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Donnerstag, den 17. September 1931
1. Zahrg. / Nr. 120
M MW
Bitte ertiiiltem Sie im We KMOn-MveMnm
Wir werden nicht klug daraus!
Durch die Zentrumspresse ging dieser
Tage die Mitteilung, daß am kommenden
Samstag „hoher Besuch" in Heidelbergs
Mauern weilt. Der Zentrumsmann Dr.
Josef Wirth wird hier in der Stadthalle
sprechen.
Die Propaganda für diese Veranstaltung
hat schon letzten Samstag auf der Kanzel
der Zesuitenkirche eingesetzt; das steht zwar
in striktem Gegensatz zu der Forderung der
Päpste auf Wahrung der parteipolitischen
Unabhängigkeit der Kirche; aber darüber ein
anderes Mal mehr.
Heute geht es uns um eine Reihe von
Fragen, die wir schon lange gern aus dem
Munde des Herrn Wirth beantwortet ge-
habt hätten. Jetzt ist die Gelegenheit ge-
kommen. Ob Herr Wirth auf unsere Anre-
gung eingeht? — Wir wissen es nicht —
immerhin, wir hoffen!
Der deutsche Reichsinnenminister Dr.
Josef Wirth ist bekanntlich der geistige Va-
ter der für sein Ressort erlassenen
Notverordnung gegen die Gottlosen.
Die etwas unklare Formulierung der ein-
zelnen Bestimmungen machte uns etwas
mißtrauisch; wenn da von Vereinigungen
und Verbänden gesprochen wurde, die den
Religionsgemeinschaften gleichzusehen sind,
so hegten wir auf Grund gemachter Erfah-
rungen die Befürchtung, daß da und dort
unser berechtigter Kampf gegen die Zen-
trumspartei zu einem Kampf gegen die ka-
tholische Kirche umgeschwindelt werden
könnte, und daß wir infolge der vieldeutigen
Umschreibung der durch diese Notverordnung
zu schützenden Vereinigungen und Verbände
neue Schikanen zu befürchten hätten. Nicht
nur wir hatten das Gefühl, daß am Wort-
laut der Notverordnung etliches der begriff-
lichen Klarstellung bedurfte, sondern auch
andere Körperschaften, die an der Erhaltung
der christlichen Weltanschauung interessiert
sind. So z. B. der Deutsche Evangelische
Kirchenausschuß, dessen Präsident sich denn
auch, Klarheit suchend, an den Herrn
Aeichsinnenminister höchstselbst wandte und
von ihm auch ein Antwortschreiben erhielt,
aus dem wir die folgenden Stellen wörtlich
zitieren:
SUH den Men
„Die Reichsregierung wird allen Angrif-
fen auf die Freiheit der Religionsübung
mit den ihr zu Gebote stehenden Mitteln
entgegentreten. Auch der antireligiösen
Propaganda des Kommunismus bringt die
Reichsregierung die größte Aufmerksamkeit
entgegen. Es bedarf keiner besonderen
Versicherung, daß die zugunsten der Religion
u. Religionsgesellschaften bestehenden Schuh-
bestimmungen auch restlos und mit Nach-
druck angewandt werden.Mit In-
teresse habe ich Ihren Darlegungen entnom-
men, daß die im Deutschen Evangelischen
Kirchenbund zusammengeschlossenen Landes-
kirchen bemüht sind, den drohenden schweren
Gefahren auf den für die Kirche gangbaren
Wegen zu begegnen."
