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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 39.1928

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Hardenberg, Kuno Ferdinand von: Miszellen über Keramik
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https://doi.org/10.11588/diglit.11738#0251

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228 INNEN-DEKORATION

lorenz hutschenreuther a. g.-selb »porzellan-frühstücks-service«

denke an die Tanagra-Dämchen des 4. und 3. Jahrhun-
derts v. Chr. mit all ihrem Schick und all ihrer höchsten
Gepflegtheit. Man denke an die Geschichte der gemal-
ten Fayencen und ihre glanzvolle Entwicklung in der
Renaissance der Mediceer, man denke sich in irgend eine
kunstliebende Periode aller Zeiten: immer ist die Kera-
mik in irgend einer neuen Form der Liebling der Gebil-
deten, der Gesellschaft, die immer die gute ist, weil

das Schlechte nie Gesellschaft bilden kann.......

-*

Für Europa beginnt die höchste Blüte der Keramik,
oder man muß wohl sagen, der keramischen Kunst —
mit der Erfindung Böttgers, der Gold suchte und mehr
fand: das sächsische Porzellan, das in Deutschland und
dann auch fast in allen europäischen Ländern die unver-
gleichliche Kulturblüte der Feinkeramik des 18. Jahrhun-
derts gezeitigt hat. . Wie arm ist der, der nichts von ihr
weiß, dem aller Esprit, alle Galanterie, alle zarte Sinn-
lichkeit, aller Humor und alles Genie, die diese edle Por-
zellan-Kunst entfaltet hat, »terra incognita« ist! ... .



In der großen, weltmännisch auf das Behagen einer
ersten Gesellschaft gerichteten Wohnkunst nimmt die
Keramik nach wie vor die ihr gebührende Stellung ein.
Welche Theorie könnte wohl auch den Glanz von Alt-
Meißen, Nymphenburg, Frankenthal, Höchst und Lud-
wigsburg, und wie sie heißen mögen, die großen Namen

der keramischen Klassik, verdunkeln? Welche Ruhe und
Kraft strömt solch ein mehrtausendjähriger »Tang-Reiter«
in einer Halle aus, wie beglückend wirkt eine »sang de
boeuf«-Vase oder ein Potpourri aus »bleu poudre«,
welche Wonnen geben altpersische Schalen, das edle
Seladon, und altjapanische Tscha-no-yu Tassen! Was
käme dem Zauber dieser durch Jahrtausende geheiligten

Werke alter Kunst gleich?................



Moderne Keramik — als kritischer Kenner sprach
man noch vor Jahren dieses Wort mit Achselzucken
aus! Es gibt jetzt etwas, das man mit aller Achtung:
moderne Keramik nennen darf. Es gibt Keramiker,
koloristisch verstehende, die von den Orientalen und durch
die heimische Wissenschaft Glasuren und ihren Zauber
ergründet haben, es gibt Bildende, denen Kaolin Sprache
und Aussprache von Künstlerempfinden bedeutet, sei es
für ungewöhnliche Gefäßformen, sei es für kleinere oder
größere Luxusgottheiten, die wieder Leben atmen, wie
einst die köstlichen Figuren eines Melchior oder Kaend-
ler. Man muß sie nur sehen oder finden können und
wollen in der verwirrenden Flucht der Erscheinungen! .



Möchte das deutsche Heim nur nie so verarmen, daß
ihm der Schmuck seiner kostbaren alten und seiner guten
neuen Keramik verloren gehen müßte. Es wäre um viel
Schönheit, Anmut und Kultur geschehen. . . . k. g.v.h.
 
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