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Braus, Hermann
Anatomie des Menschen: ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte (Band 2): Eingeweide (Einschliesslich periphere Leitungsbahnen, I. Teil) — Berlin, Heidelberg, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.15150#0570

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Bildung und Zerstörung der Blutkörperchen.

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bung erübrigt sich, da die Lymphozyten in der Lymphe genau denen im Blut
entsprechen (Abb. 266 rechts oben).

Das Lymphplasma ist eine durchsichtige klare Flüssigkeit, welche allerdings
zeitweise durch Beimischung zahlreicher bereits beim Blut beschriebener Fett-
tröpfchen getrübt sein kann; sie sind am zahlreichsten nach fettreichen Mahl-
zeiten in den Lymphgefäßen des Gekröses, z. B. bei Säuglingen, welche kurz
vorher Milch getrunken haben (Chylus, S. 267). Das Lymphplasma ist
chemisch dem Blutplasma ähnlich; an gelösten Substanzen und Gasen ist es
ärmer, dagegen an Fett reicher, da es nur Fett transportiert und nicht wie das
Blut Kohlehydrate und Eiweißkörper. Die Emulsion ist viel dünner: während
beim normalen Blut im mm3 über 5 Millionen Korpuskula schwimmen, zählt
man in der Lymphe nur wenige und sehr wechselnde Zellen pro mm3. Die
Gesamtmenge der Lymphe, welche pro Tag in das Blut abfließt, wird auf
1—2 Liter geschätzt.

Die Lymphozyten sind durch ihre amöboide Tätigkeit aktiv ganz besonders
beweglich. Sie können infolgedessen, anstatt sich mit der Lymphe in das Blut
passiv mitschleppen zu lassen, unmittelbar in die Blutgefäße einwandern (Immi-
gration). Doch unterliegt ihre Auswanderung (E migration) in den meisten Fällen
einer sonderbaren Beschränkung. Lymphozyten, die noch nicht in das Blut gelangt
sind, können in die Gewebe des Körpers einwandern und also auch innerhalb der
Lymphbildungsstätten in die Blutgefäße eindringen. Sie verlieren aber meistens ihre
Fähigkeit zu wandern, wenn sie im Blutstrom drin sind und können nicht mehr aus
ihm heraus bis zu ihrem Untergang; sie sind Gefangene des Blutes. Darin gleichen
sie den blutspezifischen Korpuskula, die ebenfalls das Blut nie verlassen, außer
in pathologischen Zuständen, welche von ihrer Fähigkeit an sich Zeugnis ablegen
(z. B. der Austritt der neutrophilen Granulozyten als Eiterkörperchen). Die Kon-
stanz der Blutkörperchenzahl ist also lediglich bestimmt durch die Zu- und Abfuhr
seitens bestimmter Organe, die Blutbahn selbst ist kein Sieb für die Korpuskula,
wohl für die gelösten Stoffe, aber auch nur an bestimmten Stellen (siehe Blut-
kapillaren). Die Lymphozyten können auch in pathologischen Zuständen nur aus
den lymphbildenden Organen und Lymphgefäßen emigrieren, nicht aus den Blut-
gefäßen; sie bilden die Hauptmasse der krankhaften kleinzelligen Infiltration der
Gewebe (lymphozytär-exsudative Entzündung). Obgleich der Lymphstrom
offen in die Blutbahn mündet, dringen nie Blutplättchen in ihn ein. Aber die
Lymphe vermag trotzdem zu gerinnen. Die Fibrinfermente sind also nicht aus-
schließlich in den Blutplättchen lokalisiert. Thrombokinase hat man auch in weißen
Blutkörperchen und Gewebszellen gefunden.

In krankhaften Zuständen werden Bildung szellen der Lymphe in die Lymph -
bahn ausgeschwemmt (siehe Lymphbildungsstätten). Gelegentlich werden Zellen
beobachtet, welche den neutrophilen Granulozyten des Blutes gleichen, aber anderer
Herkunft sind.

III. Bildungs- und Zerstörungsstätten der Blutkörperchen.

Da die korpuskulären Elemente der Lymphe im Blut nicht fehlen, so Ersatz von
behandeln wir mit der Frage des Blutkörperchenersatzes zugleich die Frage auß<ieral
der Entstehung der Lymphkörperchen. Blutbahn

Die Lebensdauer der Erythrozyten wird auf 3—4 Wochen veranschlagt.
Allmonatlich also wird fast der gesamte Bestand des Blutes an korpuskulären
Elementen erneuert, aber nicht auf einmal, wie annähernd die Mauserung der
Haare vom Winter- zum Sommerpelz, sondern sukzessive, da jedes Körperchen
wieder ein anderes Alter hat und deshalb jedes zu seiner Zeit dem Nachfolger
Platz macht. Der Gesamtbestand von Erythrozyten wird trotz beständigen
Zu- und Abganges auf das Feinste eingehalten.

Wie lange die Leukozyten und Thrombozyten leben, wissen wir nicht genau.
Erstere bleiben außerhalb des Körpers (in vitro) tage-, selbst wochenlang lebend,
haben also einen Turnus, der wahrscheinlich so lang ist wie bei den Erythro-
zyten; sie sind zur mitotischen Vermehrung innerhalb des Blutstromes befähigt,

Braus, Lehrbuch der Anatomie. II. 36
 
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