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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 39.1928

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Michel, Wilhelm: Neuzeitliche Innenräume in der Ausstellung: Deutsche Kunst Düsseldorf 1928
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https://doi.org/10.11588/diglit.11738#0295

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272

INNEN-DEKORATION

Erfolg ihr für die Zukunft immer mehr Boden
schaffen wird. Nur im Bündnis mit dem Werden-
den und Zukünftigen kann eine Stadt wie Düssel-
dorf die ihr mögliche Bedeutung erreichen. Das
ganze Gebiet, in dem sie liegt, hat mit allen seinen
Aspekten und Außerungsweisen eine klareTendenz
zu gegenwärtigem, aktivem, jungem Dasein; das
gilt für die Rheinlandschaft wie für die Arbeits-
stätten und den Geist, der in ihnen waltet.....

*

Daß für die Raumkunst alle diese grundsätz-
lichen Fragen einfacher, unproblematischer liegen,
leuchtet ein; wenigstens insofern, als außer Zweifel
steht, daß sie lediglich die Zeitform zu suchen
hat, daß in ihr das Verhältnis zur Tradition weniger
Stacheln und Tücken hat, daß das Nebeneinander-
leben der verschiedenenKünstlergenerationeninihr
weniger Gegensätze und Konflikte bringt, überall
wird in der Raumkunst-Abteilung der Düsseldorfer
Ausstellung der Zeitform nachgegangen. Man
sucht sie das eine Mal, wie Breuhaus in seinem Cafe,
in ihrer knappsten technizistischen Aus-
prägung zu ergreifen, als in wörtlicher Uberein-
stimmung mit dem modernsten Außenbau, wie er
in Stuttgart zutage getreten ist. Oder man geht
ihr nach von den Ansprüchen moderner
Lebensgestaltung her; und das ist der bei
weitem häufigere Fall. Es wird der Lebensbe-
währung moderner Bau- und Raum-Ideen nur dien-
lich sein, wenn man da auf einen Konflikt verweist.
In Stuttgart hat man mit der asketisch-spartanischen
Ideologie der neuesten Bauform auch im Innen-
raum Ernst zu machen gesucht. In Düsseldorf
aber stellt sich ihr der Geist des genießerischen
Komforts überall entgegen, wie es ganz natürlich
ist bei einer Raumkunst, die seit Jahrzehnten auf
das Ziel höchster Geschmacklichkeit, feinster
Repräsentation und größten Lustgewinns beim
Wohnen ausgegangen ist. So viel Behagen, so viel
schwellende Polster und anmutiges Farbenspiel als
möglich. Wundervolle Hölzer, aparte Stoffe,
klangvolle Arrangements, Luxus, wohin man blickt;
freilich kein Luxus in der Anhäufung ausge-
sprochen zweckloser Dinge oder Ornamente, keine
Bibelots, keine Ziermöbel, keine reichgemusterten
Wände; aber dafür Pomp des Materials und der
Abmessungen, Pomp in den Betonungen, Pomp im
Auftreten der massigen Schränke, der breiten
Kamine, der riesigen Divans, der burgartigen
Sekretäre und Bücherschränke. Jedes Stück eine
»Persönlichkeit«, ein Anspruch, eine objektive
Gestalt mit der Tendenz zur großen, ausladenden
Gebärde. Klar ergibt sich, daß diese Gestaltungen
hervorgehen einerseits aus der kunstgewerblichen

Tradition der letzten drei Jahrzehnte, andererseits
aus jener Gesamtstimmung der modernen Zivili-
sation, die zum möglichst verfeinerten Genießen
des Daseins drängt. Wenn Breuhaus die Anwen-
dung der technizistischen Formen auf sein zweifel-
los entzückendes Cafe beschränkt, so liegt darin
eine Art Zugeständnis, daß diese Formen nur für
flüchtiges, provisorisches Verweilen als brauchbar
erachtet werden. Man darf wohl annehmen, daß
damit das letzte Wort über diese Frage noch nicht
gesprochen ist. Es werden noch einige Aus-
einandersetzungen erfolgen müssen, bis der Konflikt
zwischen der Idee der Wohnmaschine und der
Idee des an sich formvollen, eine objektive Welt
bedeutenden Heims als ausgetragen gelten kann.
Die Düsseldorfer Ausstellung geht den Weg der
schrittmachenden Luxus-Leistung — ein Weg, der
sich schon häufig als ergiebig erwiesen hat. Denn
nur bei Problemstellungen, die frei sind auch nach
der Seite der aufwendbaren Mittel, kann der
Künstler das zunächst Wichtige, nämlich seine
Formidee, ungehindert herausstellen. Die Auswer-
tung ist Sache eines späteren Augenblicks.....

*

Um nun auf Einzelnes einzugehen, so bildet das
Cafe von F. A. Breuhaus (S.275—279) etwas wie
die Sensation der Ausstellung. Stühle und Tische aus
vernickeltem Stahlrohr in sehr eleganter Führung,
die Stühle mit Gurten bespannt (Entw: M. Breuer-
Dessau, Ausf: Gebr.Thonet A.G.-Berlin), dieTische
mit dünnen lackierten Holztafeln; alle Formen durch-
sichtig, nirgends Masse und Körper, sondern nur
Kraft undFunktion;imZusammenwirken der grauen,
braunen, schwarzen und roten Bespannungen und
Tischflächen mit den diskret aufblitzenden Glanz-
lichtern des Metalls eine zarte, flüsternde Farb-
musik; dazu die roten, gelben und grauen Töne von
Wand und Estrich, der breite, Lichteinfall vom
Ehrenhof her durch das Kakteen-Fenster — dies
sind die wesentlichen Elemente des Gesamt-Ein-
drucks. Er ist apart und ungemein duftig. Besonders
die Form der Stühle ohne Armstützen kann als aus-
gezeichnet gelten. Zwar drängen sich Zweifel an
der praktischen Dauerbewährung dieser Konstruk-
tionen auf; aber sie sind jedenfalls vollwertige
Träger des technizistischen Formgedankens und
wollen vorläufig nur als solche genommen werden.

Die Leichtigkeit, mit der Breuhaus hier eine
Reizform des Augenblicks seinen Zwecken dienst-
bar macht, hindert ihn nicht, in der Bedienung be-
tont luxuriöser Wohnansprüche den eigentlichen
Kern und Antrieb seiner Begabung zu zeigen.
Schön und überzeugend tritt er namentlich in seiner
»Wohnhalle eines Industriellen« (S.282) her-
 
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