Diese Erklärung klang durchaus eindeu-
tig; ging doch aus ihr hervor, daß die
Schutzbestimmungen der Notverordnung „zu-
gunsten der Religion und Religionsgesell-
schaften erlassen waren, und daß die Reichs-
regierung „auch der antireligiösen Propa-
ganda des Kommunismus" mit der nötigen
Schärfe entgegenzutreten beabsichtige. Offen
gesagt, wir bewunderten den Herrn Reichs-
innenminister im Stillen, daß er trotz seiner
aus früheren Aussprüchen und Taten satt-
sam bekannten Linksgeneigtheit, die sogar
seinen eigenen Parteifreunden schon viel
Kopfzerbrechen gemacht hat, den Mut fand,
mit so starken Worten gegen die marxistische
Gottlosenpropaganda aufzutreten. Aber ir-
gendwelche Zweifel zu hegen, war nach dem
eindeutigen Wortlaut dieser Erklärung nicht
möglich, sie zu äußern angesichts anderer
Notverordnungen auch nicht ratsam; und so
waren wir gerade dabei, in das große
Hauptbuch, allwo wir Taten und Unter-
lassungen der Führer des deutschen Volkes
seit 1918 getreulich vermerken, auf Konto
Dr. Josef Wirth den ersten Haben-Posten
zu verbuchen, als wir Kenntnis bekamen
von einem zweiten Schreiben aus der reichs-
innenministeriellen Kanzlei, das uns veran-
laßte, die gezückte Feder wieder wegzulegen.
Schlitz M den Gottlosen?
Es war gerichtet an den Evangelischen Kir
chenausschuß, die Fuldaer Bischofskonferenz
und die Arbeitsgemeinschaft jüdischer Ge-
meindeverbände; darin betonte Herr Dr.
Wirth nach einer auszüglichen Darstellung
des Ev. Gemeindeblattes für Karlsruhe,
„es sei sein allgemeiner Wunsch, weltan-
schauliche Auseinandersetzungen in Bahnen
zu lenken, die der Erörterung weltanschau-
licher Fragen würdig seien. Diese Rücksicht
gelte aber auch für die außerhalb der Kirche
stehenden weltanschaulichen Auffassungen.
Die Mahnung zu besonnener Zurückhaltung
gelte also für die Religionsgemeinschaften
ebenso wie für die Kreise, die außerhalb
der Kirche ständen. Diese Pflicht zum „Got-
tesfrieden" sei von einer Anzahl von Ver-
tretern religiöser Gemeinschaften nicht immer
eingehalten wordn. Der Reichsminister des
Innern bittet daher, in einer geeignet er-
scheinenden Form die Vertreter der Reli-
gionsgemeinschaften erneut darauf aufmerk-
sam zu machen, daß seitens der kirchliche!!
Stellen alles vermieden werde, was als
Beschimpfung oder böswillige Verächtlich-
machung der Ansichten von Andersdenken-
den aufgefaßt werden könnte."
Wir haben dieses Schreiben lange mit
dem Inhalt des ersten verglichen; wir haben
Fachgrößen für deutsche Sprachdeutung bei-
gezogen; das Ergebnis der Forschung war
inimer dasselbe: Das zweite Schreiben
scheint mit dem ersten inhaltlich nicht nur
nichts gemein zu haben; es macht sogar den
Eindruck, als hebe es durch die weiten Mög-
lichkeiten seiner Deutung die klaren Erklä-
rungen des ersten Briefes völlig auf. Im
ersten Schreiben: Schutz der Religion und
der Religionsgemeinschaften gegen die Gotk-
losenpropaganda — im zweiten: Schutz auch
„den außerhalb der Kirche stehenden welt-
anschaulichen Auffassungen". Hier die Zu-
sicherung, daß die Reichsregierung die zu-
gunsten der Religion und Religionsgemein-
schaften bestehenden Schuhbestimmungen
auch restlos und mit Nachdruck anwenden
wird — dort die Mahnung an die Vertre-
ter religiöser Gemeinschaften, den „Gottes-
frieden" gegenüber außerhalb der Kirche
stehenden, „weltanschaulichen Auffassungen"
zu wahren und „böswillige Verächtlich-
machung" der „Ansichten" von „Anders-
denkenden" zu vermeiden. Wir sind immer
sür Klarheit; daran, daß Herr Dr. Wirth
durch seinen zweiten Brief die Klarheit
seines ersten nach Meinung vieler getrübt
hat, sind wir unschuldig. Damit nun aber
alle, die mit der deutschen Sprache weniger
gewandt umzugehen verstehen, als Herr Dr.
