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Braus, Hermann
Anatomie des Menschen: ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte (Band 2): Eingeweide (Einschliesslich periphere Leitungsbahnen, I. Teil) — Berlin, Heidelberg, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.15150#0573

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564

Bildung und Zerstörung der Blutkörperchen.

sind im postfötalen Leben des gesunden Menschen eine Arbeitsteilung ein-
gegangen, indem das eine nur den Ersatz, das andere nur die Ausmusterung
der Erythrozyten (und wahrscheinlich auch der Blutplättchen) besorgt. Die
in ihrem Gesamtbestand ungefähr gleichbleibende Armee der Erythrozyten
wird durch neue Rekruten aus dem Knochenmark genau so stark ergänzt,
wie sie Verluste an die Milz abgibt. Die Milz ist aber gleichzeitig Bildungs-
stätte für die Lymphozyten; selbst im Knochenmark finden sich lymphbildende
Stellen. So fügen sich Bildungs- und Zerstörungsstätten der Erythro- und
Leukopoese in buntem Wechsel ineinander. Deshalb kann bei der Störung
eines Gesamtorganes, z. B. der Milz, die Folge sehr verschiedenartig für die
verschiedenen Blutkörperchenarten sein. Wir betrachten die einzelnen Organe,
welche für die Blutbildung und -Zerstörung in Betracht kommen, als solche in
ihrem eigenen Zusammenhang, um ihren Bau aus ihrer biologischen Leistung
zu verstehen.

1. Das Knochenmark.

FarbhiiLage -^as Knochenmark, Medulla ossium, ist bei jungen Individuen in allen
Knochen, Knochen rot gefärbt, bei zunehmendem Alter wird es in den Diaphysen der
„nutricia" Röhrenknochen durch Einlagerung von Fettzellen gelb (Fettmark), im Alter
ist es weißlichgrau, gelatinös, soweit die Blutbildung erloschen ist (Gallertmark).
Bei Röhrenknochen mit gelbem Mark ist doch in den engen Maschen der
Knochenstrukturen der Epiphysen noch rotes Mark vorhanden; vor allem sitzt
letzteres bei erwachsenen Menschen in allen kleineren Knochen wie den Wirbel-
körpern, Schädel-, Hand- und Fußwurzelknochen, endlich im Brustbein und
in den Rippen. Es ist das eigentlich blutbildende Gewebe. Sein Volumen ist
beim Kind 11 mal so groß wie das der Milz. In seiner Totalität heißt es das
Markorgan.

Wegen der Anordnung des roten Knochenmarkes verweise ich auf die
Beschreibung der Knochenspongiosa (Bd. I, S. 52); sie ist das Gerüst, welches
die empfindlichen Bildungszellen und reifenden Blutkörperchen vor Erschütte-
rungen schützt. Daß die Kompakta der Knochen als Kapsel den Inhalt vor
Zertrümmerungen oder Quetschungen sichert, wurde oben erwähnt.

Der Baum, Cavum medulläre, für das Knochenmark ist nur da einheitlich,
wo große Massen von Fettmark angehäuft sind, z. B. in den großen Böhrenknochen
der Binder, die deshalb als „Markknochen" für die Küche Verwendung finden.
Beim Menschen ist auch das gelbe Knochenmark von zahlreichen Knochenbälkchen
durchzogen, welche das Rinderknochenmark ungenießbar machen würden. Es
enthält verstreute Inselchen von Blutbildlingszellen, letztere sind aber nicht entfernt
so zahlreich wie im roten Knochenmark. Charakteristischerweise verschwinden
die Knochenbälkchen erst dann völlig, wenn alle Blutbildung erloschen und das
Mark ganz verfettet ist.

Im G-reisenalter verfetten auch die Markräume der kleineren Knochen. Dafür
tritt in den Diaphysen der langen Röhrenknochen neues rotes Knochenmark auf.
Auch bei Krankheiten ist das gleiche beobachtet.

Bei Tieren, die wenig Knochenmark besitzen, enthalten die Nieren entsprechende
Blut bildungsstätten.

Je nach dem Gehalt an roten und weißen Bildungszellen ist die Farbe des Mark-
organs für das bloße Auge lebhafter rot oder mehr graurot. Bei starkem Überwiegen
von neutrophilen Granulozyten kann die Tönung in das Gelbliche übergehen, ohne
daß daraus auf Fetteinlagerungen geschlossen werden darf. Sicherheit gibt allein
die mikroskopische Untersuchung.

Die fertigen Erythrozyten verlassen das Knochenmark auf dem Wege der Venen
in den Foramina nutricia, die bei den großen Röhrenknochen genau bekannt
sind (siehe Bd. I: Humerus, Radius, Ulna, Femur, Tibia, Fibula). Der Name ist
wenig glücklich, weil die wesentlichen ernährenden Gefäße für den Knochen
nicht durch diese Löcher, sondern durch die perforierenden Volkmann sehen
Kanäle vom Periost aus, besonders auch von den metaphysären Gefäßen aus ein-
dringen. Die Foramina ,,nutricia" ernähren vielmehr im gewissen Sinne den Körper,
 
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