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Braus, Hermann
Anatomie des Menschen: ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte (Band 2): Eingeweide (Einschliesslich periphere Leitungsbahnen, I. Teil) — Berlin, Heidelberg, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.15150#0609

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Allgemeine Gefäßlehre.

Herz" die Kraft des zentralen Motors ständig unterstützen. Aber in besonderen
Fällen kann die eigene Tätigkeit der Haargefäße nach Art einer peristaltischen
Welle einsetzen und das vom Herzen ausgehende Druckgefälle korrigieren,
ebenso wie die Endothelien die chemisch-physikalischen Eigenschaften der
Kapillarwand selbsttätig beeinflussen. Besonders da, wo zwei Kapillargebiete
hintereinander geschaltet sind, wie im Pfortaderkreislauf (Abb. 263), ist wahr-
scheinlich die Eigentätigkeit der Kapillaren für die Hämodynamik besonders
wichtig.

vation neuere Technik hat uns mit einer reichlichen Versorgung der Haargefäße

mit Nerven bekannt gemacht, welche deshalb als Bahn der nervösen Leitung
für die Kapillarwand gesichert sind, weil besondere Nervenendigungen in ihr
festgestellt wurden (Abb. 288). Inwieweit die Kapillaren der verschiedenen
Körperdistrikte verschieden innerviert werden, ist noch zu wenig untersucht.
Die besten Bilder stammen aus den Plexus chorioides des Gehirns, in welchen
eine besonders lebhafte Tätigkeit bei der Ausscheidung des Liquor cerebri und
deshalb vielleicht eine besonders hohe Ausbildung der Nervenbahnen für die
Kapillarwand statt hat. Die Nerven gehören zum sympathischen Nerven-
system; denn man hat den Sympathikus bei Tieren gereizt und gesehen, daß
die Lichtung der zugehörigen Haargefäße sich daraufhin verengerte.

Gewisse konstitutionelle Eigentümlichkeiten äußern sich gleichzeitig in den
Haargefäßen und an sonstigen Provinzen des Körpers, die vom Sympathikus abhängig
sind, z. B. an der glatten Muskulatur (vasoneurotische Schwäche). Die Haar-
gefäße weisen dabei Anomalien der sekretorischen Tätigkeit oder der Motilität
ihrer Wandungen auf. Daraus können wir schließen, daß auch in der Norm die
nervösen Leitungsbahnen sowohl sekretorisch wie motorisch auf die Endothelien
der Haargefäße einwirken. In dem nervösen Zusammenhang zwischen den Zentral-
organen des Nervensystems und den Blutkapillaren zeigt sich ein Weg, welcher
die Abhängigkeit organischer Erkrankungen des Körpers von psychischen Leiden
begreiflich erscheinen läßt. Seelische Vorgänge können auf dem Wege über den
Sympathikus die Haargefäße beeinflussen und dadurch die Funktionen der Organe
nach der gesunden oder kranken Seite hin leiten.

Welche Bedeut ung die verschiedenartigen Endknöpf chen der Kapillar wand-
nerven haben (Abb. 288), ist noch unbekannt, ebenso ob nur eine Zuleitung vom
Sympathikus oder auch eine Ableitung dorthin besteht.

2. Die Wand der Arterien und Venen.

^er^rid1 Man kann sagen, daß im allgemeinen bei den Arterien das muskulöse, bei
lokaler den Venen das bindegewebige Element in der Wandung vorwiegt, doch sind
die Schwankungen so groß, daß Venen vorkommen, deren Wand genau so viel
oder mehr Muskulatur enthält als muskelschwache Arterien. Ganz anders
gestaltet sich die Sache, wenn wir diejenigen Arterien und Venen miteinander
vergleichen, welche zu ein und demselben Organ oder zu dem gleichen Körper-
bezirk gehören. In diesem Falle sind sie aufs deutlichste voneinander verschieden
und nicht miteinander zu verwechseln.

Die hämodynamische Aufgabe der beiden Gefäßarten ist prinzipiell sehr
verschieden. Die Arterien leiten das Blut gegen den Widerstand der eigenen
Gefäßwandungen und des Kapillarnetzes der Peripherie zu. Man hat den Druck
in der Aorta mit dem in den Kapillaren verglichen und daraus berechnet, daß
ein ganz gewaltiges Kraftgefälle zwischen Herz und Peripherie besteht; durch
die Viskosität des Blutes, durch die Reibung an den Wänden und besonders an
den Verzweigungsstellen der Arterien, schließlich durch das Einzwängen der Blut-
körperchen in die engen Lumina der kleinsten Arterien wird der größte Teil
der Herzkraft erschöpft, bis das Blut die Haargefäße erreicht. Dabei wird
Wärme frei, und zwar so viel, daß etwa 2% der vom Menschen täglich produ-
zierten Gesamt wärme aus dieser Quelle stammt. Die Geschwindigkeit und

Gegensatz
 
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