Wirth, über diese kulturell höchst wichtigen
Fragen ins Klare kommen, stellen wir einige
vielleicht etwas primitiv formulierte Fragen
an Herrn Dr. Wirth mit der Bitte, diesel-
ben möglichst „im Volkston" zu beantwor-
ten. Sie lauten:
1. Ist ihre Notverordnung zum Schuh
der Religion, der Religionsgemeinschaften
und der Kirchen gegen die Angriffe ihrer
Feinde, den Verneinern der Religion und
der Hasser der Kirchen erlassen worden?
2. Dient sie etwa auch dem Schuh der
Gotklosenverbände gegen die Angriffe der
Wahrer des Goklesglaubens?
3. Halten Sie die „Ansicht", daß Kirche,
Religion und Gottesglauben die Menschen
verdummen — das sagen die Agitatoren der
Gottlosenverbände —, für eine jener „außer-
halb der Kirche stehenden weltanschaulichen
Auffassungen", auf die sich die Schuhbestim-
mungen der „Notverordnung gegen die
Gottlosen" nach Ihrem zweiten Brief auch
erstrecken?
4. Halten Sie z. B. die Feststellung, daß
die Gottlosenpropaganda ein — verzeihen
Sie! — gemeines Machwerk jüdischer Draht-
zieher, ein mit den schärfsten Mitteln zu
vernichtender Anschlag auf die deutsche
Seele ist, für eine „böswillige Verächtlich-
machung der Ansichten von Andersdenken-
den", die die Vertreter religiöser Gemein-
schaften nach Ihrer Ansicht vermeiden
müssen?
5. Halten Sie die Aussetzung von Prä-
mien für erreichte Kirchenauskrikte und
Werbung neuer Mitglieder, die in der Gott-
losenbewegung Brauch ist, für eine „geistige
Auseinandersetzung in weltanschaulichen
Bahnen", in die Sie den Kampf der Geister
mit Ihrer Notverordnung lenken wollten?
Karlsruhe i. B., 16. Sept. Kaum hat
sich die Kühle Erde über der irdischen
Hülle des verstorbenen badischen Staats-
präsidenten Dr. Josef Wittemann
geschlossen, hört man schon von heftigen
Meinungsverschiedenheiten, die sich we-
gen der künftigen Besetzung des Staats-
präsidiums entsponnen haben sollen.
Eines war ohne weiteres klar, daß
das Zentrum durch den Tod des Mini-
sters in eine große politische Verlegen-
heit geraten würde.
Es ist noch in lebhafter Erinnerung,
mit welch unendlicher Mühe, unter welch
aufregenden Interessenkämpfen inner-
halb der Koalitionsparteien das neue
Kabinett Ende Juni zusammengekleistert
wurde. Nun hat es ein so empfindlicher
Schlag getroffen, der den widerlichen
Streit erneut aufleben läßt. Schon
schwirren einige Namen durch die Luft,
die als aussichtsreiche Kandidaten in Be-
tracht kommen sollen. Welcher wird von
ihnen Nachfolger Dr. Wittemanns u. dem
badischen Volke als würdig zur Lenkung
seiner Geschicke präsentiert werden?
Vielleicht gelingt es jetzt dem Vor-
sitzenden des Zentrums, Dr. Baum-
gartner, das Ziel zu erreichen, das
ihm schon im Maien vorschwebte. Da-
mals fiel er durch, sicher zum Entsetzen
der Frau Rechnungshofpräsidenten, die
schon im Landtag vielfaches Schmunzeln
hervorgerufen, als sie sich etwas zu früh
erkundigte, ob die Ministerwahl bereits
vollzogen wäre.
Man spricht ferner davon, daß der
ehern. Reichsfinanzminister Köhler,
der in geschlossenen Wahlkreisversamm-
lungen des Zentrums von sich reden
macht und dort die politische Lage mei-
stert, wieder Anspruch auf Verwendung
erhebe. Sein Porträt wurde von uns
Nationalsozialisten wiederholt sehr pla-
stisch gezeichnet. Insbesondere ist die
Geschichte von seiner bescheidenen Ber-
liner Ministerwohnung noch in aller
Leute Mund.
