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Braus, Hermann
Anatomie des Menschen: ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte (Band 2): Eingeweide (Einschliesslich periphere Leitungsbahnen, I. Teil) — Berlin, Heidelberg, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.15150#0557

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Blut und Lymphe.

und im Eisschrank aulbewahrt, so gerinnt es nicht. — Ein häufig vorkommender
Fehler im Sprachgebrauch ist der, Blutplasma als Blutserum zu bezeichnen.

Fibrin Zur Entstehung von Fibrin ist das Zusammentreffen des Fibrinogen, das

in allen plasmatischen Körperflüssigkeiten gelöst vorkommt, mit einer ferment-
artigen Substanz notwendig, welche im normalen Blut fehlt. Fibrinferment wird
beim Zerfall von Blutplättchen, Leukozyten, aber auch von Zellen außerhalb des
Blutes, z. B. gerissenen Gefäßwandzellen, frei. Daher gerinnt das Blut, welches
aus einer G-efäßwunde austritt, automatisch unter der Wirkung der letzteren und
verstopft die Wunde, falls nicht der Biß zu groß ist oder die Fibrinplombe (Throm-
bus) unter dem Druck der Blutsäule wieder gesprengt wird. So nützlich der
G-erinnungsprozeß für die Wundheilung sein kann, so gefährlich ist das Auftreten
von Fibrinkoagula im Inneren der Gefäße, falls in pathologischen Fällen im Lumen
selbst Fibrinferment frei wird. Die Fibrinpfröpfe können, vom Blutstrom mit-
gerissen, lebenswichtige Organe verstopfen und schwere Erkrankungen oder den
Tod herbeiführen (Embolie).

Die Fibrinausscheidung ähnelt einem Kristallisationsprozeß. Man sieht feinste
Partikelchen aneinander schießen, bis lange Fäden entstehen. Der Vorgang liegt
unterhalb des Auflösungsvermögens des gewöhnlichen Mikroskopes, ist aber mit
dem Ultramikroskop in allen seinen Phasen zu verfolgen. Ein Plasmatröpfchen,
welches geronnen ist, gleicht einem feinsten Gerüstwerk von ultramikroskopisch
feinen Fäserchen, welche sich netzförmig überkreuzen und verbinden; die Maschen
sind mit flüssigem Serum gefüllt. Man benutzt solche Plasmaklümpchen mit Vor-
liebe zur Züchtung von Zellen und Geweben außerhalb des Körpers (Explan-
tation, Kultur in vitro). In krankhaft veränderten Organen oder in Spalten des
menschlichen Körpers können große Mengen von Fibrin ausgeschwitzt werden, in
welchen grobe Fäden und Balken unter dem gewöhnlichen Mikroskop sichtbar sind.
Ich verweise deswegen auf die Lehrbücher der Pathologie.

Schlägt man Blut, so kann man es ,,defibrillieren", d. h. das Fibiin scheidet
sich allein ab. Während beim gewöhnlichen Gerinnungsprozeß höchstens in der
Spockhaut reines Fibrin abgeschieden wird, das meiste jedoch mit den Blut-
körperchen zusammen ausfallt, bleibt beim defibrinierten Blut das Serum mit
den Blutkörperchen beisammen; die Flüssigkeit sieht unverändert rot, nicht farblos
aus (wie bei der gewöhnlichen Gerinnung).

1. Erythrozyteil.^

Die einzelnen roten Blutkörperchen, Erythrozyten, sind verschieden
geformt, je nachdem sie im strömenden Blut innerhalb der Gefäße oder in einem
Blutstropfen, welcher einer Riß- oder Stichwunde entnommen ist, untersucht
werden. Die Normalform ist natürlich die erstgenannte. Die Blutkörperchen
haben das Aussehen eines eingedrückten Gummiballes (Gastrula); ihre Form
wird oft verglichen mit der eines niedrigen Napfes (Napfform) oder einer weit
offenen Glocke (Glockenform, Abb. 264). Sie ist äußerst veränderlich, so daß
die Entnahme aus dem Körper genügt, um sie umzugestalten; die roten Blut-
körperchen werden dann zu bikonkaven Scheiben, deren Zentrum heller aus-
sieht als die Peripherie, weil die Delle der einen Seite sich im Zentrum der
Scheibe der gegenüberliegenden Delle am meisten nähert und die dazwischen-
liegende Substanz dünner und deshalb durchsichtiger ist als der kompaktere
Randring (links oben in Abb. 265 und 267). Man darf die helle Stelle in
solchen Bildern nicht mit dem Kern von Zellen verwechseln. Die künstliche
Färbung mit Kernfarbstoffen lehrt, daß kein Kern vorhanden ist. Im Profil
gesehen haben die bikonkaven Blutkörperchen Biskuitform. Sie neigen dazu,
sich mit den Flächen aneinander zu reihen Avie aufeinandergetürmte Geld-
stücke, man spricht von ,,Geldrollen"; sie sind charakteristisch für dicke
Blutstropfen, die man unter dem Mikroskop betrachtet, dünn ausgebreitetes
Blut zeigt sie nicht. Im strömenden Blut der Gefäße sieht man an geeigneten
Objekten, daß die Erythrozyten fortgetrieben werden, ohne daß sie ihre
Form ändern und ohne daß sie sich drehen. Nur bei sehr engen Kapillaren,
deren Querschnitt geringer ist als der Durchmesser der roten Blutkörperchen,
 
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