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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 9.1921/​1922

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Heft 2
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Auktionsberichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.44571#0098

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AUKTIONSBERICHTE

BAND 9

Meisters verrieten. Warum aber die Pistolen (Nr. 380) als ,,abes«
sinisch“ bezeichnet worden waren? Sie hatten mit Abessinien
gar nichts zu tun, waren vielmehr in Afiun (Kleinasien) er«
zeugter Exportkitsch. Trotzdem erreichte dieser Ausschuß aus
dem Bazar von Brussa, Konstantinopel 2000 Kr.; auch der
prächtige Krummdolch (Nr. 101) war nicht indischen, sondern
ausgesprochen arabischen Ursprunges (4000 Kr ).
Meines Erinnerns sind es jetzt zwanzig Jahre her, seit eine
Wiener Kunsthandlung zum letztenmal eine beachtenswertere
Sammlung von Waffen zum Verkauf gebracht hatte. Damals
(1901 und 1906) waren dies die Sammlungen des Grafen Szirmay
(Z. H.W.K. II, 47) und des Prinzen Henri de Bourbon, welche
E. Flirschlertx Co. versteigert hatten. Im Dezember v. Js. brachte
Leo Schidlofs Kunstauktionshaus wieder eine Waffensammlung
auf den Markt. Es waren allerdings nur 73 Stücke, davon 50
morgenländischen Ursprunges. Aber nicht der Umfang, sondern
der innere Gehalt bestimmt den Wert einer Sammlung. Jener
war, besonders was die türkischen und persischen Dolche an»
belangt, ein sehr guter. So verzeichnete der ebenfalls von Julius
Scheurer verfaßte Katalog drei Bidenhander, darunter einen
des BrescianerTyps, eine Arbeit des Belluneser Klingenschmiedes
Andrea Ferrara (1530—1583), einen sehr guten Anderthalb«
händer und einen Stoßdegen mit einer aus dem Knauf heraus«
wachsenden Auf legegabel, wie eine solche seltene Waffe Graf
Wilczek in seinen „Erinnerungen eines Waffensammlers“ (1903)
auf S. 17 abbildet und — wohl zu früh — der Mitte des 15. Jahr«
hunderts zuschreibt. Unter den Stangenwaffen möchte ich die
im Katalog als Reisspießeisen bezeichnete, reich, angeblich mit
Gold eingelegte Klinge eher für ein Ringelrenneisen, bestimmt
für die Quintana, das Karussell, ansprechen; es ging für
12 500 Kr. in den Besitz eines Wiener Sammlers über. Die ,,tür«
kischen Helme“ waren eigentlich Hirnhäubel, so recht die
ausgesprochenen „Glatzendeckel“, wie solche die ungarischen
Panzerstecher im 17. Jahrhundert trugen, wie sie uns nicht nur
Abraham a Sancta Claras „Neueröffnete Weltgaleria“ (Nürn»
berg, 1703) überliefert, wie sie uns auch Demmin (Kriegswaffen,
S. 460), Diener«Schönberg (Die Waffen der Wartburg, 111,12),
endlich v. Lenz (Die Waffensammlung des Grafen Scheremetew,
VI, 196, 201) abbildet und wie solche 1917 bei Lepke (Samm«
lung v. Kolasinski, Warschau) mit etwa 60 M. bezahlt worden
waren, während sie jetzt in Wien 4275 und 3600 K. einbrachten.
Ein entschiedener Mißgriff war es, aus nicht zueinander ge«
hörenden Teilen eine indopersische Harnischgarnitur kompo«
nieren zu wollen, da bestenfalls vielleicht der Helm und die
Armschienen zueinander paßten. Nicht nur die Aufmerk«
samkeit der durch aufdringliche Äußerlichkeiten leicht zu
blendenden neuen Reichen, des auf Gewinn erpichten Händler«
häufens, sondern auch diejenige des ästhetisch empfindenden
Kenners erweckten die durch charakteristische Typen der na«
tionalen Formen, durch ihre geschmackvolle Ausstattung her«
vorragenden Vertreter asiatischer Dolche, während die Aus«
stattung der wenigen Handfeuerwaffen einen etwas barbarischen
Geschmack verriet. Wohl ihrer unscheinbaren Gestalt wegen
fast unbeachtet blieb eine mit geätzten Wellenranken geschmückte
türkische Kesselpauke, ein Stück, wie mir ein solches noch
nie auf dem Wiener Kunstmarkt vorgekommen ist, das 2250 K.
erzielte.
Die Kauflust war sehr rege, die Preise ungleich höhere
als sie sonst im Dorotheum für Waffen geboten zu werden
pflegen. Ich werde nicht weit vom Ziel treffen, wenn ich den
Erlös für die Gruppe „Waffen“ mit 307 000 Kr. berechne, wäh«
rend der Gesamtertrag dieser Versteigerung die Riesensumme