Darüber hinaus kann es als Ge-
schenk der Vorsehung bezeichnet werden,
daß Dr. Honold soeben auf seinen Ge-
sandtenposten in Berlin verzichtet hat
und zum 1. Oktober andere Arbeit su-
chen muß. Nehmen wir ihn? Zwar ste-
hen im Spargutachten kritische Bemer-
kungen über den Aufwand seines Am-
tes, die wir unseren Lesern, nicht vorent-
6. Halten Sie, Herr Reichsinnenminister,
die von den Gotllosenverbänden geforderte
Abschaffung des Religionsunterrichts an den
Schulen für ein vertretbares Ziel einer
Weltanschauung, die den Anspruch auf
Schuh durch die Notverordnung erheben
darf?
7. Wann, wo und wodurch haben Ver-
treter von Religionsgemeinschaften den
„Gottesfrieden" im Kampf gegen „Anders-
denkende außerhalb der Kirchen verletzt?
8. Wurde durch die jüngsten Orgien ge-
meinster Gottes- und Kirchenverlästerung,
die in Ihrer unmittelbaren Nähe in Berlin
„gefeiert" wurden, erwähnten „Gotkesfrie-
den" nicht gebrochen, nachdem Sie, soweit
wir unterrichtet sind, bis heute nicht dagegen
eingeschritten sind?
Daß diese Fragen nötig sind, Herr Dr.
Wirth, das sehen wir bei jedem kommuni-
stischen Aufzug; denn dort werden überall
Transparente mit den aufreizendsten In-
schriften gezeigt, die zum Austritt aus der
Kirche auffordern und Haß predigen gegen
alle kirchlichen Einrichtungen. Und uns
will scheinen, daß je länger je mehr die von
Ihnen geforderte „besonnene Zurückhaltung"
diesem Treiben gegenüber höchst unange-
bracht und gefährlich wäre.
Wir öffnen Ihnen, Herr Dr. Wirth sehr
gerne unsere Spalten zur Klarstellung der
problematischen Angelegenheit. Mir haben
viel wißbegieriges Volk hinter uns, das auf
Ihre Antwort gespannt ist." — Dst. —
halten und kürzlich näher gebracht haben,
aber das dürfte kein Hindernis sein.
Fähige Menschen findet das Zentrum
schließlich nicht auf der Straße. Zudem
ist er ein Mann in den besten Jahren.
Sein 30. Geburtstag liegt kaum 3 Wo-
chen zurück und eine so junge Kraft kann
man nicht brach liegen lassen. Außerdem
hat Honold als bisheriger Gesandter An-
spruch auf einen gehobenen Posten.
Das verlangt auch das Parteiprestige.
Wenn wir Nationalsozialisten einen
Vorschlag zu machen hätten und wenn
demokratisch verfahren und das Volk
abstimmen würde, so wäre das Ergebnis
wohl: „Wir danken mit Handkuß für
einen vierten Minister." Und sind sogar
drei schon zuviel. Sparen, meine Her-
ren, ist die Parole. Bitte, machen Sie
eine schöne Geste! Geben Sie mal dem
Idol Parteiprestige einen kräftigen Hieb
auf den Magen und betätigen Sie die
christliche Nächstenliebe praktisch, indem
Sie den ersparten Betrag für die Hinter-
bliebenen der Geschäftsleute reservieren,
die im Laufe des Winters als „Opfer
der Weltwirtschaftskrise" die Selbstmör-
derstatistik befruchten werden.
Sollten Sie diesen Erwägungen aber
nicht zugänglich und auch nicht aber-
gläubisch sein, so wählen Sie eben im
Namen der Zentrumspartei nochmals
einen vierten Minister. Verlangen Sie
aber nicht, daß Ihnen das Volk seinen
Dank bezeugt.
Ml in Hold«
Apolda, 11. Sept.
In machtvoller Freiheitskundgebung
sprach Adolf Hitler vor etwa 2000 Zu-
hörern in Apolda. In herrlichem Auf-
bau zeichnete der Führer den Zusammen-
hang von Wirtschaf und politischer
Macht. In dem heutigen Wirtschafts-
kampfe entscheidet zuletzt die einsetzende
politische Macht. Lang anhaltender
stürmischer Beifall folgte der zweistün-
digen Rede des Führer. Die Versamm-
lung war besonders stark von Arbeitern,
Geschäftsleuten und Fabrikanten besucht.
Ser MW begimt
Wer mW ims Mm?
