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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 9.1921/​1922

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Heft 2
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Auktionsberichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.44571#0097

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HEFT 2

AUKTIONSBERICHTE

verschlafenen „K. K. Zentralkommission für die Erforschung und
Erhaltung der Kunst» und historischen Denkmale in Österreich“,
welche Kommission allerdings in den letzten Jahren der Vor»
kriegszeit mehr den Charakter einer Generalagentie zur mög»
liehst erschöpfenden und wolfeilen Beschaffung von „Alter»
tümern“ für die Schlösser des Thronfolgers angenommen hatte,
welche Behauptung ich mit dem.Hinweis auf das famose Fahn»
dungsschreiben stütze, die St. Georgsstatuen betreffend. Dieser
Zentralkommission zur Erhaltung geschichtlicher Denkmäler
hatte auch Herr Dr. Buberl als Sekretär angehört. Aus diesem
Gegensatz zwischen einst und jetzt ersieht der Unbefangene,
daß die Zweiseelentheorie auch in den österreichischen Am»
tern praktische Anhänger findet, das Amt immer auf den Mann
abfärbt. Aber der bodenständige Österreicher wundert sich
über gar nichts mehr. Er weiß, daß Österreich das Land der
möglichen Unmöglichkeiten war, ist und es bleiben wird,
wie ja die neuen Gewalthaber ihren Mangel an wahrer innerer
Kultur dadurch offenbarten, daß ihnen in ihrer lakaienhaften
Liebedienerei gegenüberden „Siegern“, vor allem gegen unseren
„ritterlichen“ ungetreuen Bundesbruder der ererbte Kunstbesitz
Österreichs nichts gilt, Österreich ihnen so viel wie ein Bazar
ist, über welchem sie am liebsten zur Anlockung aller aus»
ländischen Schieber das Schild „Gänzlicher Ausverkauf“ an»
brächten. Zweitens nennt zum erstenmal der Katalog die Sach»
verständigen des Dorotheums für die Bewertung von alten
Waffen. Es sind dies: Herr Regierungsrat Dr. Camillo List,
Vorstand der Waffensammlung am kunsthistorischen Museum,
und Herr Julius Scheurer, ein alter in den Kniffen und Pfiffen
dieses Zweiges des Kunsthandels wohlbewanderter Praktikus.
Die dritte, gewiß von sehr vielen, besonders den auswärtigen
Sammlern beifällig begrüßte Neuerung, welche nicht ohne
günstigen Einfluß auf die Beteiligung an den Versteigerungen
bleiben dürfte, ist das dem Katalog beigegebene „Verzeichnis
der Schätzungspreise“. Dieses macht Herumfragen überflüssig.
Ausländischen Sammlern diene zur Kenntnis, daß der Ausrufs»
preis immer etwa der Hälfte des Schätzungspreises entspricht-
Ich will diesmal nicht in die Einzelheiten des Kataloges
eingehen. Bemerken will ich aber doch endlich einmal, daß
die allgemeine Fassung „Koraninschrift“ im einzelnen Fall
richtig sein kann, aber nicht immer richtig sein muß. Häufig
— auf den Handjarklingen fast immer — nennen uns die
Schriftbänder den Erzeuger, den ersten Eigentümer der Waffe,
den Ort und das Jahr ihrer Verfertigung, Hinweise, welche,
so karg sie auch sein mögen, mitunter für die Bewertung einer
Waffe recht bedeutungsvoll werden können. Muß man aus
Sparsamkeit von der Übersetzung dieser Schriftbänder absehen,
so empfiehlt es sich, statt des irreführenden Ausdruckes „Ko»
raninschrift“ das Wort „Schriftband“ zu setzen, unter welchem
Begriff sich ein jeder das denken kann, was er will. Ferner:
Warum Herr Scheurer neuerdings für die Belederung von
Scheiden den nach Wüstenromantik riechenden Ausdruck
„Kamelhaut“ einzubürgern versucht? Gegerbtes Leder hörte
ja auf „Haut“ zu sein, und das gekörnte Chagrinleder an
den Scheiden morgenländischer blanker Waffen wird doch
hauptsächlich aus dem Rückenstück von Pferde» (Esels»)
häuten gewonnen. Was ich oben von der Bezeichnung „Koran»
inschrift“ sagte, möchte ich auch auf die Meisternamen und
die Wappen auf japanischen Waffen ausdehnen. Meistername
und Wappen beweisen zwar an sich gar nichts, weder für das
Alter noch für die Echtheit eines Gegenstandes des japanischen
Gewerbefleißes, weil der Japaner sich noch auf jedem Felde
menschlicher Tätigkeit als ein rücksichtsloser und raffiniert

