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Braus, Hermann
Anatomie des Menschen: ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte (Band 2): Eingeweide (Einschliesslich periphere Leitungsbahnen, I. Teil) — Berlin, Heidelberg, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.15150#0673

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Herz und Heizbeutel.

zugewendeten Fläche wieder auf und ziehen besonders an der Scheidewand
steil aufsteigend zu dem Faserring empor, wo sie enden. Jedes Faszikel hat
demnach, wenn wir es uns in einer Ebene ausgebreitet denken, die Form eines V
mit bald engerem, bald weiterem Winkel; die beiden freien Enden sind an
den Faserringen befestigt, die Knickstelle liegt an der Herzspitze, der Zwischen-
raum zwischen den Schenkeln ist mit mittleren Lagen von Herzmuskeln aus-
gefüllt.

Die Mittelschicht zwischen den beschriebenen dünnen Schichten der äußeren
und inneren Oberfläche ist für jeden Ventrikel selbständig und beim linken
Ventrikel besonders stark. Sie wird auch Treibwerk genannt, weil ihr die
Hauptaufgabe zufällt, das Blut durch den Körper zu befördern. Die Muskel-
bündel verlaufen wesentlich zirkulär, doch gehen sie nach außen und innen
zu mit zahlreichen schräg verlaufenden Übergangsbündeln allmählich in die
steilen Oberflächenbündel über. Die zirkulären Fasern entfalten die größte
Kraft bei der Verengerung des Ventrikels; die schrägen und longitudinalen
regulieren dieses Treibwerk so, daß eine konzentrische Verengerung zustande
kommt und daß nicht das, was durch die transversale Verengerung gewonnen
wird, durch eine Verlängerung des Herzens wieder teilweise verloren gehen kann.

Die Mittelschichten sind im Herzseptum nicht scharf voneinander geschieden,
auch ziehen Züge von dem septalen Papillarmuskel der linken Kammer durch die
Scheidewand hindurch zu den der Scheidewand angehefteten oder naheliegenden
Papillarmuskeln der rechten Kammer.

Man hat aus entwicklungsgeschichtlichen Gründen versucht, alle Bündel der
Ventrikel aus zwei getrennten Systemen abzuleiten. Eines entspringt vom Conus
arteriosus und der Aorta ascendens, das andere von der Stelle des rechten Ventrikels,
welche dem Sinusanteil der rechten Vorkammer zunächst liegt (bulbospirales
und sinuspirales System). Die Grenzen sind jedoch beim fertigen Herzen
so verwischt und die Ableitung ist so kompliziert, daß nur wenig damit gewonnen
scheint.

5. Reizleitungssystem, Nerven und Gefäße.

Wir unterschieden oben bereits von den Arbeitsmuskeln die Leitungsmuskeln
des Herzens. Letztere werden auch Brückenmuskeln genannt, weil sie die
einzigen Verbindungen zwischen Vorhöfen und Ventrikeln sind, also die Grenze
überbrücken, welche für die Arbeitsmuskeln durch die Faserringe ganz scharf
gezogen ist. Alle Leitungsfasern zusammen heißen Reizleitungssystem;
ein Teil davon, speziell die Brückenfasern für die Vorhöfe und die Kammern,
sind mit bloßem Auge sichtbar und werden als das Atrio ventrikulärbündel
bezeichnet. Dem ganzen System liegt die Regelung der festen Schlagzahl
und -folge des Herzens ob und die normale Sukzession zwischen den Systolen
der Vorhöfe und der Kammern. Wird das Atrioventrikularbündel im Tier-
versuch gequetscht, zerschnitten oder beim Menschen durch krankhafte
Prozesse zerstört, so schlagen die Ventrikel nicht mehr im gleichen Tempo
mit den Vorhöfen (atrioventrikuläre Dissoziation), ein Beweis für die Wichtig-
keit der Reizleitung.

Die atrioventrikulären Muskeln unterscheiden sich histiologisch von den
Arbeitsmuskeln (eigentliches Myokard) durch einen größeren Reichtum an
Sarkoplasma und durch Armut an Muskeifibrillen. Beim Herzen der Huftiere
ist der Unterschied besonders deutlich. Dort erweisen sich die hellen Fäden
des Atrio ventrikulär bündels, welche man makroskopisch leicht durch das
Endokard hindurch sehen kann, unter dem Mikroskop als zusammengesetzt
aus Reihen von kubischen Zellen, welche nur einen schmalen Randbelag von
Muskelfibrillen aufweisen, im übrigen aber mit Sarkoplasma gefüllt sind, in
dessen Zentrum der Kern liegt (Purkinjesehe Zellen). Beim menschlichen
Herzen sind die Unterschiede weniger deutlich. Die Fasern sind durch Quer-
 
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