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Braus, Hermann
Anatomie des Menschen: ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte (Band 2): Eingeweide (Einschliesslich periphere Leitungsbahnen, I. Teil) — Berlin, Heidelberg, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.15150#0554

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Blut und Lymphe.

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f>. Blut und Lymphe (Hämatologie).

Wir behandeln zuerst den Inhalt der Gefäße. Bas Blut läßt durch seine u?*eJ"
Farbe unsere Haut an den Wangen usw. rötlich erscheinen; es schimmert beim
insbesondere durch die Schleimhäute durch. Die Lymphe dagegen, welche Lebenden
farblos ist, ist weniger auffällig, ihre Wege sind ungefärbt. An fast allen
Stellen sind die Blut- und Lymphgefäße so nebeneinander gelagert und mit-
einander verflochten, daß bei Verletzungen Blut und Lymphe zugleich ab-
fließen; die Farbe des Blutes verbirgt jedoch die Lymphe. Eine Ausnahme
macht der rein epitheliale Überzug der Haut, die Epidermis. Sie ist frei
von Blutgefäßen. Bei einer tiefergehenden Verletzung wird sie freilich durch-
rissen oder durchschnitten, so daß Blut aus den Gefäßen der bindegewebigen
Lederhaut, dem Korium, ausströmt. Bei ganz oberflächlichen Abschürfungen,
z. B. beim Rasieren mit einem stumpfen Rasiermesser, quillt nicht selten ein
Tröpfchen einer wässerigen Flüssigkeit aus der unscheinbaren Wunde. Dies
ist reine Lymphe. Sonst sieht man sie am Lebenden nur bei größeren Ein-
griffen wie Bauchhöhlen- oder Gelenkeröffnungen u. dgl.

Das Blut ist bei Tieren mit Schwimmhäuten, z. B. beim Frosch, dem Schwanz
der Kaulquappe, den Kiemengefäßen von Fischen und Amphibien, den Embryonen
fast aller Tier Massen auch im Leben innerhalb der Blutgefäße zu beobachten.
Beim lebenden Menschen sieht man die feinsten Blutwege mit binokularen Mikro-
skopen im Augenhintergrund und im Nagelfalz; neuerdings ist für die Beobach-
tung in den oberflächlichen Schichten der Lederhaut ein besonderes Mikroskop
eingeführt worden („Kapillarmikroskop"). Was man dort beim Lebenden sieht,
ist nicht die Gefäßwand selbst, diese bleibt unsichtbar, sondern nur der „körnige"
Inhalt, das Blut. Die Richtung des Blutstromes ist an der Fortbewegung der
„körnigen" Trübung erkennbar. Die Blutkörperchen sind beim lebenden Menschen
nicht einzeln zu sehen, sie sind bloß die Grundlage des „körnigen" Inhaltes der
Kapillare». Bei niederen Tieren mit großen Blutkörperchen, z. B. in der Schwimm-
haut des Frosches, sind sie auch einzeln zu beobachten, zumal bei durchfallendem
Licht viel stärkere Vergrößerungen wie mit dem Kapillarmikroskop anwendbar sind.

Blut und Lymphe enthalten korpuskuläre Elemente, Zellen, welche in der ^^j^1*
Flüssigkeit, welche die Hauptmasse bildet, schwimmen, zum Teil rein passiv, puskula
zum Teil insofern aktiv, als sie vom Flüssigkeitsstrom an einen neuen Ort zwar
fortgeschwemmt, von dort aus aber sich durch eigene Tätigkeit weiterbewegen
können. Die Korpuskula, welche dem Blut seine rote Farbe geben, sind bei
den Säugetieren und beim Menschen aus Zellen entstanden, aber kernlos. Eine
Vermehrung durch mitotische oder irgendeine andere Art der Kernteilung ist
unmöglich. Infolgedessen sind die Bildungsstätten außerhalb des Blutstromes
zu suchen. Auch bei den wirklichen (kernhaltigen) Zellen im Blut und in der
Lymphe, welche immer farblos sind und sich dadurch sehr sinnfällig von den
gefärbten, kernlosen Elementen unterscheiden, liegt der Entstehungsherd
außerhalb der Gefäßbahn. Nur in pathologischen Zuständen und nur ganz
ausnahmsweise im normalen Leben werden Bildungszellen von Blut- oder
Lymphkörperchen mit in die Strombahn ausgeschwemmt oder die Zellen
(Leukozyten), welche an sich die Fähigkeit haben sich zu teilen und zu ver-
mehren, üben dieses in der Norm latente Vermögen aus; sie wandern besonders
bei Entzündungen in die benachbarten Gewebe, vermehren sich ganz ungeheuer
und schmelzen durch ihre giftigen Produkte ihre normale Nachbarschaft
ein (Eiter, Abszeß). Das ist aber das Gegenbild des üblichen Verhaltens. Die
korpuskulären Elemente im Blut und in der Lymphe sind zwar von höchster
biologischer Bedeutung, aber sie benutzen gewöhnlich die strömende Flüssigkeit
nur als Vehikel. Sie gelangen von außerhalb in sie hinein, um in ihr zu altern
und zu sterben oder um sie wieder zu verlassen und außerhalb zugrunde zu
gehen. Die Stätte der Vernichtung kann die gleiche sein wie die Bildungs-
Braus, Lehrbuch der Anatomie. II. 35
 
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