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INNEN-DEKORATION
ARCHITEKT HUGO GORGE — W1EN WOHN- U. EMPFANGSZIMMER. AUSF: R. LORENZ
GUTER TON - TA KT-GEFÜHL - HÖFLICHKEIT
Der »gute Ton« ist auf dem Gebiet des gesellschaft- Taktlosigkeit setzt immer einen gewissen rohen Zustand
liehen Verkehrs, der ins praktische Leben über- der Seele voraus, einen Mangel an Gefühls-Bildung. Er-
tragene Sinn für das Schöne, für gute Form, das ziehung und Gewöhnung aber können hier einen großen
verfeinerte, nicht das überfeinerte Verkehrs-Gesetz. Einfluß ausüben. Sei das angeborene Taktgefühl auch
Das erste Gebot des guten Tones hinsichtlich der nur gering, es wird durch sorgfältige Erziehung und Selbst-
Wohnung ist dieses: Deine Wohnung sei das wahre und Erziehung gestärkt, gekräftigt und erweitert werden,
wahrhafte Abbild deiner Lebensverhältnisse. Ein zweites Eine Taktlosigkeit und ein Verstoß gegen den guten
Gebot lautet: Jedes Zimmer trage durch seine Ausstat- Ton sind zwei sehr veschiedene Dinge: Jene ist das un-
tung deutlich den Stempel seiner Bestimmung zur Schau, willkürliche Ergebnis einer Gefühlsroheit, die auch von
Wie das Äußere des Menschen ein Spiegelbild seines dem äußerlich vollendetsten Benehmen nicht ausgelöscht,
Inneren ist, so läßt auch die äußere Form eines Haus- nicht wieder gutgemacht werden kann, — während ein
Wesens einen sicheren Schluß auf die Bewohner des Verstoß gegen den guten Ton oft nichts ist als eine
Hauses zu. Die deutlich fühlbare Stimmung der Ruhe Nachlässigkeit, die jeder vermeiden kann, wenn er nur
und des Friedens, des Behagens und der Ordnung ist die nötige Aufmerksamkeit auf sich selbst wendet.
immer das Merkmal der glücklichen Häuslichkeit...... Menschen mit seelischer Bildung, bei denen das Takt-
Das alte Sprichwort: »Man empfängt dich nach dei- gefühl an sich stark ausgeprägt ist, werden sehr schnell
nem Kleid, aber man entläßt dich nach deinem Ver- sich in die Formen des guten Tones hineinfinden;
stände«, ist so richtig und passend, wie das bei den anderen wird es immer ein wenig schwer werden.....
echten Sprichwörtern immer der Fall ist. Es will sagen: Jean Paul sagt: »Menschen von feinem Gefühl
suche den vollkommenen Einklang zwischen deinem bezaubern durch eine gewisse zärtliche Aufmerksamkeit
äußeren und inneren Menschen herzustellen, und du auf kleine Bedürfnisse des anderen; durch ein Erraten
kannst sicher sein, überall unter Menschen den Eindruck seiner leisesten Wünsche; durch eine stete Aufopferung
zu machen, der für dich der Vorteilhafteste ist....... ihrer eigenen; durch Gefälligkeiten, deren seidenes Ge-
»Es gibt ein Betragen«, sagt Karoline von Wolzogen, flecht sich fester und sanfter um unser Herz herumlegt,
»so liebenswürdig, daß es jedes Herz an sich zieht. Dieses als das schneidende Haarseil einer großen Wohltat«.
