Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 39.1928

DOI Artikel:
Koch, Alexander: Der Geist des neuen Wohnens, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11738#0130

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
INNEN-DEKO RATION

107

Es ist hier nicht möglich, in Bezug auf die weiteren
Bestandteile einer Wohnungs-Einrichtung allzusehr ins
Einzelne zu gehen. Ich denke zum Beispiel an den Wand-
schmuck, an die Unterbringung von Gemälden, Plastiken
und sonstigen künstlerischen Gegenständen, an Blumen-
schmuck usw. In all diesen Fragen hilft die bloß dozierende
Belehrung nicht wesentlich weiter, da muß das Auge, da
muß die Hand sprechen und immer wieder der durch
Anschauen guter Vorbilder erzogene Geschmack. Sehen,
prüfen, vergleichen, erproben, das ist die Hauptsache.
Im Laufe einer langen Lebensarbeit, die dem schönen
Heim gewidmet war, konnte ich feststellen, daß es
wünschenswert war, neben den mannigfaltigen Bilder-
vorlagen über Wohnungskunst, wie sie in meinem Ver-
lage erscheinen, gewiße Erfahrungen, Grundsätze und
Gesichtspunkte für die Innenausstattung in leichtfaßlichen
Abhandlungen niederzulegen. So ist mit Hilfe eines
großen Mitarbeiterkreises ein kleines Buch »Das schöne
Heim« entstanden, das zahllose Einzelfragen behandelt
und nach den verschiedensten Seiten hin Anleitungen
und Anregungen gibt. Ich weise hier auf dieses kleine
Werk hin, weil es die natürliche und notwendige Er-
gänzung zu meinen gegenwärtigen Ausführungen bildet,

die mich nicht ins Einzelne gehen lassen.........

*

So möchte ich auch — um zur Frage des Wand-
schmuckes zurückzukehren — hier keine Anweisungen
geben, die Einzelfragen betreffen und sich zum Teil von
selbst verstehen. Daß man Bilder nicht so hoch hängt,
daß sie dem Auge entschwinden, daß man sie nicht in
auftreffendes Licht, sondern in Seitenlicht hängt, daß der
Bilder-Rahmen eine wichtige Sache ist, nicht nur für
das Bild, sondern auch für seine Beziehung zu den Möbeln
und zur Wand; das sind mehr oder minder elementare
Dinge. Würde mir aber zum Beispiel die Frage vor-
gelegt, ob nicht Bilder und Kunstgegenstände in der
Wohnung überhaupt »entbehrlich« wären, so würde ich
zu sagen haben, daß ich sie zwar nicht für unbedingt
notwendige, aber führ sehr erfreuliche und äußerst
wertvolle Hausgäste halte. Wie gerne verweilt das
Auge, wenn auch nur für Minuten, auf einem Gegenstand,
der nicht gerade direkt mit Beruf, Arbeit, Zweck, Ver-
nunft und sonstigem Teufelszeug zu tun hat! Wie gerne
verlieben wir uns in eine hübsche Statuette, eine feine
Klein-Bronze, eine schöne Majolika, eine zierliche Schale
oder Dose mit einer besonders gelungenen Glasur! Denn
es ist eine Erholung, durch ein solches Werk der Klein-
kunst auf andere Gedanken zu kommen; auf Gedanken,
die mit der Welt der Schönheit und der Freude zu
tun haben und eben dadurch mit der Welt des Spieles
und der geistigen Freiheit! Gerade wer in einem an-
gestrengten, arbeitsreichen Beruf steht, wird diese
entlastende, erfrischende Wirkung der durch

Kunst geadelten Dinge zu schätzen wissen.......