Donnerstag, den 17. September 1931
1. Zahrg. / Nr. 120
M MW
Bitte ertiiiltem Sie im We KMOn-MveMnm
Wir werden nicht klug daraus!
Durch die Zentrumspresse ging dieser
Tage die Mitteilung, daß am kommenden
Samstag „hoher Besuch" in Heidelbergs
Mauern weilt. Der Zentrumsmann Dr.
Josef Wirth wird hier in der Stadthalle
sprechen.
Die Propaganda für diese Veranstaltung
hat schon letzten Samstag auf der Kanzel
der Zesuitenkirche eingesetzt; das steht zwar
in striktem Gegensatz zu der Forderung der
Päpste auf Wahrung der parteipolitischen
Unabhängigkeit der Kirche; aber darüber ein
anderes Mal mehr.
Heute geht es uns um eine Reihe von
Fragen, die wir schon lange gern aus dem
Munde des Herrn Wirth beantwortet ge-
habt hätten. Jetzt ist die Gelegenheit ge-
kommen. Ob Herr Wirth auf unsere Anre-
gung eingeht? — Wir wissen es nicht —
immerhin, wir hoffen!
Der deutsche Reichsinnenminister Dr.
Josef Wirth ist bekanntlich der geistige Va-
ter der für sein Ressort erlassenen
Notverordnung gegen die Gottlosen.
Die etwas unklare Formulierung der ein-
zelnen Bestimmungen machte uns etwas
mißtrauisch; wenn da von Vereinigungen
und Verbänden gesprochen wurde, die den
Religionsgemeinschaften gleichzusehen sind,
so hegten wir auf Grund gemachter Erfah-
rungen die Befürchtung, daß da und dort
unser berechtigter Kampf gegen die Zen-
trumspartei zu einem Kampf gegen die ka-
tholische Kirche umgeschwindelt werden
könnte, und daß wir infolge der vieldeutigen
Umschreibung der durch diese Notverordnung
zu schützenden Vereinigungen und Verbände
neue Schikanen zu befürchten hätten. Nicht
nur wir hatten das Gefühl, daß am Wort-
laut der Notverordnung etliches der begriff-
lichen Klarstellung bedurfte, sondern auch
andere Körperschaften, die an der Erhaltung
der christlichen Weltanschauung interessiert
sind. So z. B. der Deutsche Evangelische
Kirchenausschuß, dessen Präsident sich denn
auch, Klarheit suchend, an den Herrn
Aeichsinnenminister höchstselbst wandte und
von ihm auch ein Antwortschreiben erhielt,
aus dem wir die folgenden Stellen wörtlich
zitieren:
SUH den Men
„Die Reichsregierung wird allen Angrif-
fen auf die Freiheit der Religionsübung
mit den ihr zu Gebote stehenden Mitteln
entgegentreten. Auch der antireligiösen
Propaganda des Kommunismus bringt die
Reichsregierung die größte Aufmerksamkeit
entgegen. Es bedarf keiner besonderen
Versicherung, daß die zugunsten der Religion
u. Religionsgesellschaften bestehenden Schuh-
bestimmungen auch restlos und mit Nach-
druck angewandt werden.Mit In-
teresse habe ich Ihren Darlegungen entnom-
men, daß die im Deutschen Evangelischen
Kirchenbund zusammengeschlossenen Landes-
kirchen bemüht sind, den drohenden schweren
Gefahren auf den für die Kirche gangbaren
Wegen zu begegnen."
