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Braus, Hermann
Anatomie des Menschen: ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte (Band 2): Eingeweide (Einschliesslich periphere Leitungsbahnen, I. Teil) — Berlin, Heidelberg, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.15150#0121

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Branchiogen^ Organe.

und Singens ist das Studium dieser Vorgänge außerordentlich wichtig (vgl.
auch S. 167). Auch die Sprachforschung verdankt ihnen eine Neuorientierung
in der Beurteilung der psychophysischen Sprachgesetze.
Aus- Am wesentlichsten ist, daß die'aus geatmete Luft beim Menschen wegen der Be-

tuft™nrt freiung des Kehldeckels aus dem Nasenrachenraum den Weg in die Mundhöhle
Gaumen zur Verfügung hat, während der ursprüngliche Luftweg hin und her durch die Nase
führt und auch beim gewöhnlichen Atmen eingehalten wird (Abb. 56, blauer Doppel-
pfeil). Die Ausatmungsluft findet im menschlichen Gaumen, sobald er gehoben
und die Nase von hinten verschlossen ist, einen vorzüglichen Besonanzboden
(Abb. 63). Beim Vierfüßler ist wegen der ganz anderen Stellung des Kopfes zur
Wirbelsäule ähnliches nicht möglich; dagegen haben manche Tiere in ihren Kehl-
säcken Kesonatoren. Die in der Mundhöhle von vornherein zur Verfügung stehende
Beweglichkeit (im Gegensatz zur Starrwandigkeit der Nasenhöhle) ist die materielle
Grundlage, auf welcher sich die phantastische Vielseitigkeit unseres Sprechens und
Singens entwickeln konnte, als einmal dieser Weg beschritten war. Die Spezialisierung
der Zunge im Dienst der Sprache stand potentia bei allen Säugern bereit, weil
bei ihnen der Abschluß der Nase durch das Gaumendach die Zunge frei gemacht hatte.

Wird die ausgeatmete Luft beim Sprechen vom Gaumen so geleitet, daß sie
durch die Nase geht, so bekommt die Stimme einen besonderen „näselnden" Ton.
Bei den Bhinophonen (m, n, ng) und bei allen Wörtern, welche diese Buchstaben
enthalten, ist der Weg durch die Nase notwendig.

3. Branchiogene Organe (Mandeln, Bries, Epithelkörperchen,

Schilddrüse).

a) Branchiogene Herkunft und gemeinsame Aufgaben (endokrine Drüsen).

aar^en ^er menschlicne Embryo besitzt jederseits fünf entodermale Schlundtaschen,
Schlund- welche gegen die entsprechenden ektodermalen Kiemenfurchen durch eine
taschen Qrenz_ oder Verschlußmembran getrennt sind (Abb. 4). Die 5. entodermale
Tasche ist nicht voll entwickelt: sie hängt mit der vierten zusammen und hat
mit ihr einen gemeinsamen Zugang vom Darmrohr aus (Abb. 65, rechts). Auch
von den ektodermalen Furchen sind die hinteren in späteren Entwicklungs-
stadien verschmolzen und nur durch einen gemeinsamen Kanal von außen zu-
gänglich; denn die Krümmung des Nackens bringt es mit sich, daß der Platz
gerade in der hinteren Kiemenregion sehr eingeengt ist. Der gemeinsame Zugang
heißt Sinus cervicalis (in Bd. I, Abb. 8 hinter den drei ersten Kiemenbögen
, als dreieckiges Loch sichtbar; der Zugang umfaßt später auch die 2. Furche,
Abb. 65, Pfeil).

Die ,,Schlund"taschen gehören wie der Name sagt zum späteren Pharynx;
ihre Schicksale besprechen wir deshalb hier im Anschluß an das vorhergehende
Kapitel. Die erste Tasche behält zeitlebens ihre Lichtung, wobei ihr mediales
Ende relativ eng bleibt und zur Tuba auditiva (Eustachii) wird, das laterale
Ende sich zum Mittelohr ausweitet, Cavum tympani (Abb. 65 links); die
innere Öffnung der Tube liegt im Epipharynx (Abb. 46). Die Bedeutung des
Ganges für die Ventilation des Mittelohrs ist früher erläutert (S. 109). Auf
die komplizierte Ausstattung des Ganzen im Dienst des Gehörorganes wird
erst bei diesem Sinneswerkzeug einzugehen sein (Bd. III).

Epiundiale I0lgende Schlundtaschen verlieren eine durchgehende Lichtung und

lympho- den Zusammenhang mit dem Ektoderm. Sie gehen als ,,Taschen" verloren;

Tbkömm- doch -gewinnen Abkömmlinge ihres Epithels eine große Bedeutung, da sich aus
lmge (jen einen rein epitheliale Organe absondern (Drüsen), aus den anderen
Mischorgane, in welchen die Epithelien der Schlundtaschenderivate und ein-
wandernde Mesodermzellen symbiotisch vereinigt sind, lymphoepitheliale
Organe.

Zugunsten solcher Abkömmlinge bleibt das System der Schlundtaschen erhalten,
während seine ursprüngliche Bedeutung als Respirationsorgan bei den landlebenden
 
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