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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 9.1921/​1922

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Heft 3
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Rathgen, Bernhard von: Frankfurter Prunkgeschütze und ihre Meister
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https://doi.org/10.11588/diglit.44571#0106

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86

BERNHARD RATHGEN. FRANKFURTER PRUNKGESCHÜTZE UND IHRE MEISTER

BAND 9

in seine Kriegsbestände ein. Er verfügte von allen
deutschen Fürsten dieser Zeit über die reichste
Artillerie. Nach der Schlacht bei Mühlberg, bzw.
infolge der Kapitulation von Halle — 1547 —, mußte
der Landgraf „all sein Geschütz, Kugeln, Pulver
und Munition“ dem Kaiser überantworten; es waren
das ausweislich des „Ge?
schützbuches Karl V.“
170 Stücke.6)
In dem „Geschütz?
buche“ ist die Zeichnung
und Beschreibung einer
jeden Geschützart bzw.
eines jeden einzelnen Ge?
Schützes enthalten. Und
so sind auch die beiden
obengenannten von Ste?
phan für Franz von Sik?
kingen gegossenen Ge?
schütze in Bild und Wort
auf uns überkommen.
Das Solms’sche Ge?
schütz auf Schloß Braun?
fels (Bild 3) trägt die
Inschrift:
Der Drach heiß ich
Stephan zu Frankfort
gos mich. 1518
Das Sickinger Geschütz
führt keinen Namen
(Bild 4), seine Inschrift
lautet einfach:
Meister Stephan zu
Frankfurt goß mich. 1518
Nach dem Geschütz?
buch Karls V. schoß es
9 Pfd. Eisen. DerDrach ist
2,34 m lang, seine Seelen?
weite beträgt 7,2 cm, und dieser entsprechend das
Gewicht der Eisenkugel 3 Pfd.
Beide Geschütze weisen große Ähnlichkeit mit?
einander auf. Im allgemeinen zeigen ihre Zierformen

noch starke Beeinflussung durch die Gotik. Mund?
und Bodenstück sind ringförmig verstärkt. Die auf
der Mitte des langen Feldes, sowie dicht vor und
hinter den Schildzapfen aufgegossenen Reifen, die
nur als Zierat dienen, erinnern an die Schmiede?
eisen?Technik. Als Hauptschmuck befindet sich auf
beiden Geschützen in
hohem Relief ein Knappe,
der in jeder Hand ein
Wappenschild hält. An?
scheinend ist beim Guß
hierfür das gleiche Modell
benutzt worden. Das
Solms’sche Rohr zeigt auf
einem Spruchbande hin?
ter den Schildzapfen
die Anfangsbuchstaben
O Gott Kom-Mit Gna?
den. Der senkrecht zur
Seelenachse abgestochene
Stoßboden der Rohre er?
innert an die gleiche Form
bei den früheren Lege?
stücken. Bei dem „Drach“
ist am Boden ein stiel?
förmiger, treppenartig ab?
gestufter Ansatz ange?
gossen, der, neben der
Handhabung im allge?
meinen, zum Regeln der
Erhöhung diente. Bei dem
Sickinger Rohr ist dieser
Anguß verkürzt; in einer
Durchlochung führt er
einen beweglichen Ring
zur Handhabung. Glei?
ehern Zwecke dienen die
in der Höhe der Schild?
zapfen angegossenen Henkel, die bei dem Solms’schen
Rohre, den alten Vorbildern gemäß, noch fehlen.
Das dritte Geschütz des Meister Stephan „Die
Nachtigal“ stammt wie das zweite aus der Sickinger

Bild 3

Der Drach des Meisters Stephan 1518


6) Max Jähns, Geschichte der Kriegswissenschaft I, S. 620
gibt Näheres über die in den Bibliotheken zu Frankfurt a. M.,
Wolfenbüttel, Gotha, Erlangen und Paris vorhandenen Exem?
plare dieser handschriftlichen „Beschreibung des Kaiser Caroli
Quinti?Geschütz“. — Das in der Kasseler Landesbibliothek be?
findliche Exemplar (cod. math. 3) war ihm unbekannt geblieben.
Essenwein, Quellen zur Geschichte der Feuerwaffen S. 76,
Anmerkung 171, kennzeichnet die von ihm benutzten Hand?
Schriften von Wolfenbüttel und Gotha dahin, daß die Zeich?
nungen in letzterer zwar farbenprächtiger, daß aber die der
ersteren besser, „namentlich mit mehr Verständnis“ hergestellt

seien. Die hier beigegebenen Photographien bestätigen das
Urteil dieses Altmeisters der Waffenkunde. Die einzelnen
Exemplare des „Geschützbuches“ sind von verschiedenen
Händen gefertigt, meist wohl von Spaniern. Dadurch erklärt
es sich, daß die Zeichnungen in sich zum Teil nicht unbe?
trächtlich von einander abweichen und daß besonders die
deutschen Inschriften der Geschütze in so verschiedener
Fassung erscheinen. Jähns und Essenwein geben den vollen
Wortlaut des Inhaltsverzeichnisses des Geschützbuches nach
dem deutschen Text der Gothaer Handschrift. Im ganzen
werden als Besitz des Kaisers 520 Geschütze aufgeführt, von
 
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