Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 9.1921/​1922

DOI Heft:
Heft 3
DOI Artikel:
Rathgen, Bernhard von: Frankfurter Prunkgeschütze und ihre Meister
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44571#0105

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
BERNHARD RATHGEN, FRANKFURTER PRUNKGESCHÜTZE UND IHRE MEISTER

HEFT 3

85

Büchsenmeister Heinrich Brodermann und Christian
Cloit. Deren Vorgängerin war 250 Ztr. schwer, 1437
von dem Letztgenannten im Verein mit dem eben*
falls als städtischen Büchsenmeister bediensteten
Christgin Duisterwalt gegossen worden.
Frankfurt am Main war Anfang des 16. Jahr*
hunderts eine der Stätten der Blüte deutscher
Kunst, des deutschen Kunstgewerbes.
Drei dortige Büchsenmeister dieser Zeit sind uns
genau bekannt: Meister Stephan, Meister Simon
und Conrad Gobel. Nicht nur durch die Urkunden
im Städtischen Archive, sondern ganz besonders
durch auf uns überkommene Erzeugnisse ihrer
Werkstätten, durch Geschütze und Glocken, diese
Wortverkünder der irdischen und der himmlischen
Gewalt. Anfangs waren die Rohre der Geschütze
ebenso wie die Glocken, ohne äußeren Schmuck,
rein auf das praktische Bedürfnis hin geformt worden.
Doch künstlerischer Sinn drängte darauf, auch
äußerlich zu zeigen, welche Mühen, welche Kunst*
fertigkeit, welches Wissen und Können zu dem
Werke beigetragen hatten. Bis zum Ende des
15. Jahrhunderts hatte die starre, straffe, kraft*
strotzende Bildersprache der Gotik diesem Kunst*
dränge Ausdruck gegeben, wie uns das die herrliche
Büchse des Meisters Joerg von Straßburg im
Museum zu Basel4) so beredt und überzeugend
noch heute zeigt. Dann kam, von Italien aus*
wandernd, die dort zuerst neuaufgelebte Formen*
spräche der alten Kunstvölker in abgerundetem,
leichter sich einschmeichelndem, sinngefälligem Wesen
auch in Deutschland zur Geltung. Der prunkende
Reichtum der Städte fand an dieser fremden Form
sein Wohlgefallen. Alle Künste wurden von ihr
beeinflußt. Auch der Büchsenmeister konnte sich
dieser Zeitströmung nicht entziehen; beauftragt oder
freiwillig und unbewußt schmückte er die Erzeug*
nisse seines hohen künstlerischen Könnens mit der
dem Wesen des Geschützes doch so fremden,
weichlichen Zierde. Die einzelnen beigefügten Ab*
bildungen mögen besser als Worte dartun, wie der
Geist der Zeit aus den einzelnen Kunstwerken heraus
sich vernehmen läßt. Von der großen Zahl der
durch unsere drei Meister gegossenen Geschütze
sind im ganzen nur deren sechs auf die Gegenwart
4) Geßler: Beiträge zum altschweizerischen Geschütz*
wesen. ZH.W.K. 6, 55.
5) Dies Wappen wiederholte sich oft. Philibs Mönch, der
Pfalz Büchsenmeister, führte 1496 das gleiche Wappen (Heidel*
berger Bibliothek, cod. Pal. Germ. 126). Die mohammedanischen
Staaten, die Türkei, Tunesien nud Tripolitanien zeigen in ihrer
Flagge den aufgehenden Halbmond mit Stern zwischen den
Hörnern. Die gleiche Flagge weht als Zeichen des Mohamme*

überkommen. Auf dem Schlosse zu Braunfels
befinden sich vier von ihnen noch heute im Besitze
der Fürsten zu Solms*Braunfels, für deren Vorfahren
— die Grafen zu Solms — sie vor dreihundert Jahren
gegossen wurden (Bild 1 u. 2). Die Artilleriemuseen
zu Paris und zu Madrid enthalten je ein weiteres dieser
Geschütze. In dem Geschützbuche Kaiser Karls V.
sind die Zeichnungen von drei nicht mehr vorhan*
denen Frankfurter Geschützen erhalten. Glocken des
Meisters Stephan und des Conrad Gobel finden sich
zahlreich noch heute in den Rheinlanden. Über die
durch den Umguß oder aus sonstigen Ursachen
verschwundenen Geschütze geben die Urkunden
des Frankfurter Archives und die Stadtgeschicht*
liehen Druckwerke, unter ihnen besonders die von
Lersner’schen Chroniken, vielfach genaue Auskunft.
MEISTER STEPHAN, SIMON UND CONRAD
GOBEL ALS GESCHÜTZGIESSER
Stephan, Glockengießer von Bingen. Durch
Dienstbrief vom 5. Mai 1515 verpflichtet er sich
auf 3 Jahre als Büchsenmeister. Für das Jahr erhält
er 12 Gulden und ein Kleid wie die Richter. Wenn
er auswärts ist, erhält er für den Tag 4 ß Heller und
Kost, oder 6 ß Heller ohne Kost, ebenso wenn er
zu Bonames oder auf dem Goldstein (zwei Burgen
der Stadt) liegt. Sein Siegel Halbmond und Stern.5)
Seit 1514 durch Heirat mit einer Bürgerin Bürger
von Frankfurt. Das Haus neben dem Spital
St. Martha nebst der Gießhütte war ihm zugewiesen.
Stephan ist vor 1522 gestorben.
Meister Stephan goß 1518 für den Grafen zu
Solms den„Drach“, für Franz vonSickingen 1518ein
unbenanntes Geschütz und 1519 die „Nachtigal“.
— Der Drach ist auf Schloß Braunfels noch heute
vorhanden, über die Geschicke der beiden anderen
Geschütze haben wir genauere Nachrichten. Nach
Franz von Sickingens Tode — 1522 auf dem Land*
stuhl — und dem Falle der Ebernburg — 1523 —
teilten sich die drei gegen ihn verbündeten Fürsten:
der Landgraf Philipp von Hessen, der Kurfürst von
Trier und der Pfalzgraf vom Rhein in die Beute.
Ersterer erhielt, außer dem von dem Frankfurter
„Simon“ gegossenen „Hahn“, die beiden Geschütze
des Meisters Stephan. Landgraf Philipp reihte diese
danismus auf allen Moscheen. Der Halbmond mit Stern ist aber
als Wappen und Kennzeichen weit älter. In Illyrien kommt er
schon in frühesten Zeiten auf Inschriftsteinen vor. Byzanz führte
ihn als Stadtwappen. Im Mittelalter führten die Juden das gleiche
Zeichen vielfach in ihrem Siegel, so zu Augsburg. (Gemeiner:
Chronik von Regensburg I, S. 175) Die am Fuße der Marx*
bürg gelegene Stadt Braubach hat heute noch Halbmond und
Stern in ihrem Wappen.
 
Annotationen