Betragen kann nicht gelehrt, nie als Manier angenommen *
werden; es entspringt aus innerer Schönheit und Bildung.« La Bruyere sagt: »Man muß schon ziemlich hervor-
* ragende gute Eigenschaften besitzen, um den Mangel an
Der gute Ton kann erlernt werden, das feine Takt- Höflichkeit zu ersetzen«. Das Wort gilt noch heute,
gefühl aber ist angeboren und kann nicht erlernt werden, ganz wie damals. Nur die Höflichkeit macht den dauern-
INNEN-DEKORATION
ARCHITEKT HUGO GORGE — W1EN WOHN- U. EMPFANGSZIMMER. AUSF: R. LORENZ
GUTER TON - TA KT-GEFÜHL - HÖFLICHKEIT
Der »gute Ton« ist auf dem Gebiet des gesellschaft- Taktlosigkeit setzt immer einen gewissen rohen Zustand
liehen Verkehrs, der ins praktische Leben über- der Seele voraus, einen Mangel an Gefühls-Bildung. Er-
tragene Sinn für das Schöne, für gute Form, das ziehung und Gewöhnung aber können hier einen großen
verfeinerte, nicht das überfeinerte Verkehrs-Gesetz. Einfluß ausüben. Sei das angeborene Taktgefühl auch
Das erste Gebot des guten Tones hinsichtlich der nur gering, es wird durch sorgfältige Erziehung und Selbst-
Wohnung ist dieses: Deine Wohnung sei das wahre und Erziehung gestärkt, gekräftigt und erweitert werden,
wahrhafte Abbild deiner Lebensverhältnisse. Ein zweites Eine Taktlosigkeit und ein Verstoß gegen den guten
Gebot lautet: Jedes Zimmer trage durch seine Ausstat- Ton sind zwei sehr veschiedene Dinge: Jene ist das un-
tung deutlich den Stempel seiner Bestimmung zur Schau, willkürliche Ergebnis einer Gefühlsroheit, die auch von
Wie das Äußere des Menschen ein Spiegelbild seines dem äußerlich vollendetsten Benehmen nicht ausgelöscht,
Inneren ist, so läßt auch die äußere Form eines Haus- nicht wieder gutgemacht werden kann, — während ein
Wesens einen sicheren Schluß auf die Bewohner des Verstoß gegen den guten Ton oft nichts ist als eine
Hauses zu. Die deutlich fühlbare Stimmung der Ruhe Nachlässigkeit, die jeder vermeiden kann, wenn er nur
und des Friedens, des Behagens und der Ordnung ist die nötige Aufmerksamkeit auf sich selbst wendet.
immer das Merkmal der glücklichen Häuslichkeit...... Menschen mit seelischer Bildung, bei denen das Takt-
Das alte Sprichwort: »Man empfängt dich nach dei- gefühl an sich stark ausgeprägt ist, werden sehr schnell
nem Kleid, aber man entläßt dich nach deinem Ver- sich in die Formen des guten Tones hineinfinden;
stände«, ist so richtig und passend, wie das bei den anderen wird es immer ein wenig schwer werden.....
echten Sprichwörtern immer der Fall ist. Es will sagen: Jean Paul sagt: »Menschen von feinem Gefühl
suche den vollkommenen Einklang zwischen deinem bezaubern durch eine gewisse zärtliche Aufmerksamkeit
äußeren und inneren Menschen herzustellen, und du auf kleine Bedürfnisse des anderen; durch ein Erraten
kannst sicher sein, überall unter Menschen den Eindruck seiner leisesten Wünsche; durch eine stete Aufopferung
zu machen, der für dich der Vorteilhafteste ist....... ihrer eigenen; durch Gefälligkeiten, deren seidenes Ge-
»Es gibt ein Betragen«, sagt Karoline von Wolzogen, flecht sich fester und sanfter um unser Herz herumlegt,
»so liebenswürdig, daß es jedes Herz an sich zieht. Dieses als das schneidende Haarseil einer großen Wohltat«.
Betragen kann nicht gelehrt, nie als Manier angenommen *
werden; es entspringt aus innerer Schönheit und Bildung.« La Bruyere sagt: »Man muß schon ziemlich hervor-
* ragende gute Eigenschaften besitzen, um den Mangel an
Der gute Ton kann erlernt werden, das feine Takt- Höflichkeit zu ersetzen«. Das Wort gilt noch heute,
gefühl aber ist angeboren und kann nicht erlernt werden, ganz wie damals. Nur die Höflichkeit macht den dauern-