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geschickter Nachahmer bewährt hat. Sind aber Meistername
und Wappen einmal da, so sollte man es doch versuchen,
wenigstens die Wappen festzustellen. Mit Hilfe des Ströhlschen
Wappenbuches wird dies häufig gelingen. So zeigte beispiels»
weise Nr. 373 das Wappen des Daimyos Hotta, Nr. 374 das»
jenige des Fürsten Akimoto, der Pfeilköcher (Nr. 542) die in
vier Teile zerlegte Raute im Ring, das Wappen des Daimyos
Matsumae. Man wird mir einwenden, für den modernen kauf»
kräftigen Kunstpöbel bedürfe es dieser mühsamen Sorgfalt gar
nicht, die er so nicht zu würdigen verstünde; für dieses Publi»
kum sei das Schlechteste noch immer viel zu gut. Darauf ent»
gegne ich: Ein nach jeder Richtung hin möglichst erschöpfend
gearbeiteter Katalog ist mit eine der Grundbedingungen für
den Erfolg einer Versteigerung. Nicht jeder Sammler wurde
unter den Nachwirkungen des Krieges aus der Masse des Pöbels
emporgeworfen. Es gibt, Gottsei Dank, noch immer feinsinnige
Liebhaber von Werken alter Kunst, wenn sie auch augenblick»
lieh von den neuen Reichen an die Wand gedrückt wurden.
Diese Sammler alten Schlages sind jedoch auch Kritiker, die
vor allem wissen wollen was sie kaufen. Über diesen Punkt
hat dem Sammler jedoch der Katalog die erschöpfendste Aus»
kunft zu geben, der Sammler muß sich auf den in seiner Hand
befindlichen Katalog völlig verlassen können. Dieser Forderung
beginnen auch in Wien die großen Kunsthandlungen langsam,
besonders bei Gemälden, Bronzen u. dergl. Rechnung zu tragen.
Warum also gerade bei der Waffe nicht, nach Gottfried Semper
dem stilvollsten kunstgewerblichen Gegenstand, weil bei der
Waffe der Zweck stets die Form bestimmt habe? Es erweckt
dies den Anschein, als wüßten sie mit der Waffe an sich nichts
Rechtes anzufangen, als sei ihnen diese nicht mehr als was sie
meist dem Tapezierer ist: ein Mittel zum „Dekorieren“.
Das Kuriosum und zugleich als ein Beweis für die fort»
schreitende Entwertung der österreichischen Krone sei erwähnt,
daß dieser Katalog mehrere Stücke anführt, welche elf Monate
vorher mit der Sammlung des Fürsten Windischgrätz unter
den Hammer gekommen waren. So die „altorientalische Kopf»
haube“, mit welcher sich vier Sammler angeschmiert hatten.
Dann die Hundsgugel (Nr. 25), welche im November 1919 mit
380 K., heute mit 1000 K. bezahlt worden war; ferner der böse
Prunkschild, für welchen früher 1700 K„ heute 4000 K. gegeben
wurden, während die sehr dekorativ wirkende Helmbarte (da»
mals Nr. 175, jetzt Nr. 588) es von 400 K. auf nur 550 K.
brachte, wogegen die falsche Harnischbrust (damals Nr. 40,
jetzt Nr. 31) von 550 K. auf 1300 K. stieg. Ein in Hagen (West»
falen) geschmiedeter Massaispeer, für welchen in der Berliner
Kolonialausstellung (1896) 15 M. bezahlt worden waren, der
im April 1920 mit 450 K. versteigert wurde, brachte im Oktober
desselben Jahres 1100K. ein. Das nur als Stichprobe für die
Aufnahmefähigkeit des Publikums. Eine possierliche Zusammen»
stoppelung war Nr. 103, die Lanze mit dem durch aufgenageltes
Schnitzwerk herausgeputzten Schaft: In die Tragstange einer
Kirchenfahne, eines „Himmels“ war eine Degenklinge gestoßen
worden; dennoch schien dieses ausbündig armselige Machwerk
einem Liebhaber 300 K. wert zu sein. Nicht wesentlich besser
war die Donnerbüchse (Nr. 375), für welche doch 950 K. be»
zahlt wurden. Dagegen zeichnete sich die vielleicht für die
Wiener Weltausstellung (1873) gearbeitete „Nachbildung einer
Radschloßbüchse“ (Nr. 376) durch ganz hervorragend schöne
Arbeit aus, brachte es gleichwohl nur auf 2500 Kr. Um den
Spottpreis von 1250 Kr. mußte das reizende Flaubertgewehr
losgeschlagen werden, dessen reiche und schwungvoll gezeich»
nete Einlagen — Weinranken — in Silber die Hand eines
 
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