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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 9.1921/​1922

DOI Heft:
Heft 6/7
DOI Artikel:
Reimer, Paul: Nochmals die älteren Hinterladungsgeschütze
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https://doi.org/10.11588/diglit.44571#0230

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198

PAUL REIMER: NOCHMALS: DIE ÄLTEREN HINTERLADUNGSGESCHÜTZE

BAND 9

mit traversiertem Eingang,
vier Stockwerke, von denen
zwei noch erhalten sind. Die
unregelmäßig nach allen
Seiten ausstrahlenden Ges
schützstände haben vier*
eckige Scharten und in der
Decke einen Rauchabzug.
Etwa in Höhe des Boden«
stücks des Geschützes sind
rechts und links Sitzbänke
für je zwei Mann in der
Mauer ausgespart. Hinten
sieht man zu beiden Seiten
über dem Boden die Nuten
zum Einsetzen der Balken,
gegen die der Lafetten«
schwänz sich stemmte. Das
Geschützkonnte daher nicht
zurücklaufen, wird also beim
Schuß wohl stark „gebückt-1
haben. Es ist ohne weiteres
ersichtlich, daß ein Geschütz
in solchem Geschützstand
unmöglich von vorne gela«
den werden konnte. Der
untere der abgebildeten
Stände hat eine tiefliegende
Scharte, die einen Schuß
stark nach unten gestattete.
Die Lafette des dort auf«
gestellten Geschützes muß
eine große Depression er«
' möglicht haben. Die Ge«
schützstände waren so eng,
daß der Spielraum für die
Seitenrichtung recht gering
war. Die Geschütze in den vier Stockwerken haben sich
daher wohl in der Beherrschung des Zielfeldes ergänzt,
Einige Scharten waren für schwere Hakenbüchsen
eingerichtet. Die Geschütze in den Turm zu schaffen,
muß gar nicht einfach gewesen sein. Der Eingang
befand sich nämlich in Höhe des zweiten Stock«
werks und war nur über eine Leiter zugänglich,
natürlich auf der dem Feind abgewandten Seite. Von
diesem Eingang führten enge Treppen in der Mauer«
stärke zu dem zweiten, dritten und vierten Stock«
werk und mündeten dort in Geschützständen. Zum

Stockwerken die Geschützstände innerhalb der sehr
beträchtlichen Mauerdicke enthielt. Als Beispiel ist
hier ein solcher Turm der Burg Blankenberg a. d. Sieg
abgebildet (Abb. 4). Er hatte, außer einem tief ge«
legenen Pulvermagazin

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Arbeit. Diese auch sonst sehr interessante Hinter«
ladung habe ich in Z.H.W.K. 2,54 näher besprochen.
Es wurde die Regel, das Widerlager der Kammer
durch zwei starre Zugstangen fest mit dem Rohr
zu verbinden, woraus sich bald ein muldenförmiges
Lager entwickelte, das die
meiste Ähnlichkeit mit der
„Hülse“ des modernen In«
fanteriegewehres (Mauser)
hatte.Die eingelegteKammer
wurde durch einen hinter
ihr quer durch die „Hülse“
geschlagenen Keil gegen das
Rohr gepreßt. Bei manchen
Stücken macht diese Kon«
struktion einen gut durch
gebildeten und recht brauch«
baren Eindruck, bis auf den
gasdichten Abschluß der
Kammer, die „Liderung“.
Indessen können wir uns
heute bei dem meist stark
verrosteten Zustand der auf
uns gekommenen Stücke
kein rechtes Bild mehr von
dem Grade der Genauigkeit
machen, mit der die lidern«
den Flächen bearbeitet und
zusammengepaßt waren.
Auch verstand man damals
vielleicht bereits, die Dich«
tung durch getalgtes Werg
u. dergl. zu verbessern. Oder
aber man verstand es über«
haupt nicht besser und be«
trachtete es als selbstver«
ständlich, daß beim Schuß
lange Stichflammen zurück«
schlugen und Geschütz und
Bedienung in Qualm hüll« Abb. 4. Bastionsturm der Burg Blankenberg a. d. Sieg
ten. Sehr unangenehm war
dies in den erwähnten Geschütztürmen. Als in der
ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts das Geschütz sich so
weit entwickelt hatte, daß es die gegen die bisherige
Angriffsfront durch die Schildmauer gesicherten Bur«
gen von benachbarten Höhen im ungedeckten Rücken
fassen konnte, waren die meisten Burgen zu einem
Frontwechsel gezwungen und mußten mit einer starken
Geschützaufstellung an den nunmehr bedrohten Seiten
antworten. So entstand die mit Geschützen in mehreren
Stockwerken gespickte Mantelmauer, oder aber der
noch häufigere Bastionsturm, der in einer Anzahl


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