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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 9.1921/​1922

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Heft 4
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Dihle, Helene: Das goldene Gewand der Königin Margaretha
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https://doi.org/10.11588/diglit.44571#0151

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HEFT 4

HELENE DIHLE: DAS GOLDENE GEWAND DER KÖNIGIN MARGARETHA

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auch die Bürger und Handwerker ihre „Knäuffel“
(Knöpfe) auf dem Rücken an all ihren Kleidern,
und etliche Frauen ahmten es nach.“ Das war also
damals etwas Außerordentliches, und es ist gar nicht
einzusehen, warum man an dem Gewand der Königin
Margaretha, das, wie ich glaube, schon aus den sech«
zigerJahrendes 14. Jahrhunderts stammt, von dem
gebräuchlichen Vorderverschluß abgewichen sein
sollte, zumal die Schleppe und der ganze Sitz des
sogen. Leibchens dieses zu bestätigen scheinen —
immer vorausgesetzt natürlich, daß der uns von
A. Branting übermittette Schnitt genau den Formen
des Originals entspricht, woran bei der Sorgfalt der
Arbeit nicht zu zweifeln ist.
Wann, in welcher Art und mit welchen Kleidungs«
stücken zusammen mag nun das goldene Gewand
getragen worden sein? — Der Fürst Christian von
Anhalt schreibt 1623 in seinem Tagebuche: „Man
zeigt in Roskilde auch ihren (Margarethas) Rock
von güldenem Stück, so sie auf ihrer Hochzeit ge«
tragen.“ Nun wurde Margaretha schon im Jahre 1363,
also im Alter von zehn Jahren, mit dem König Hakon
von Norwegen vermählt. Es war bei solchen fürst«
liehen Kinderehen nicht immer üblich, eine öffent«
liehe Trauung vorzunehmen. Wenn es aber in diesem
Falle geschah, was mir nicht bekannt ist, so wäre
es nicht undenkbar gewesen, daß Margaretha das
goldene Gewand dabei getragen hätte. Die Kinder«
kleidung unterschied sich bis über das Rokoko hinaus
in ihrer Form nicht von der der Erwachsenen. Unser
Kleid mit seinem verhältnismäßig engem Ausschnitt
und seinem geringen Brustumfang kann demnach
recht wohl als Kinderkleid gedacht werden, zumal
Margaretha von imponierendem Äußeren gewesen
sein soll, und man im Mittelalter nicht die kritischen
Anforderungen an den guten Sitz eines Kleides stellte
wie heute. Auch die Länge des Rockes beweist nichts
dagegen. Die Frauentracht bestand im 14. Jahrhundert
durchschnittlich aus drei Teilen: Hemd, Unterkleid
und Oberkleid, dazu kam für besondere Fälle der
Mantel. Das Unterkleid pflegte ungefähr bis zum
Knöchel zu reichen, das Oberkleid war bedeutend
länger und hatte eine Schleppe, lag aber oft auch
vorn dem Boden auf. Man pflegte es vorn hochzu«
schlagen, hochgerafft mit der Hand zu halten oder
durch den Gürtel zu ziehen. Letzterer lag entweder
tief auf den Hüften, oder er umschloß die Taillen«
gegend, zuweilen fehlte er auch ganz. Unter der
Raffung kam vorn das andersfarbige Unterkleid zum
Vorschein. Natürlich haben wir es bei dem goldenen
Gewand mit einem Oberkleid zu tun, dessen Länge,
da sie durch die Raffung veränderlich war, für Per«

sonen von sehr verschiedener Größe paßte. Ob es
sich hier tatsächlich um Margarethas Hochzeitskleid
handelt, mag dahingestellt bleiben; jedenfalls glaube
ich aus der Schnittgröße des Leibchens schließen zu
dürfen, daß sie es schon im zarten Alter getragen
hat. -- Im übrigen lautet eine Verordnung des Königs
Magnus Eriksson von Schweden vom 17. Juli 1345:
„Will die Braut ihr Kleid verschenken, so soll sie
es Kirchen und Klöstern schenken, und nicht Laien.“
Möglicherweise hat Margaretha danach gehandelt.
Das Kleid ist nur oben mit zwei Sorten stark«
geflickten Leinenfutters versehen. Die Frage, ob der
Rock auch unten gefüttert war, die A. Branting offen
läßt, möchte ich bejahen. Man pflegte solche Ober«
kleider mit abstechendem Seiden« oder Pelzfutter aus«
zustatten, das bei der Raffung zur Geltung kam.
Unzählige Abbildungen zeigen uns das, und die
Kleiderordnungen befassen sich eingehend mit Vor«
Schriften über den Wert dieses Futters. Eine Kleider«
Ordnung von Ulm aus dem Jahre 1426 z. B. ver«
bietet es, die Röcke „durchaus“, also ganz bis oben
hin zu unterfüttern. Abgesehen von der Schönheit,
welche das Futter den Kleidern verlieh, mag es bei
einem kostbaren Stoff, wie wir ihn hier vor uns haben,
als Schutz gegen Staub und Abnutzung gedient
haben. Das gewiß vorhanden gewesene Seidenfutter
des Rockes wird im Laufe der Jahrhunderte in höherem
Maße als der Brokatoberstoff brüchig geworden und
zerschlissen sein. Man hat die Fetzen vielleicht ent«
fernt, oder aber den Stoff schon frühzeitig abgetrennt
und anderweitig verbraucht, zu liturgischen Gewän«
dern oder Hüllen für Reliquien und Altargeräte, wie
das damals üblich war.
Anscheinend gibt uns an dem Schlitz des Kleides
kein Überrest von Knöpfen, Knopf« oder Schnür«
löchern einen Anhalt für die Art des Verschlusses.
Haken und Ösen gab es noch nicht, eine Knopfung
ist schwerlich anzunehmen, da der dafür nötige Stoff«
untertritt fehlt. Beide Vorderteile sind vielmehr von
gleicher Breite und man könnte sich wohl vorstellen,
daß Halsausschnitt und Vorderschlitz von einer Borte
umgrenzt waren, welche auf irgend eine Weise eine
Schnürung ermöglichte oder verbarg.
Da das goldene Gewand nur ganz kurze, 7 cm lange
Ärmel hat, so bleibt noch die Frage der Armbeklei«
düng zu lösen, die A. Branting ganz unerwähnt läßt.
Die Sitte, die Arme zu entblößen, kurze oder auch
nur halblange Ärmel zu tragen, war über das Mittel«
alter hinaus bis ins 17. Jahrhundert hinein streng ver«
pönt. WasThomasin von Zirklaere um 1216 forderte:
„Eine Dame soll recken nicht ihre Hand,
„Wenn sie reitet, aus ihrem Gewand“,
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