von 19 307677 Kr. ausmachte — auch ein Zeichen unserer an
den tollsten Widersprüchen so überreichen Zeit. Die zuerst
angegebene Summe verteilt sich folgendermaßen: Sturmhauben
(Kasketts, Zischäggen), wie mit solchen noch die kaiserlichen
Dragoner im Feldzug gegen die Türken 1788 besonders aus«
gerüstet worden waren, wurden mit 1000—1350 Kr. bezahlt;
jeder der Bidenhander erreichte 10 687 Kr., ein Anderthalbhänder
14062 Kr.; der Stecher mit der Auflegegabel, wie der schöne
Korbdegen brachten je 11 250 Kr. ein. Ungewöhnlich hoch gingen
die Preise für Stangenwaffen: Die geätzte Weibelhelmbarte
wurde um 14000, die venetianische Glefe um 10125 Kr. los»
geschlagen. Die orientalischen Dolche erreichten bis zu 11 000 Kr.
das Stück. Entschieden weit überzahlt wurden der verunglückt
ausgebesserte Jagdkarabiner mit 8000 Kr., die türkische Büchse
mit 4000 Kr., die Pistolen mit 5000—8000 Kr., das persische
Spießeisen mit 1200 Kr., der eiserne Wurfspieß mit 1100 Kr., für
dessen Bruder (Nr. 308) im November 1918 im Dorotheum
100 Kr. gegeben worden waren.
So zerstreute sich wieder ein Stück einheimischen Kunst«
besitzes unter der Not ums tägliche Brot in alle Welt. So
betrüblich das an sich auch ist, es versöhnt uns damit das
Bewußtsein, daß ein großer Teil gerade der zuletzt hier gewür«
digten Sammlung, wenn auch nach Amerika, so doch in Freun«
deshände kam. Otmar Baron Potier
Kostümsammlung Carl Seiler. Am 1. und 2. Juli 1921 fand
in der Galerie Hugo Helbing in München die Versteigerung des
künstlerischen Nachlasses Professor Carl Seiler, München statt.
Darunter befand sich an erster Stelle eine umfangreiche Kostüm«
Sammlung, die aus 113 Kostümgegenständen und 85 Uniformen
bestand. Die meisten von ihnen sind aus den zahlreichen
Rokokointerieurs, die Seiler als eine liebevoll gepflegte Spezia«
lität malte, bekannt.
Die Kostüme setzten sich überwiegend aus Herrengarderobe
zusammen und zwar ausschließlich aus solcher des 18. Jahr«
hunderts. Die Damenkostüme waren geringer an Anzahl und
minderwertiger an Qualität. Leider waren aber auch gerade
einige der selteneren Herrenkostüme der ersten Hälfte des
18. Jahrhunderts trotz des guten Schnittes und des — zu gut«
erhaltenen Stoffes keine Originale, sondern geschickt herge«
stellte Nachahmungen. Aber dank der günstigen Mischung der
Interessenten '— Maler, Händler, Kostümverleihanstalten und
Museen — gingen auch diese, wenn auch zu reduzierten Preisen,
zwischen 250—950 Mk. ab. Das schönste Kostüm, ein Just«au«
corps«anzug aus wundervollem pfirsichfarbenen Samt (Nr. 13)
erwarb um 4000 Mk. ein bekannter Münchener Händler. Das
Bayerische Nationalmuseum erwarb einen grün«weißen Chan«
geantfrack um 1770—1780 um 350 Mk., einen sehr schönen
Herrenanzug aus gestreifter Seide mit Blumengirlanden um
1770—1780 um 1400 Mk. und einen einfachen, aber charakte«
ristischen Bauernanzug aus grobem Tuch aus der ersten Hälfte
des 17. Jahrhunderts um 600 Mk. Auch das Thüringer Museum
erwarb zwei Exemplare: einen Galafrack aus blau«schwarzem
Tuch um 1780 für 500 Mk. und einen ebensolchen aus sand«
farbenen Tuch um 700 Mk. Weitere bessere Stücke waren ein
reichgestickter, goldgelber Seidenanzug um 1750 (leider nicht
im besten Zustand) für 1010 Mk., ein gestickter Galafrack um
1770—1780 für 1150 Mk., ein Frack aus lichtgrünem Ripsplüsch
für 1100 Mk., ein Morgenrock aus lavendelblauem Damast um
1750 für 720 Mk. und schließlich ein Herrenschlafrock aus
kupferrotem Seidendamast mit großen Ranken, zweite Hälfte
des 18. Jahrhunderts für 1750 Mk.
 
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