ebenfalls vom Jahre 1348 an erhalten sind — wenn auch nicht
in ganz geschlossener Reihenfolge — schon in diesem ersten
Jahre und dann in der Folge weiter ganz bestimmte Angaben
über Feuerwaffen im städtischen Besitze. Die Annahme Köhlers,
daß in Deutschland für die Zeit von 1346—1356 Feuerwaffen
überhaupt nicht nachweisbar waren, ist mit den Rechenbüchern
von Frankfurt und von Naumburg bündig widerlegt. Die Vers
öffentlichung einer abgeschlossenen Untersuchung hierüber ist
bei deren Umfange durch die Zeitumstände, die der Kosten
wegen eine Drucklegung verbieten, jetzt nicht möglich, auch
nicht die einer beweisführenden Berichtigung der Liste der
Orte, für welche die Feuerwaffe als in bestimmten Jahren nach*
gewiesen angesehen wird. Kurz sei nur auf einzelne Angaben
in der Reihenfolge von Geßlers Anführungen hingewiesen, die
gerechte Bedenken gegen die Richtigkeit bisheriger Annahmen
aufkommen lassen.
Zu 5. Die Handschrift des Milimete 1326. Erste bildliche
Darstellung einer Feuerwaffe. Es müßte der Nachweis geliefert
werden, daß auch die Zeichnung am Schlüsse der Handschrift,
die mit dem Inhalte derselben in gar keinem Zusammenhänge
steht, tatsächlich ebenfalls aus diesem Jahre entstammt.
Zu 6. England 1397. Die „Krakys of war“ sind in Nichts
als Donnergeschütze nachgewiesen. Sie sind als Donnergeschosse
anzusprechen.
Zu 7. Die Nachricht über datierte Geschütze von 1330 in
Ingolstadt ist so allgemein gehalten, leidet an solcher innerlichen
Unwahrscheinlichkeit, daß sie als unrichtig anzusehen ist.
Zu 12. Es ist keinerlei Anhalt für die Gleichzeitigkeit des
Pulverrezeptes und der Münchener 1338 datierten Hands
Schrift gegeben. Der Wortlaut des Rezeptes, das von zwei
Kohlensorten spricht und das Abfeuern der Büchse mit einem
Loseisen erwähnt, deutet mit Sicherheit auf eine weit jüngere
Zeit als auf 1338.
Zu 14. Brügge 1339. Die mit Armbrüsten bewehrten Karren
führten ebenso den Namen „ribaude“ wie später die mit
Büchsen bewehrten Karren. Der Name allein beweist also
nichts für das Vorhandensein von Feuerwaffen.
Zu 18. Das Freskobild zu St. Leonardo di Lecetto soll eine
Büchse aus dem Jahre 1340 darstellen. — Die Quittung über
ein in diesem Jahre gefertigtes Bild ist erhalten. Aber sie kann
sich nur auf ein inzwischen verschwundenes älteres Bild an
gleicher Stelle beziehen. Es läßt sich an den Einzelheiten der
auf dem Bilde dargestellten Rüstungen nachweisen, daß diese
einer Zeit um etwa 1450 angehören. Das Geschütz selber ist
eine Steinbüchse mit einer Fluglänge wie sie keinesfalls vor
1430 vorgekommen sein kann. Das Bild ist also an 100 Jahre
jünger wie die erhaltene Quittung und hat für Feuerwaffen
um das Jahr 1340 keinerlei Beweiskraft.

Zu 21. Algesiras 1342 ist durch Romoczkis Ausführungen als
Geschütz widerlegt; es handelte sich um Donnergeschosse.
Zu 25. Petrarca vor 1344. Die Abhandlung „de remediis
utriusque“ ist erst in der Zeit zwischen 1353 und 1365 gc
schrieben. Sie hat also mit der frühesten Zeit nichts zu tun.
Zu 29. Crecy 1346 ist das Musterbeispiel einer allgeglaubten
Mythe.
