Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 9.1921/​1922

DOI Heft:
Heft 5
DOI Artikel:
Bruhn, Wolfgang: Kopf und Hut: Ausstellung der Lipperheideschen Kostümbibliothek
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44571#0203

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
HEFT 5

WOLFGANG BRUHN: KOPF UND HUT

173

ein winziges Hütchen aus Brokat oder Samt sitzt. Eine andere,
spanischsenglische weibliche Kopftracht ist die Stuarthaube, nach
der Königin Maria Stuart benannt. Die Bildnisse von Antonis
Mor, Coello, Ludger tom Ring und in Frankreich Clouet u. a.
zeigen die spanische Mode in charakteristischen Typen. — Neben
dem hohen spanischen Hut ist die interessante Tocque auf dem
männlichen Kopfe häufig zu sehen, keineswegs ein bloßer Nach»
läufer des Baretts; der Rand ist ganz schmal und steif, der Kopf
selbst, meist aus schwarzem Samt, ist biegsam weich oder etwa
mit Fischbein verstärkt und kann nach Art unserer Sportmützen
höher oder flacher getragen werden. Sehr gut kann man das an
der Handzeichnung eines „französischen Meisters“ (Albertina),
an Clouets Karl XI. und an dem reizenden Darmstädter Knaben*
bild eines niederländischen Meisters erkennen, auf dem auch
der zierlichere weniger steife Spitzenkragen des Kindes sicht*
bar ist. Ganz ohne Krempe ist Philipps II. Bildnis auf Wierix’
Stich.10)
Mit dem Sinken der spanischen Macht treten auch wieder
freiere Modeformen in ihre Rechte. Auf der anderen Seite trug
die Zügellosigkeit des dreißigjährigen Krieges zur Auflockerung
der Tracht bei. An Stelle der steifen Halskrause tritt der ein*
fache schlaffe Spitzenkragen (sagt Thimidior), das Haar wird
lang getragen, der feste spanische Hut macht dem weichen Filz*
hüt Platz, der phantastisch aufgeputzt wird mit Federn, die „oft
ellenlang den Rücken herabwallen“. Die Ausstellung zeigt das
besonders an den niederländischen Bildern des 17. Jahrhunderts,
wo der weiche breite Schlapphut ebenso den Krieger wie den
Künstler ziert. Rubens auf dem schönen Doppelbildnis der
Pinakothek trägt die hohe Form, die dem alten spanischen Hut
noch nahe kommt, Franz Hals’ Bild zeigt den breitkrempigen
Schlapphut mit niedrigem Kopf. Beide Arten gehen lange neben*
einander her; die mächtigeStraußenfeder verleiht solchem nieder*
ländischen Kopf im Vergleich zu den „kleinen Köpfen“ der
spanischen Mode eine riesige Größe. Parallel zu den großen
Ausmaßen des männlichen Hutes geht bei der Frau, außer
der großen Leinen* und Spitzenhaube, vor allem der große
Mühlsteinkragen, der ebenfalls dem Kopf eine besondere Be*
deutung verschafft.
Ludwig XIV. und sein Hof brachte mit dem Jahre 1655 die
große Staats* oder Allongeperücke zu Ehren, die für Europa
ebenso tonangebend wurde wie die spanische Kopftracht lOOJahre
zuvor. Auf diese Perücke paßt der Schlapphut nicht mehr!
er wird kleiner, versteift sich wieder, wird an den Rändern
aufgebogen und verwandelt seine langen Federn in eine leichte
Plumage. Als Dreispitz sodann trägt ihn der Kavalier schließlich
nur noch in der Hand. Den flachen Modehut zeigt van Rossums
„Spaziergang“ (inWien), den Dreispitz führen z.B. die Stiche von
G. Valck, die Allongeperücke viele schöne Schabkunstblätter
und Stiche nach Rigaud, Merian, Waillant u. a. vor Augen. Der
männlichen Perücke entspricht die weibliche mit den Ringel*
locken zu beiden Seiten des Gesichts, wie sie schon die bekannten
Prinzessinnen des Velasquez tragen. Schön ist Merians Stich
mit Anna Katharina von Württemberg von 1678. Allein die
Haarfrisur der französischen Damen trachtete von der pom*
pösen Breite bald fort und stieg in die Höhe zu einem ko*
ketteren Gebilde, das besonders in der „allamodischen“ Fontange
(nach einer königlichen Maitresse benannt) seinen bezeichnen*
den Ausdruck fand; ein aus Bandschleifen und Spitzen zurecht*
gemachter turmartiger Kopfputz, der im Nacken gestützt wurde.
10) Übrigens stellt ein älterer Holzschnitt nach Cranach bereits seinen Vater
Karl V. mit demselben krempenlosen hohen Hut dar, ein Zeichen, daß diese strenge
Hutform am spanischen Hofe wohl schon in der Reformationszeit Mode war.

