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Braus, Hermann
Anatomie des Menschen: ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte (Band 2): Eingeweide (Einschliesslich periphere Leitungsbahnen, I. Teil) — Berlin, Heidelberg, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.15150#0623

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614

Allgemeine Gefäßlehre.

in die Vene ist ein Verbindungsglied venöser Abkunft in den Lymphgang ein-
bezogen, Saccus lymphaticus jugularis der Embryologie; im fertigen Zustand
ist er nicht abgegrenzt, sondern scheinbar das Endstück des Ductus thoracicus.
Er wird als Rest eines ehemaligen venolymphatischen Herzens der Säugetiere ange-
sehen. (Lymphherzen existieren bei Nichtsäugern in größerer Zahl, bei Säugern
kommt nur das eine Herz für den Blutkreislauf zur Ausbildung.)

II. Verästelungen und Vereinigungen der Gefäße.

Historische Im vorhergehenden Kapitel war im wesentlichen von der Struktur der
tiOTteiie^i- Gefäße die Rede; hier haben wir es mit der Gestalt der Gefäßbahn als solcher,
hangigkeit ihrer allgemeinen Morphologie zu tun.

Die größeren Arterien verästeln sich wie ein Baum in immer feinere Zweige
und gehen schließlich in das Kapillarnetz über; aus diesem sammeln sich die
Venen wiederum nach dem Bilde eines Baumes, in dem kleinere zu größeren
zusammentreten und schließlich in große Stämme münden. Die Verästelungs-
weise ist im großen und ganzen streng normiert, wenn auch individuelle
Varianten, besonders bei den Venen, häufiger sind als bei anderen Systemen
unseres Körpers, etwa bei den ebenfalls reich verästelten Nerven. Das Lymph-
gefäßsystem ist nicht weniger verästelt. Seine Astfolge und -verbreitungsart
ist besonders variabel. Die spezielle Beschreibung der peripheren Leitungs-
bahnen (Bd. III) hat das Wichtigste der Normierung der Gefäße im einzelnen
aufzuzeigen. Hier kommt es auf das Prinzipielle an.

Beim menschlichen Embryo treten die ersten Gefäße vielfach als Netze
auf, aus welchen sich die späteren Arterien- und Venenstämme erst allmählich
sondern. Diese Netze haben respiratorische Funktion, sie gleichen also dem
späteren Kapillarnetz der einzelnen Organe, sind aber durch den Körper des
Embryo hindurch so allgemein verbreitet, daß sie auch dort anzutreffen sind,
wo später nur vereinzelte Arterien- und Venenstämme liegen. Durch den Ver-
gleich mit den Embryonen der Wirbeltiere überhaupt ließ sich wahrscheinlich
machen, daß die embryonalen Netze Anpassungen an den großen Sauerstoff-
bedarf des Embryo im Mutterleib sind, welchem die Gefäße durch enorme
Vergrößerung ihrer Wandung im Kapillarnetz angepaßt sind. Bei Tieren,
deren Embryonen im freien Wasser und reichlich von Sauerstoff umspült auf-
wachsen, fehlen die Netze. Danach ist das Netz nicht der Urzustand der Gefäß-
ausbreitung, in welchem die späteren Arterien- und Venenstraßen vom Blut-
strom durch Übrigbleiben des Passendsten mechanisch ausgelesen werden, wie
man vielfach glaubt, sondern die bereits vorhandenen Straßen werden von dem
Netz so übersponrxen und verkleidet, daß wir sie erst zu Gesicht bekommen,
wenn sie größer und dicker werden als die übrigen Netzmaschen.

Die Bahnen der Arterien, die am meisten studiert sind und welche wir als
Beispiel herausheben, entsprechen im allgemeinen dem kürzesten Weg zwischen
Beginn und Ende; aber vielfach werden Umwege eingeschlagen, welche durch
nachträgliche Verschiebungen der Endorgane bedingt sind und welchen die
Arterien einfach folgen (z. B. die Arteria spermatica interna dem Descensus
testis). Die Verschiebungen können vererbt sein, so daß nicht das individuelle
Geschehen, sondern phylogenetisch bedingte Ursachen den jetzigen Verlauf
der Gefäße mit bedingen. Im großen und ganzen treten die Arterien aus dem
embryonalen Netz bereits in ihrer endgültigen Anordnung hervor; die historisch
gewordene und vererbte Anlage ist so fest in sich determiniert wie etwa die
gröbere Gestalt eines Femur, seine Gliederung in Schaft, Hals, Kopf usw.

Dagegen ist wie beim Knochen das feinere Detail in hohem Grade be-
einflußbar durch die jeweilige Funktion, in unserem Falle besonders durch
die funktionelle Anpassung an den passierenden Blutstrom und dessen hämo-
 
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