Diese Erklärung klang durchaus eindeu-
tig; ging doch aus ihr hervor, daß die
Schutzbestimmungen der Notverordnung „zu-
gunsten der Religion und Religionsgesell-
schaften erlassen waren, und daß die Reichs-
regierung „auch der antireligiösen Propa-
ganda des Kommunismus" mit der nötigen
Schärfe entgegenzutreten beabsichtige. Offen
gesagt, wir bewunderten den Herrn Reichs-
innenminister im Stillen, daß er trotz seiner
aus früheren Aussprüchen und Taten satt-
sam bekannten Linksgeneigtheit, die sogar
seinen eigenen Parteifreunden schon viel
Kopfzerbrechen gemacht hat, den Mut fand,
mit so starken Worten gegen die marxistische
Gottlosenpropaganda aufzutreten. Aber ir-
gendwelche Zweifel zu hegen, war nach dem
eindeutigen Wortlaut dieser Erklärung nicht
möglich, sie zu äußern angesichts anderer
Notverordnungen auch nicht ratsam; und so
waren wir gerade dabei, in das große
Hauptbuch, allwo wir Taten und Unter-
lassungen der Führer des deutschen Volkes
seit 1918 getreulich vermerken, auf Konto
Dr. Josef Wirth den ersten Haben-Posten
zu verbuchen, als wir Kenntnis bekamen
von einem zweiten Schreiben aus der reichs-
innenministeriellen Kanzlei, das uns veran-
laßte, die gezückte Feder wieder wegzulegen.
Schlitz M den Gottlosen?
Es war gerichtet an den Evangelischen Kir
chenausschuß, die Fuldaer Bischofskonferenz
und die Arbeitsgemeinschaft jüdischer Ge-
meindeverbände; darin betonte Herr Dr.
Wirth nach einer auszüglichen Darstellung
des Ev. Gemeindeblattes für Karlsruhe,
„es sei sein allgemeiner Wunsch, weltan-
schauliche Auseinandersetzungen in Bahnen
zu lenken, die der Erörterung weltanschau-
licher Fragen würdig seien. Diese Rücksicht
gelte aber auch für die außerhalb der Kirche
stehenden weltanschaulichen Auffassungen.
Die Mahnung zu besonnener Zurückhaltung
gelte also für die Religionsgemeinschaften
ebenso wie für die Kreise, die außerhalb
der Kirche ständen. Diese Pflicht zum „Got-
tesfrieden" sei von einer Anzahl von Ver-
tretern religiöser Gemeinschaften nicht immer
eingehalten wordn. Der Reichsminister des
Innern bittet daher, in einer geeignet er-
scheinenden Form die Vertreter der Reli-
gionsgemeinschaften erneut darauf aufmerk-
sam zu machen, daß seitens der kirchliche!!
Stellen alles vermieden werde, was als
Beschimpfung oder böswillige Verächtlich-
machung der Ansichten von Andersdenken-
den aufgefaßt werden könnte."
Wir haben dieses Schreiben lange mit
dem Inhalt des ersten verglichen; wir haben
Fachgrößen für deutsche Sprachdeutung bei-
gezogen; das Ergebnis der Forschung war
inimer dasselbe: Das zweite Schreiben
scheint mit dem ersten inhaltlich nicht nur
nichts gemein zu haben; es macht sogar den
Eindruck, als hebe es durch die weiten Mög-
lichkeiten seiner Deutung die klaren Erklä-
rungen des ersten Briefes völlig auf. Im
ersten Schreiben: Schutz der Religion und
der Religionsgemeinschaften gegen die Gotk-
losenpropaganda — im zweiten: Schutz auch
„den außerhalb der Kirche stehenden welt-
anschaulichen Auffassungen". Hier die Zu-
sicherung, daß die Reichsregierung die zu-
gunsten der Religion und Religionsgemein-
schaften bestehenden Schuhbestimmungen
auch restlos und mit Nachdruck anwenden
wird — dort die Mahnung an die Vertre-
ter religiöser Gemeinschaften, den „Gottes-
frieden" gegenüber außerhalb der Kirche
stehenden, „weltanschaulichen Auffassungen"
zu wahren und „böswillige Verächtlich-
machung" der „Ansichten" von „Anders-
denkenden" zu vermeiden. Wir sind immer
sür Klarheit; daran, daß Herr Dr. Wirth
durch seinen zweiten Brief die Klarheit
seines ersten nach Meinung vieler getrübt
hat, sind wir unschuldig. Damit nun aber
alle, die mit der deutschen Sprache weniger
gewandt umzugehen verstehen, als Herr Dr.