(Gutes Beispiel: Der farbige Stich von Danckerts.) — In Deutsch*
land und Rußland besonders wird Pelzmütze sowie Pelzhut aus
Biber* und Marderfell beliebt.
Das Rokoko lockert wie in allen Künsten auch in der Kunst
des Kostüms die schweren Formen des Barock auf: die Allonge*
perücke wird von den zierlichen Puderlocken, die hohe Fon*
tange von dem graziösen Häubchen abgelöst, Dinge, die uns
besonders in den entzückenden Pastellbildern eines Pesne, de
la Tour, R. Carriera lebendig werden oder auf den Ölbildnissen
von Watteau, Nattier, Pesne u. a. Der Dreispitz gewinnt seine
Hauptbedeutung wohl erst im Stil Ludwigs XV. und bleibt
bis zur Revolution die elegante Kopfbekleidung. Die weibliche
Haartracht, durch den neuen Frauenkultus unter Ludwig XIV.
zu freier Entfaltung gebracht, gefällt sich besonders gegen Ende
des 18. Jahrhunderts in immer stärkerer Willkür und bringt
mit den Riesencoeffüren der 70er und 80er Jahre die bekannten
wilden Auswüchse zu Tage. Es ist die Zeit der ersten Mode*
kupfer, die uns zum erstenmal in regelmäßigen Modejournalen
jede Einzelheit der Tracht in feinen kolorierten Stichen über*
liefert. Die Lipperheidesche Sammlung, die alles das in seltener
Vollständigkeit besitzt, stellt zahlreiche schöne Originale aus
den drei ältesten Pariser, Weimarer und Londoner Journalen
(Galerie des Modes, Journal des Luxus und der Moden, Galery
of Fashion) aus.
Den großen, mit Seidenbändern garnierten Strohhut, schon
zur Zeit der Schäferpoesie in Mode, zeigt ein pikanter Farben*
stich nach J. B. Fluet. Er kehrt dann häufig wieder auf den
leicht sentimentalen Farbstichen der Engländer nach Romney,
Reynolds u a.; vergl. Bartolozzis Stich der Miß Bingham (1786).
Wie die Coeffüren, so wachsen auch die Hutgarnierungen in
die Höhe. Die Wertherzeit hatte ja mit dem jungen Goethe
an der Spitze den runden hohen Wertherhut in Mode gebracht.
Er gewinnt als Spitzhut des Revolutionärs gleich 1789 eine neue
Bedeutung. Mit der Trikolore geschmückt trägt ihn der elegante
Monsieur Seriziat auf Davids Louvrebildnis. Die Zeit der
Incroyables und Merveilleuses führt die große „Schute“, wie
wir sagen würden, ein, die bald den Kopf völlig zudeckt
und manchem Satiriker der Mode als Zielscheibe gedient
hat. (Vergl. besonders H. Vernets und Lantes Karikaturen.)
Grotesk und witzig der Steindruck mit den drei weiblichen
Theaterbesuchern.
Die Directoire*Zeit bringt in Anlehnung an antike und
orientalische Muster das leicht gekräuselte kurze Haar, das
Turbanhäubchen (vergl. Vigee Lebruns Selbstbildnis in den
Uffizien), das Diadem (Prud’hons Kaiserin Josephine) und
andere Kopftrachten auf.
Um diese Zeit kommt auch der Zylinderhut auf (Geddes
Bildnis des Herrn Plimer, 1815). Eine der frühesten Darstel*
lungen davon mit geschweifter Krempe scheint Hickels Bildnis
des Charles J. Fox zu sein. Der heutigen Form schon mehr
angenähert ist er bei Dightons Lord Londonderry.
Mit der Biedermeierzeit setzen dann die freundlich*behäbigen
Kopfbedeckungen ein, die z. B in den Kapottehüten ihren
hübschen Ausdruck finden (vergl. Franz Krügers Geschwister
Stich, Handzeichnung der Nationalgalerie). Von Gavarnis
Modebildern sind gute Neudrucke vertreten, Schadow, Stieler,
Menzel liefern Beispiele. Aus der Zeit seit 1850 nenne ich die
flotten Zeichnungen von Guys.
Die neueste Zeit ist durch Bilder von Skarbina, Shannon,
Delvaille vertreten, auch Paul Poirets geschmackvolle Auf*
nahmen, Ludwig Rainers und Christophes Entwürfe für den
„Wieland“ u. a. sind zu nennen
 
Annotationen