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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 7.1909

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Heft 2
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Roessler, Arthur: Briefe Karl Schuchs
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https://doi.org/10.11588/diglit.4599#0078

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im Augenblick, als sie todt auf die Polster zurück-
gelegt ward.

Warum ich nicht früher hineinging, fragst Du?
Mein Erscheinen in der Nacht hätte ihr gesagt, was
sie wohl ahnte, aber nicht mit Bestimmtheit wusste.

Es war z Uhr morgens. —

Venedig, z. Dezember i8tfS.

Du hast Recht — doch Recht/ Italiens Wunder
und die Menschen, die mit Dir sie gemessen, das reisst
Dich mit, dein kannst Du nicht widerstehen. Leben
und Kunst, Du musst beiden die Arme öffnen. Die
Arbeit aber sei vor allem unser Augenmerk!

Julius! Ich habe einen Charakter gefunden, das
heisst Mut, Selbstvertrauen, Kraft, Energie; — ein
Mensch, der mit einer einzigen Hose, einzigem Rock,
einzigem Hemd und mit 12 Gulden im Sack von Baiern
fort ist, und jetzt hie und da, der Notwendigkeit sich
fügend, arbeitet um Geld zu haben, Studien aber
immer malt, sobald er nicht wüst lebt, voll Talent und
Genialität — durch Italien sich schlägt, um dann in
Paris zu studiren — erst zz Jahre alt! Nun ver-
lassen wir ihn, jetzt lebt er wieder eingezogen und
arbeitsam in Rom, dann stösst er zu uns, denn ich gehe
auch nach Rom, das weisst Du noch nicht, aber ich
kann's nicht auslassen, das verstehst Du. — Jetzt
recte nach Neapel, dann Palermo, Neapel—Rom u.s.w.

Ich habe hier in Contakt mit anderen Kunstzweigen
sehr viel gelernt, besitze eine, leider unfertig bleibende,
Farbenstudie, Bleiskizze — aber viel im Kopf. Geht's
so weiter, ist's recht.

In Neapel selbst oder weiter, (wirst Du) hören
von mir — die letzten Stunden bin ich nicht frei.
Leb herzlich wohl — beantworten will ich Dein
Schreiben ein andermal. Adw. Carl.

Schicke Dein nächstes Schreiben Neapelpost restante.
Mein erster Gang ist auf die Post.

Palma Vecchio, Tizian, Tintoretto, Bcllinis Ma-
donnen, Paolo Veronese — und alle venezianischen
Farbenschwindler kenne ich jetzt genau. Jetzt kommt
Natur und Antike, dann Roms idealistischen Denk-
mäler — und wieder Antike. Florenz kommt später.
Dann wieder Natur. Genua, Nizza, die Seen, und
Sommer in Graubünden. Jetzt ist's in Neapel kalt,
statt später, nach wenigen Aufenthaltstagen, ca.
S Tagen, nach Sicilien.

Du siehst — der Zug geht!

Olevano, 16. Juli (iSöS).

Lieber Julius!

Olevano ! Nicht war, Du strengst vergeblich Dein

Gedächtnis an, Du bohrst in Deinen Schulerinnerungen

— ich komme ihnen zu Hilfe. Unfern von Rom, im
nahen Sabinergebirge, dessen Frauen auch heute noch
verdienten, dass man einen Raubzug unternähme, -
liegt Olevano; Olevano, das Eldorado der Maler und
Skorpione, eine romantische Stadt mit der vollstän-
digsten Physionomie des Mittelalters, der ganzen Ro-
mantik und Schweinerei italischer Landstädte.

Von meinem Balkon seh' ich hinüber in's Albaner-
gebirge, über die Campagna bis an's ferne Meer, und
bis an die Berge der Volker — ein verschlossenes Pa-
radies; denn drüben in den Schluchten dieser Berge,
da steht noch der Brigante im Engpässe, die Flinte in
der Hand — und wehe dem Wanderer!

Es ist mir eigen zu Mute wenn ich abends hinab-
sehe und hinaus in die endlose Weite. — Da unten,
da schmettert das Tamburin, im Mondlicht fliegen die
tanzenden Paare aneinander vorbei, aus der Cam-
pagna glänzen die roten Fieberfeuer herauf. — Da
muss ich zurück denken an all das reiche, bewegte
Leben in vergangenen Zeiten und ihr alle, die ich ver-
loren und verlassen, Ihr zieht an mir vorüber, und ich
weiss nicht, ob ich Euch noch nahe stehe wie einst, oder
ob, wenn wir uns wiedersehen, wir nicht Fremde an-
einander erblicken. Es liegt ja eine Welt inzwischen —

Da zieht es mich am Arme, man hat ein Kind
heraufgeschickt, mich zu holen; ich bin ja bereits ein
gesuchter Tänzer, von Capri her schon Meister im
Saltarello. Enricetta schlägt lauter das Tamburin —
und im Tanzesdrehen ist verschwunden und versunken
die Vergangenheit! —

Aber es zieht mich fort nach der Heimat, den
deutschen Bergen, den deutschen Menschen, auch den
südlichen Wein macht' ich gerne missen und vertauschen
mit germanischem Bier, dessen Steinbehälter im Ge-
birge so laut an die Köpfe dröhnen. Gern' mächt' ich
morgens und abends mich in mein Plaid wickeln und
frieren des nachts — besser ist's als die entnervende
Gluthitze, der malerische Schmutz und das habgierige
l olk. Das ist die Kehrseite der Medaille.

Ich habe Dir lange nicht geschrieben — ich weiss
nicht recht, warum. Manches hatte mich verdrossen

— dann war mir's, als schrieb ich einem Jener, die
ich nach meiner Marotte für todt halte, weil sie sich
in die wärmere Enge gezogen. Du schriebst auch
nicht — und indessen hatte mir Neapels Luft und
sein feuriger Wein nochmals alte Funken zur Flamme
angefacht — mein romantischer Sinn hatte mir in
einem Kinde Babylons manches mir Sympathische be-
zeigt — so ging's bis zur Osterwoche — da riss ich
mich los, und halb krank, halb gesund, stiess ich in

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