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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 9.1921/​1922

DOI Heft:
Heft 4
DOI Artikel:
Post, Paul: Eine mittelalterliche Geschützkammer mit Ladung im Berliner Zeughaus
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44571#0141

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ZEITSCHRIFT FÜR HISTORISCHE WAFFEN* UND KOSTÜMKUNDE
BAND 9 5. MAI 1922 HEFT 4

EINE MITTELALTERLICHE GESCHÜTZKAMMER MIT
LADUNG IM BERLINER ZEUGHAUS
VON PAUL POST

Während des Krieges wurden dem Zeughaus vier
mittelalterliche schmiedeeiserne Ceschützkammern
vom Pillauer Hafenamt überwiesen, die im Pillauer
Seetief beim Baggern zutage gefördert waren. Sie
stammen also vermutlich von Kammerbüchsen, die
zur Bestückung von Kriegsschiffen dienten, und
zeigen, etwa alle von den gleichen ziemlich großen
Abmessungen, den im 15. Jahrhundert üblichen Bau.
Eine von diesen stark versinterten Kammern erwies
sich beim Reinigen als ein für die Geschützwissen*
schäft äußerst wertvoller Fund (Abb. la). Es stellte


Abb. 1. Geschützkammer mit Ladung. 15. Jahrh.
(Zeughaus Berlin)
a) Maße: Länge 67 cm, Durchmesser am Boden 15 cm, innerer
Durchmesser 6 cm, Länge des Hohlraums etwa 60 cm.
b) Länge 4 cm, hinterer Durchmesser 5 cm
sich nämlich heraus, daß im Innern noch ein gutes
Teil der alten Ladung vorhanden war, die über die
ursprüngliche Zusammensetzung und Lagerungklaren
Aufschluß gibt.
An der Mündung der Kammer stak ein völlig
versteinerter 4 cm langer Holzpfropfen von Rot*
buche,1) der ganz seine der Kammermündung ange*
paßte Form ähnlich einem Flaschenpfropfen bewahrt
hatte (Abb. 1 b). Dahinter folgte ein Bausch von
FlachsfasernT) in einer Länge von etwa 5 cm (Abb. 1 c).
Wieweit hier die ursprüngliche Länge erhalten ist,
läßt sich natürlich nicht mehr feststellen. Von der
Pulverladung selbst sind infolge des durchs Zünd*
loch eingedrungenen Wassers nur Brocken erhalten.
Ihre Analyse, die wir Herrn Professor Rathgen ver*
danken, stellte Schwefel und Kohle fest, Das Salpeter
') Die Angaben verdanken wir Herrn Prof. Dr. Lindau vom
Botanischen Museum in Dahlem. 2) Betty Kurth. Die Blütezeit

ist vom eindringenden Wasser aufgelöst. Der durch
den Fund gegebene klare Sachverhalt überhebt uns
weiterer Erläuterungen.
Ein glücklicher Umstand setzt uns in den Stand,
zu unserem Ladungsfund die Illustration des Ladens
einer derartigen Kammer zu liefern. Es handelt sich
um den Ausschnitt aus einem jüngst veröffentlichten
burgundischen Teppich mit Darstellungen aus dem
Leben Alexanders des Großen im Palazzo Doria in
Rom (Abb. 2), der laut Rechnung 1459 von einem
Teppichwirker in Tournai namens Pasquier Grenier
für Herzog Philipp den Guten von Burgund gefertigt
wurde.2) Auf dem Teppich, der die Belagerung einer
Stadt darstellt, zeigt unser Ausschnitt in höchst an*
schaulicher Weise das Laden einer Kammerbüchse,
wie es der Teppichwirker oder der Meister seines
Vorbilds vermutlich beim Heere des burgundischen
Herzogs gesehen hatte. Von den beiden Bedienungs*
leuten ist der Rechte gerade im Begriff, eine geladene
Kammer durch Eintreiben des beschriebenen Holz*
pfropfens mit einem Hammer abzuschließen, während
der andere eine bereits fertige Kammer einsetzt.
Der klare Sachverhalt bei der Pillauer Kammer
bietet nun die Möglichkeit, die vielumstrittene Frage,
ob die Kammer auch die Kugel aufnahm, durch Ver*
gleich mit anderen erhaltenen Kammern einer gründ*
sätzlichen Klärung zuzuführen, denn bei unserer
Kammer läßt der an der Mündung steckende Pfropfen
für eine Kugel jedenfalls keinen Raum.
Im Zeughaus steht für diese Frage ein ansehnliches
Vergleichsmaterial zur Verfügung, das sich in folgen*
der Weise gruppiert:
1. Fünf Kammerbüchsen mit Kammern (Inv.*Nr. 6771,
6777, 6781, 1164, 14238).
2. Acht Kammerbüchsen ohne Kammern, bei denen
aber die hinten angeschmiedeten Kammerrahmen
über die Größe der fehlenden Kammern genü*
genden Aufschluß geben (6776, 6779, 6780, 0260,
0261, 6780, 6783, 0301, 00361).
3. Neun Einzelkammern (ohne die Pillauer Kammer)
(6772,97512,99 337,63126,0913,151176 bis 1179),
der Bildwirker*Kunst zu Tournai und der Burgundische Hof.
Wiener Jahrb. d. kunsthistor. Sammlungen 1918. Bd. 34, S. 53. ff.

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