Ich möchte geradezu sagen, daß ich den Menschen
bedaure, der die Kunst in seinem Heime glaubt ent-
behren zu können. Es kommt hinzu, daß in der Regel
jeder künstlerische Gegenstand, den man besitzt, eine
kleine Geschichte hat. Man wird erinnert an die Person,
die ihn uns gespendet, oder man denkt an die Umstände,
unter denen man ihn erworben hat; oder es ist eine
bedeutende Künstlerpersönlichkeit damit verbunden, oder
es haftet gar ein besonders kunsthistorisches Interesse

daran. So kann ein sehr vielfältiger Reiz von solchen
Dingen ausgehen, am ausgiebigsten und anhaltendsten
naturgemäß von den eigentlichen Kunstwerken, also von
Gemälden und bedeutenden Skulpturen. Es ist
eine herrliche Eigenschaft von allen echten Kunstwerken,
daß sie nicht nur eine einzige Stimmung aussprechen,
sondern daß sie mit einer wundervollen Fügsamkeit auf
den Wechsel unserer eigenen Stimmungen eingehen und
so eine große Zahl verschiedener Seiten, Eigenschaften
und Reize offenbaren. Sie leben mit uns und wir mit
ihnen, wir haben einen echten Verkehr mit ihnen, der

uns stets Anregung und Bereicherung bringt.......

Was Kunst an sich ist, was sie ihrem innersten
Wesen nach will und bedeutet, das mögen die Philosophen
unter sich ausmachen. Aber das eine steht fest, daß
Kunst für Alle, die sie zu würdigen wissen, eine wichtige
starke Lebenshilfe ist. Das Schöne ist nicht nur
schön, es ist auch eine Kraft der geistigen Erfrischung,
die uns für Kampf und Erwerbsleben tüchtiger macht. .



Und das bringt mich zum Schluß auf eine Frage, die
sich gerade derjenige vorlegen muß, der sich die För-
derung der Kunst und besonders die Förderung des
kultivierten Wohnens zur Lebens-Aufgabe gemacht hat.
Die Frage lautet: »Warum eigentlich setzen wir uns so
sehr für ein künstlerisch erhöhtes und geadeltes
Wohnen ein? Warum reden wir von der Wohnkultur
in so hohen Tönen? Warum zählen wir sie unter die
großen Gesamt-Interessen der Nation?«.........

Wir tun das alles nur deshalb, weil kultiviertes
Wohnen keineswegs nur ästhetische Angelegenheit ist,
sondern mit Wert, Kraft und Lebensfülle eines
Volkes im engsten Zusammenhange steht. Schon
in den ältesten Uberlieferungen der europäischen Mensch-
heit knüpft sich an den Ubergang des Menschen vom
Nomadentum zur Seßhaftigkeit und Behausung eine
hohe religiöse Weihe: die Stiftung von Haus und Herd er-
scheint als Tat der Götter, denn auf der »Seßhaftwerdung«
der Menschen beruht ihre erste Gesittung, beruhen die
Anfänge aller Kultur. Daran hat sich bis heute trotz
aller Neuerungen nichts geändert. Erst der recht behauste
Mensch ist wahrer und voller Mensch..........

Denn das Heim ist eine unvergleichliche
Kraftquelle. Während wir draußen im Leben — das
ja ein ständiger Krieg ist — angefeindet werden und
uns verbrauchen, ist das Heim die Zone, wo alles uns
liebt und bestätigt, wo wir uns selber wiederfinden, wo
unser Selbstgefühl sich wieder herstellt und kräftigt. Das

Leben draußen zehrt, aber das Heim ernährt......

*

Es kommt aber auf das Wie des Heims an. Denn
nur eine richtige und gute Umgebung kann den vollen
Segen des Heims spenden. Räume und Möbel sind zwar
nur Dinge, aber Dinge sind Mächte. Unser Wesen ist
grenzenlos bestimmbar durch äußere Eindrücke. Deshalb
ist es außerordentlich wichtig, daß unser Heim, das mit
kontinuierlichen Eindrücken uns umgibt, günstig, positiv
und lebensfördernd auf uns einwirkt, — nicht
negativ, lähmend und niederdrückend. Die Wohnung ist
zu definieren als die Summe der seelischen Einwirkungen,
denen sich der Mensch am häufigsten und widerstand-
losesten aussetzt. Diese wichtigen Einwirkungen lebens-
fördernd zu gestalten, das ist die immer neu zu lösende
Aufgabe der Wohnkultur. Keine ästhetische Aufgabe
 
Annotationen