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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 9.1921/​1922

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Heft 4
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Dihle, Helene: Das goldene Gewand der Königin Margaretha
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https://doi.org/10.11588/diglit.44571#0149

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HEFT 4

HELENE DIHLE: DAS GOLDENE GEWAND DER KÖNIGIN MARGARETHA

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Agnes Branting, welche mit der Durchsicht und
Konservierung der kirchlichen Gewandschätze be*
auftragt war, vermittelte damals weiteren Kreisen die
Kenntnis dieses einzigartigenTrachtenstückes in einer
besonderen Schrift.x) Die Verfasserin gibt uns darin
zwar an der Hand von Abbildungen, sorgfältig her*
gestellten Schnittmustern und eingehenden Beschreib
bungen eine genaue Kenntnis der Geschichte, des
verwendeten Stoffes sowie der äußeren Form des
Kleides, es bleibt aber doch noch manche Frage nach
der tatsächlichen Art, wie es einst vor über 500 Jahren
getragen sein mag, unbeantwortet und rätselhaft.
Etwas zur Klärung dieser Fragen beizutragen und
zu weiterem Forschen anzuregen, ist der Zweck dieser
kleinen Studie.
Das Kleid, das uns die nebenstehende Abbil*
düng 1 zeigt, wird uns beschrieben als ein aus einem
enganliegenden Leibchen und einem darangenähten
langen, reichfallenden Rocke bestehendes Festgewand.
Das ist zunächst insofern irreführend, als man da*
nach eine durch Zuschnitt und Nahtverbindung
betonte Zweiteilung in Rock und Taille annehmen
muß, welche die Schneiderkunst ums Jahr 1400, aus
welcher Zeit das Kleid etwa stammen soll, durchaus
nicht kannte. Erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts
begann man mit dieser Zweiteilung, noch am Ende
des 16. Jahrhunderts finden wir in den Schnittmuster*
büchern der Schneiderzünfte „in eins“ geschnittene
Frauenkleider. Die Tatsache, daß das Kleid hinten
eine quer über die Schulterblätter laufende Naht auf*
weist und vorn eine gleiche, die sich quer über die
Brust zieht, berechtigt noch nicht zu der Bezeichnung
Leibchen; man dürfte höchstens von einem passen*
artigen Ansatz sprechen, der aber jedenfalls nicht
einem ausgeklügelten Schnitte sein Dasein verdankt.
Ob die für den Sitz des Kleides gänzlich zwecklose
Quernaht wegen der besseren Stoffausnutzung ge*
macht wurde, oder ob man das Kleid dadurch etwa
einmal ausgebessert oder erweitert hat, wird sich wohl
niemals sicher entscheiden lassen.
„Die Rockbahnen“, schreibt A. Branting, „sind
vorn in der Mitte, hinten und in den Seiten zu*
sammengenäht. Sie folgen den Linien des Körpers
bis über die Taille herunter und erweitern sich dann
ganz scharf. — Die Leibchen und Rock miteinander
verbindende Naht ist 85 cm lang. — Vermutlich paßte
das Kleid einer wohlproportionierten Dame von
1,60 m Größe.“
Ein Vergleich dieser Angaben mit dem Schnitt*
muster des Gewandes einerseits und normalen weib*
’) Agnes Branting, Das goldene Gewand der Königin Mar*
garetha in der Domkirche zu Upsala. Mit Abbildungen. 1911.

liehen Körpermaßen andernteils muß uns stutzen
machen; ein Kleid, welches eine Brustweite von 85cm
hat, kann unmöglich einer wohlproportionierten Dame
gepaßt haben, für die man bei ungeschnürtem Körper
einen Brustumfang von 95—100 cm annehmen muß.
Eine sorgfältige Vergrößerung des Schnittes nach dem
beigefügten Maßstab und ein nach diesem Schnitte
angefertigtes Stoffmodell bestätigte mir diese Vermu*
tung und zeigte ferner, daß das Kleid bei einer Weite
von 100 cm in derTaillengegend sich den Körperlinien


Abb. 1. Das goldene Gewand der Königin Margaretha

nicht angeschmiegt haben kann, sondern lose herab*
geflossen ist, und zwar in ganz tadellosen Linien.
Was weitere Bedenken erregt, ist A. Brantings An*
nähme, daß die längere Seite des Rockes, die ein
Mehr von 30 cm — 1,68 m zu 1,38 m Gesamtlänge —
aufweist, und die eventuell noch länger gewesen sein
kann, die vordere gewesen sei, daß das Kleid also
gleichsam die Schleppe vorn gehabt habe. „Der
Schnitt des Leibchens und des oberen Rockteiles“
heißt es, „sowie ein Schlitz hinten am Rock weisen
darauf hin, daß der kürzere Teil der Rückenteil war.

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