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Die Gartenkunst — 10.1908

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Pudor, Heinrich: Der Volkspark von Groß-Berlin
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Heicke: Die neue Anlage in Bad Nauheim, "ein Dokument moderner deutscher Gartenkunst", [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.49258#0022

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12

DIE GARTENKUNST

X, 1

möchte ich die Spiel- und Bewegungslust-Sphäre; ge-
wertet wissen, sondern auch psychologisch-pädagogisch,
als Menschen bildend und gestaltend im wahren Sinne
des Wortes. Denn der Mensch lebt nicht vom Brot
allein und auch nicht von der Luft allein, er kann
nur unter den belebenden Strahlen der Freude wachsen,
blühen und gedeihen. Und der Auslösung der Freude
wesentlich soll diese Bewegungslust - Sphäre dienen.
Gerade um die schädlichen Mittel der Scheinfreude
und des Scheingenusses, der augenblicklichen, krank-
haft reizenden Genußmittel des Alkohols, der Sexualität
und vor allem auch der Stupidität (Volksverdummung,
wie sie die heute so stark grassierenden Vorstadt-
,,Rummel“ und inmitten der Stadt die Varietes,
Kinematographen, Panoptiken etc. ausüben), gerade

um diese üblen Gelegenheiten aus dem Felde zu
schlagen, müssen wir solche Spiel-Dorados so freigebig
als möglich ausbauen und dem Volke zu diesen
natürlichen Vergnügungen wieder Lust machen. Auch
Gesang, Militärmusik, eine Art Volksmusik, muß hier
unterstützend wirken, vor allem aber das Volkstheater
als Freiluft- und Naturtheater und ebenfalls das Freiluft-
museum, jenes, nach Art des Harzer Bergtheaters, dieses
nach Art der nordischen Freiluftmuseen (z. B. Skansen).
Nehmen wir nunmehr alles zusammen, so haben
wir den Volkspark vor uns, wie wir ihn uns für Groß-
Berlin in verschiedenen Teilen des gewaltigen Stadt-
geländes denken. Ein Volkspark, der dem Volke
Sonntags zur Erholung, Erheiterung und Bildung dient
und der Tag für Tag und Tag und Nacht die um-
liegenden Stadtteile mit frischer Luft versorgt, der
Licht und Grün und bunte Farben in den gar zu ein-
förmig grau gehaltenen Teppich des Straßennetzes
webt und farbenhelle Natur mitten in die Kultur setzt.

Gegenbeispiele.
1. Die neue Anlage in Bad Nauheim,
„ein Dokument moderner deutscher Gartenkunst.“
Am Schlüsse des Aufsatzes über den alten Kur-
park in Bad Nauheim in Nr. 6 des Jahrganges 1907
der Gartenkunst (Seite 116) sagte ich, anknüpfend an
anerkennende Worte, die der Verfasser eines Führers
durch die Park- und Waldanlagen von Bad Nauheim
dem Andenken Heinrich Siesmayers gewidmet hat,
es wäre zu wünschen, daß man bei den Schöpfungen,
die man seit 1897 auf Nauheimer Gebiet außerhalb
des alten Parkes ausführt, etwas mehr von Meister
Siesmeyers Geiste verspüren könnte.
Ich hatte dabei die Anpflanzungen
im Auge, welche in den letzten zehn
Jahren die großherzoglich hessische Re-
gierung in der denkbar besten Absicht
und mit erheblichem Kostenaufwand hat
schaffen lassen, um die Stadt Nauheim,
ihre Badeeinrichtungen und Kuranlagen
mit den benachbarten Waldungen durch
schattige Anlagen und bequeme Wege
in Verbindung zu setzen, ein Vorhaben,
das in seiner Grundidee eine nicht hoch
genug zu schätzende großzügige Auf-
fassung von der Aufgabe der Landes-
pflege im besten Sinne verrät. Aber wie
ist die Sache gemacht worden!
Die Ausführung liegt in den Händen
des Verwalters des Forstreviers Bad Nau-
heim, welches im Jahre 1900 von der
Oberförsterei Rosbach abgezweigt und
einem Forstassessor unterstellt worden
ist. Ich möchte vorweg bemerken, daß
ich durchaus nicht etwa auf dem eng-
herzigen Standpunkt mancher Fachleute stehe, die den
Forstmann von vornherein für ungeeignet halten, sich
auch anßerhalb des Rahmens seiner eigentlichen Berufs-
tätigkeit — der Pflege des Wirtschaf tswaldes — mit
der Lösung von Aufgaben zu befassen, bei denen, wie
es hier der Fall ist, die Rücksicht auf den Ertrag
fast ganz gegenüber der Schönheitswirkung zurück-
stehen muß. Nein, mir ist nichts widerwärtiger als
jenes philisterhafte Hüten von Berufsgrenzen, welches
nur dem zünftigen Fachvertreter die Betätigung auf
einem bestimmten Arbeitsgebiete gestatten will, zu-
mal wenn es sich, wie hier, um eine Tätigkeit handelt,
bei der es neben erworbenem technischen Wissen auf
künstlerische Befähigung ankommt, die angeboren sein
muß und wo sie vorhanden ist, zwar entwickelt, aber
niemals erlernt und erworben werden kann. Wer
einem Park, einen Garten schafft, ist einerlei — aus-
schlaggebend ist, daß er es kann, wie Professor
Widmer unter dem Beifall der Zuhörer auf der letzten
Hauptversammlung der D. G. f. G. in Mannheim sagte.


Vorwerker Friedhof, Lübeck. Entwurf von E. Barth.
Grabanordnungen. M. 1 : 1000. B. Kindergräber. D. Ruheplätze. F. Erb-
gräber in regelmäßiger Anordnung.
 
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