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Braus, Hermann
Anatomie des Menschen: ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte (Band 2): Eingeweide (Einschliesslich periphere Leitungsbahnen, I. Teil) — Berlin, Heidelberg, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.15150#0555

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546

Blut und Lymphe.

statte; beide sind aber häufiger ganz verschiedenartig und weit voneinander
entfernt.

Biundng unc^ Lymphe sind also eine Art Fremdkörper im Organismus. Sie sind

Zerstörung zwar von ihm hervorgebracht, stehen aber, solange sie in ihren Strombahnen
fließen, nicht in. dem organischen Zusammenhang mit ihren Bildungs- und
Zerstörungsstätten wie es für die Gewebe und Organe charakteristisch ist,
deren Zellen, indem sie sich vermehren und Produkte abgeben, aus sich und
aus ihren Derivaten am Ort das aufbauen, was für sie charakteristisch ist.
Man hat geradezu gesagt, daß das Blut weder ein Gewebe noch ein Organ
sei. Auch die Flüssigkeit muß von außen in die Gefäße eingefüllt werden.

Wir behandeln im folgenden beim Blut und bei der Lymphe in getrennten
Kapiteln 1. die geformten Elemente der fertigen Flüssigkeiten und
2. ihre Bildungs- und Zerstörungsstätten.

Da die Blut- und Lymphkörperchen an sehr verschiedenartigen und weit-
getrennten Stellen entstehen, würde es die Übersicht erschweren anstatt sie zu
erleichtern, wenn wir hier von der Entwicklung ausgehen würden. Bei den eigent-
lichen Organen, z. B. der Lunge oder der Leber, sieht man im Gange der individuellen
Entwicklung am Orte selbst zunächst einfache und dann kompliziertere Sonderungen
Platz greifen, so daß der ontogenetische G-ang didaktische Vorteile hat. Beim Blut
ist die Entwicklung nicht minder wichtig. Aber für Lehrzwecke ist sie für jede
Art von körperlichen Elementen an besondere Organe gebunden, die besser erst
geschildert, weil leichter verstanden werden, wenn das Ziel ihrer Tätigkeit, die
normale Zusammensetzung des fertigen Blutes, bekannt ist. Für die Lymphe gilt
ähnliches. Wir stellen das Blut voran, weil hier die ganze Fülle übersichtlich wird.
Die Lymphe ergießt sich in das Blut; alles was in ihr ist, findet sich also auch im
Blut.

Wegen der eigenartigen biologischen Stellung des Blutes zu den Geweben und
Organen gibt es keine genuinen Krankheiten des Blutes. Sie werden lediglich
in dieses hineingetragen. Da es aber durch den ganzen Körper wieder und wieder
hindurchströmt, ist es ein äußerst feines Reagens für Erkrankungen, die es wider-
spiegelt, das Substanzen in sich aufnimmt, vernichtet oder verbreitet. Das Fieber
ist eines der wichtigsten Merkmale von Störungen des Organismus, welche die
erhöhte Bluttemperatur dem Arzt anzeigt.

I. Das fertige Blut.

farbia^und ^e Kenntnis des Blutes ist für die Beurteilung des gesunden und kranken
farblose Menschen von so hoher Wichtigkeit, daß sie zu einem besonderen Wissenszweig,

Blut- T •

körperchen der Häniatologie, ausgewachsen jst (von ahia = Blut). Im weiteren Sinn
gehört auch die Lymphe mit hierher, weil alle Lymphkörperchen auch im Blut
vorkommen.

Das Blut ist eine Emulsion, d. h. eine Aufschwemmung zahlreicher, mikro-
skopisch kleiner Körperchen in einer Flüssigkeit ähnlich wie die Milch. Man
nennt die Körperchen Corpuscula sanguinis, die Flüssigkeit Blutplasma.
Die Gesamtmenge des zirkulierenden Blutes beträgt 10% des Körpergewichts,
also bei einem 140 Pfund schweren Manne ca. 7 Kilo (Liter). Die Beziehung ist
ungefähr konstant. Große Blutverluste können durch schnelle Abgabe von
Gewebsflüssigkeit an das Blut oder durch künstliche Einverleibung von physio-
logischer Kochsalzlösung in eine Vene ausgeglichen werden. Geschieht dies
nicht rechtzeitig, so kann der Tod die Folge sein.

Im strömenden Blut ist die Emulsion so gleichmäßig gemischt, daß das
Ganze gleichmäßig rot gefärbt und gleichmäßig flüssig ist. Beim Leichenblut
oder bei Blut, welches im Leben aus den Gefäßen austritt, verändert sich der
Aggregatzustand: das Blut „gerinnt". Eine feste Masse, der rote oder braune
Blutkuchen (Cruor sanguinis), ist beim geronnenen Blut zu Boden ge-
sunken, darüber steht eine durchsichtige wässerige Flüssigkeit, das Blut-
serum. Im Herzen einer Leiche sitzt gewöhnlich den Blutkoagula, welche
 
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