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Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 3.1886

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Köhler, Richard: Der Zug nach Versailles in den Oktobertagen 1789
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https://doi.org/10.11588/diglit.52691#0065

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Der Zug nach Verſailles in den Oktobertagen 1789. 55

und nach wuchs ihre Zahl; ſie ſetzten ſich mitten in die Bänke
der Abgeordneten, indem ſie laute Unterhaltung mit denjenigen
führten, welche auf den Tribünen ſtanden; einige umgaben das
Buͤreau der Sekretäre, andere den Stuhl des Präſidenten. Der
Wirrwarr wurde natürlich für die Abgeordneten immer unerquick—
licher. Vergebens übergab man Maillard die beglaubigte Abſchrift
eines Beſchluſſes über die Lebensmittel, um ſich ihn und ſein Ge⸗
folge vom Halſe zu ſchaffen. Mit unzufriedener Miene nahm er
das Schriftſtück und erklärte, daß ihnen dieſes Dekret nicht genüge,
weil es nicht die Erlaubnis enthalte, die Häuſer nach verborgenem
Mehle zu durchſuchen. Hierauf wandte er ſich an die am Bureau
ſitzenden Abgeordneten mit den Worten: „Glauben Sie mir, meine
Herren, thun Sie nach meinem Verlangen, wenn Sie Blutvergießen
ſparen wollen!“

Vergebens war auch die Verſicherung der Deputierten, daß
man weitere Fürſorge für die Verproviantierung der Hauptſtadt
tragen wolle, vergebens die Aufforderung an die Weiber, der Ver—
ſammlung ihre Freiheit zu laſſen und ſich ruhig zurückzuziehen.
Die Weiber erklärten einfach, das genüge nicht. Endlich wurde
beſchloſſen, daß eine Deputation mit dem Präſidenten an der
Spitze ſich zum Könige begebe und demſelben die Notlage von
Paris vorſtelle. Zugleich ſollten dem Könige wiederum die 19 Ver—
faſſungsartikel und die Erklärung der Menſchenrechte zur bedingungs—
loſen Anerkennung vorgelegt werden.

Sofort erklärten die Weiber, daß ſie die Deputation begleiten
wollten. Vergebens ſtellte ihnen Mounier das Unnütze dieſes
Schrittes vor. Das Aeußerſte, was ihm noch durch Bitten bei
ihnen durchzuſetzen gelang, war, daß ſie ſich damit zufrieden er—
klärten, daß nicht über ſechs von ihnen an der Audienz im Schloſſe
teilnehmen ſollten. Aber andere begleiteten die Deputation, und
ſtatt der ſechs wußten ſich nachher zwölf die Zulaſſung zu erpreſſen.
Zu Fuß, unter ſtrömendem Regen, ſetzte ſich der abenteuerliche
Zug durch den Straßenkot in Bewegung. Eine beträchtliche Volks—
menge aus Verſailles umgab beide Seiten der zum Schloſſe führen—
den Straße. Die verſchiedenen Gruppen der Pariſer Weiber waren
mit einer Anzahl von meiſtens mit Lumpen bedeckten Männern
untermiſcht, welche Waffen verſchiedener Art mit ſich führten und
unter drohenden Gebärden und mit wilden Blicken ein gräßliches

iſt die Angabe La Marcks: „Mirabeau brachte den Tag... bis 6 Uhr abends
bei mir zu“, natürlich nicht buchſtäblich zu nehmen; man kann ſie vielmehr nur
auf die Zwiſchenzeit zwiſchen der Vormittagsſitzung und Mirabeaus Verabſchiedung
von La Marck beziehen.
 
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