Wirth, über diese kulturell höchst wichtigen
Fragen ins Klare kommen, stellen wir einige
vielleicht etwas primitiv formulierte Fragen
an Herrn Dr. Wirth mit der Bitte, diesel-
ben möglichst „im Volkston" zu beantwor-
ten. Sie lauten:
1. Ist ihre Notverordnung zum Schuh
der Religion, der Religionsgemeinschaften
und der Kirchen gegen die Angriffe ihrer
Feinde, den Verneinern der Religion und
der Hasser der Kirchen erlassen worden?
2. Dient sie etwa auch dem Schuh der
Gotklosenverbände gegen die Angriffe der
Wahrer des Goklesglaubens?
3. Halten Sie die „Ansicht", daß Kirche,
Religion und Gottesglauben die Menschen
verdummen — das sagen die Agitatoren der
Gottlosenverbände —, für eine jener „außer-
halb der Kirche stehenden weltanschaulichen
Auffassungen", auf die sich die Schuhbestim-
mungen der „Notverordnung gegen die
Gottlosen" nach Ihrem zweiten Brief auch
erstrecken?
4. Halten Sie z. B. die Feststellung, daß
die Gottlosenpropaganda ein — verzeihen
Sie! — gemeines Machwerk jüdischer Draht-
zieher, ein mit den schärfsten Mitteln zu
vernichtender Anschlag auf die deutsche
Seele ist, für eine „böswillige Verächtlich-
machung der Ansichten von Andersdenken-
den", die die Vertreter religiöser Gemein-
schaften nach Ihrer Ansicht vermeiden
müssen?
5. Halten Sie die Aussetzung von Prä-
mien für erreichte Kirchenauskrikte und
Werbung neuer Mitglieder, die in der Gott-
losenbewegung Brauch ist, für eine „geistige
Auseinandersetzung in weltanschaulichen
Bahnen", in die Sie den Kampf der Geister
mit Ihrer Notverordnung lenken wollten?
Karlsruhe i. B., 16. Sept. Kaum hat
sich die Kühle Erde über der irdischen
Hülle des verstorbenen badischen Staats-
präsidenten Dr. Josef Wittemann
geschlossen, hört man schon von heftigen
Meinungsverschiedenheiten, die sich we-
gen der künftigen Besetzung des Staats-
präsidiums entsponnen haben sollen.
Eines war ohne weiteres klar, daß
das Zentrum durch den Tod des Mini-
sters in eine große politische Verlegen-
heit geraten würde.
Es ist noch in lebhafter Erinnerung,
mit welch unendlicher Mühe, unter welch
aufregenden Interessenkämpfen inner-
halb der Koalitionsparteien das neue
Kabinett Ende Juni zusammengekleistert
wurde. Nun hat es ein so empfindlicher
Schlag getroffen, der den widerlichen
Streit erneut aufleben läßt. Schon
schwirren einige Namen durch die Luft,
die als aussichtsreiche Kandidaten in Be-
tracht kommen sollen. Welcher wird von
ihnen Nachfolger Dr. Wittemanns u. dem
badischen Volke als würdig zur Lenkung
seiner Geschicke präsentiert werden?
Vielleicht gelingt es jetzt dem Vor-
sitzenden des Zentrums, Dr. Baum-
gartner, das Ziel zu erreichen, das
ihm schon im Maien vorschwebte. Da-
mals fiel er durch, sicher zum Entsetzen
der Frau Rechnungshofpräsidenten, die
schon im Landtag vielfaches Schmunzeln
hervorgerufen, als sie sich etwas zu früh
erkundigte, ob die Ministerwahl bereits
vollzogen wäre.
Man spricht ferner davon, daß der
ehern. Reichsfinanzminister Köhler,
der in geschlossenen Wahlkreisversamm-
lungen des Zentrums von sich reden
macht und dort die politische Lage mei-
stert, wieder Anspruch auf Verwendung
erhebe. Sein Porträt wurde von uns
Nationalsozialisten wiederholt sehr pla-
stisch gezeichnet. Insbesondere ist die
Geschichte von seiner bescheidenen Ber-
liner Ministerwohnung noch in aller
Leute Mund.