So bleiben denn von den 24 vor Aachen 1346 genannten
einschließlich der schon von Geßler angezweifelten Zeugen
nur 8 als glaubwürdig übrig. Und von 1348 ab ist Deutschs
land durch eine ununterbrochene Reihe von Nachweisen ver»
treten — durch die Frankfurter und die Naumburger Rechs
nungen — wo bei den übrigen Ländern nur mehr oder weniger
vereinzelte Zeugnisse vorliegen. Wichtig ist auch für die in
Deutschland ganz allgemein verbreitete Kenntnis der Wirkung
der Feuerwaffe die unter 31 eingeführte Handschrift des Conrad
von Megenberg aus dem Jahre 1349, die in Deutschland für
Deutsche geschrieben, das blitzschnelle Herabschiessen der
Schlangen auf ihre Opfer mit dem Schüsse aus der Büchse
vergleicht. — Wenn sich auch nicht aufrecht erhalten läßt, daß
die Feuerwaffe in Deutschland erfunden worden ist, so geht
doch das älteste sichere Zeugnis für die Feuerwaffe von 1331
auf die deutschen Ritter zurück und kein anderes Volk hat so»
viel für die Ausbildung der Feuerwaffe getan, wie das Deutsche,
vertreten durch seine Büchsenmeister. — Eine artilleristische
Literatur ist bis zum letzten Viertel des 15. Jahrhunderts einzig
und allein in Deutschland vorhanden Bis zum Beginne des
19. Jahrhundert schreiben — von vereinzelten Ausnahmen ab»
gesehen — alle Schriftsteller des Auslandes Deutschland die Er»
findung der Feuerwaffe zu. Dann erst macht sich die von Frank»
reich ausgehende Schulmeinung von dem maurisch»spanisch»
italienischen Ursprünge der Feuerwaffe geltend. Sie ist bis jetzt
ebenso unbewiesen und wohl auch unbeweisbar wie der
Satz, daß Deutschland allein als Geburtsstätte der Feuerwaffe
anzusehen sei. Nach dem heutigen Stande unseres Wissens
läßt sich nirgendwo ein erster Anfang mit Sicherheit fest;
stellen. Wie Pest, Judenverfolgungen, Veitstanz, Flageianten
in einzelnen Jahren — wie 1348 — in ganz Europa zu gleicher
Zeit auftreten, so erscheint auch scheinbar ohne jeden vor»
bereitenden Übergang die Feuerwaffe allerwärts in denselben
Jahren. Derselbe Vorgang wiederholt sich später bei dem
Aufkommen der Steinbüchse. — Gohlke hat wohl den richtigsten
Ausdruck dafür gefunden „die Feuerwaffe kam, als ihre Zeit
erfüllet war, d. h. als die Wissenschaft sie vorbereitet hatte
und die Technik imstande war ihren Winken zu folgen.“ Aber
trotzdem gilt es, diesen Fragen dauernd weiter nachzugehen,
und das ist die Aufgabe der Einzelforschung. Vielleicht gelingt
doch, so wenig es auch wahrscheinlich ist, noch eine Klar»
Stellung dieser Frage. Die geschichtliche Wahrheit fordert aber
außerdem auch die gegenseitige Beeinflussung aller Orte und
Länder bei der Entwicklung der Feuerwaffe in ihrem langen
Werdegange nachzuweisen. Was die Einzelforschung für schöne,
reiche Erfolge erzielen kann, zeigt die so mustergültig durchs
geführte Arbeit Geßlers, mit der er um die Schweizer»Landes»
geschichte sich gleiches Verdienst erworben hat wie um die
Klärung vieler Fragen der Waffengeschichte.
Bernhard Rathgen
Martin Jahn, Der Reitersporn, seine Entstehung und früheste
Entwickelung; Mannus Bibi., herausg. v. G. Kassinna Nr. 21,
Verlag von Curt Kabitzsch, Würzburg.
Der von mir Z. H.W. K. 8,93 besprochenen großzügigen
Arbeit M. Jahns über die Bewaffnung der Indogermanen
 
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