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Braus, Hermann
Anatomie des Menschen: ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte (Band 2): Eingeweide (Einschliesslich periphere Leitungsbahnen, I. Teil) — Berlin, Heidelberg, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.15150#0629

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Herz und Herzbeutel.

entgegen. Die arteriovenösen Vorflutkanäle entlasten so das Kapillargebiet vor Über-
druck, sobald solcher eintritt und sie sich öffnen. Die motorischen Kräfte für die
Regelung der Lichtung sind auf S. 599 analysiert.

D. Herz und Herzbeutel.
I. Entstehung des Herzens.

^d In den Blutkreislauf ist ein pumpenartiger Motor eingeschaltet, das Herz,
Cor. Das Herz ist geräumig genug, um wechselnde und auch große Mengen
von Blut aufzunehmen, und ist stark genug, um das jeweils von den Organen
benötigte Blut durch diese hindurch zu treiben; die Rückkehr des venösen
Blutes zum Herzen und auch der Lymphstrom werden bis zu einem gewissen
Grade von der Herzkraft mit bedingt. Das Herz ist seiner Herkunft nach nichts
anderes als ein Stück des Gefäßschlauches, welches sich gegen ihn durch
Erweiterung der Lichtung und Zunahme der Wandmuskulatur an Kraft und
Dicke absetzte. Deshalb findet seine Beschreibung hier im Anschluß an die
allgemeine Morphologie der Gefäße ihren Platz, obgleich es durch seine Aus-
gestaltung eine ganz eigenartige Stellung und einen so hohen Rang gegenüber
den Gefäßen erreicht hat, daß man von ihm mit Recht als einer ,.Zentrale",
bei den letzteren insgesamt von „peripheren" Gefäßen sprechen kann.

Eine einfache Zirkulation, wie sie in einem Röhrensystem mit kontraktilen
Wandungen ähnlich dem Darm auch ohne besonderen Motor möglich wäre,
genügt beim Gefäßsystem nicht, weil für die Arbeit der Organe des Körpers
sehr wechselnde Blutmengen nötig sind und oft plötzlich verlangt werden.
Wenn ein Muskel beispielsweise 10 mal soviel Arbeit leisten muß wie in der
Ruhe, was bei Sportsleistungen momentan von ihm verlangt wird, so ist sein
eigener Vorrat an Glykogen sehr schnell dahin und seine Kraft würde erlahmen,
wenn nicht das Herz sofort größere Mengen von Blut mit Reserveglykogen
aus der Leber in die Peripherie pumpte. Das menschliche Herz befördert
zwischen 3 und 30 1 Blut in der Minute, ist also auf ganz außerordentliche Unter-
schiede des Bedarfes eingerichtet. Wird ein bestimmter Leistungsunter schied
konstant, wie z. B. beim Reimpferd gegenüber dem Schrittpferd (Karrengaul),
so äußert sich die dauernde Verstärkung der Wand im Gewicht des Herzens
(englischer Vollbluthengst 6 kg Herzgewicht gegenüber 5,22 kg Durchschnitts-
gewicht bei belgischem Schlag). Werden zwei junge Hunde aus dem gleichen
Wurf unter ganz verschiedenen Bedingungen aufgezogen, so erhält der Hund,
welcher dauernd körperliche Arbeit leisten muß, ein viel höheres Herzgewicht
als sein Bruder, der keine nennenswerte Arbeit verrichtet. Beim Arbeitshund
beträgt das Herzgewicht 8,9 g auf 1 kg Körpergewicht, beim Kontrollhund nur
5,5 g. Bei den Warmblütern, welche dauernd die gleiche Temperatur ihres
Körpers unter ganz verschiedenen äußeren Bedingungen aufrecht zu erhalten
haben, ist die Leistung des zentralen Motors eine viel hochgradigere als bei
den Wechsel warmen Tieren (sog. Kaltblütern). Bei Fischen haben große und
kleine Exemplare der gleichen Spezies das gleiche relative Herzgewicht, bei
Vögeln und Säugern ist es jedoch bei größeren Exemplaren geringer als bei
kleineren Exemplaren der gleichen Art ; denn die Oberfläche wächst nur im
Quadrat, das Innere im Kubus, das größere Individuum hat daher eine ver-
hältnismäßig geringere Wärmeabgabe seiner Oberfläche als das kleinere Indi-
viduum und daher ein geringeres Herzgewicht. Auch für große und kleine
Menschen trifft dies zu.- Außerdem wird die Herzgröße noch durch die Reibungs-
widerstände in den Organen, durch Sauerstoffmangel in den Lungen u. a. m.
 
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