Darüber hinaus kann es als Ge-
schenk der Vorsehung bezeichnet werden,
daß Dr. Honold soeben auf seinen Ge-
sandtenposten in Berlin verzichtet hat
und zum 1. Oktober andere Arbeit su-
chen muß. Nehmen wir ihn? Zwar ste-
hen im Spargutachten kritische Bemer-
kungen über den Aufwand seines Am-
tes, die wir unseren Lesern, nicht vorent-
6. Halten Sie, Herr Reichsinnenminister,
die von den Gotllosenverbänden geforderte
Abschaffung des Religionsunterrichts an den
Schulen für ein vertretbares Ziel einer
Weltanschauung, die den Anspruch auf
Schuh durch die Notverordnung erheben
darf?
7. Wann, wo und wodurch haben Ver-
treter von Religionsgemeinschaften den
„Gottesfrieden" im Kampf gegen „Anders-
denkende außerhalb der Kirchen verletzt?
8. Wurde durch die jüngsten Orgien ge-
meinster Gottes- und Kirchenverlästerung,
die in Ihrer unmittelbaren Nähe in Berlin
„gefeiert" wurden, erwähnten „Gotkesfrie-
den" nicht gebrochen, nachdem Sie, soweit
wir unterrichtet sind, bis heute nicht dagegen
eingeschritten sind?
Daß diese Fragen nötig sind, Herr Dr.
Wirth, das sehen wir bei jedem kommuni-
stischen Aufzug; denn dort werden überall
Transparente mit den aufreizendsten In-
schriften gezeigt, die zum Austritt aus der
Kirche auffordern und Haß predigen gegen
alle kirchlichen Einrichtungen. Und uns
will scheinen, daß je länger je mehr die von
Ihnen geforderte „besonnene Zurückhaltung"
diesem Treiben gegenüber höchst unange-
bracht und gefährlich wäre.
Wir öffnen Ihnen, Herr Dr. Wirth sehr
gerne unsere Spalten zur Klarstellung der
problematischen Angelegenheit. Mir haben
viel wißbegieriges Volk hinter uns, das auf
Ihre Antwort gespannt ist." — Dst. —
halten und kürzlich näher gebracht haben,
aber das dürfte kein Hindernis sein.
Fähige Menschen findet das Zentrum
schließlich nicht auf der Straße. Zudem
ist er ein Mann in den besten Jahren.
Sein 30. Geburtstag liegt kaum 3 Wo-
chen zurück und eine so junge Kraft kann
man nicht brach liegen lassen. Außerdem
hat Honold als bisheriger Gesandter An-
spruch auf einen gehobenen Posten.
Das verlangt auch das Parteiprestige.
Wenn wir Nationalsozialisten einen
Vorschlag zu machen hätten und wenn
demokratisch verfahren und das Volk
abstimmen würde, so wäre das Ergebnis
wohl: „Wir danken mit Handkuß für
einen vierten Minister." Und sind sogar
drei schon zuviel. Sparen, meine Her-
ren, ist die Parole. Bitte, machen Sie
eine schöne Geste! Geben Sie mal dem
Idol Parteiprestige einen kräftigen Hieb
auf den Magen und betätigen Sie die
christliche Nächstenliebe praktisch, indem
Sie den ersparten Betrag für die Hinter-
bliebenen der Geschäftsleute reservieren,
die im Laufe des Winters als „Opfer
der Weltwirtschaftskrise" die Selbstmör-
derstatistik befruchten werden.
Sollten Sie diesen Erwägungen aber
nicht zugänglich und auch nicht aber-
gläubisch sein, so wählen Sie eben im
Namen der Zentrumspartei nochmals
einen vierten Minister. Verlangen Sie
aber nicht, daß Ihnen das Volk seinen
Dank bezeugt.
Ml in Hold«
Apolda, 11. Sept.
In machtvoller Freiheitskundgebung
sprach Adolf Hitler vor etwa 2000 Zu-
hörern in Apolda. In herrlichem Auf-
bau zeichnete der Führer den Zusammen-
hang von Wirtschaf und politischer
Macht. In dem heutigen Wirtschafts-
kampfe entscheidet zuletzt die einsetzende
politische Macht. Lang anhaltender
stürmischer Beifall folgte der zweistün-
digen Rede des Führer. Die Versamm-
lung war besonders stark von Arbeitern,
Geschäftsleuten und Fabrikanten besucht.
Ser MW begimt
Wer mW ims Mm?